Julian Schultz
, Jens Klötzer
· 04.02.2023
Schnell und bezahlbar: Geht das überhaupt? Wir schickten zehn aktuelle Wettkampf-Rennräder zwischen 3000 und 5000 Euro in den Test und erlebten mehr als eine Überraschung.
Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld? Vor dieser Frage stehen immer mehr Rennradler, die sich für ein aerodynamisch optimiertes Wettkampf-Rennrad interessieren. Denn für die schnellsten Modelle sind fünfstellige Preise leider Realität geworden. Doch es geht auch ein paar Nummern günstiger, wie unser Vergleichstest von Race-Modellen unter 5000 Euro zeigt.
Auffällig: Die Rennräder unterscheiden sich extrem bei Gewicht und Aerodynamik, was zu großen Abständen bei den Gesamtnoten führt.
>> Benotti Fuoco Aero
>> Cervélo Soloist 105
>> Canyon Aeroad CF SLX 7 eTap
>> Cube Litening Aero: C:68X Race
>> Giant Propel Advanced 1
>> Lapierre Aircode DRS 5.0
>> Merida Reacto Rival-Edition
>> Ridley Noah Disc 105
>> Rose XLite 04 105
>> Storck Aerfast.4 Comp Disc Ultegra
Ortstermin, Immenstaad. Zehn Wettkampfräder warten darauf, im GST-Windkanal vermessen zu werden. Die Besonderheit an diesem spätherbstlichen Test-Tag am Bodensee: Die Boliden, die gleich auf den Prüfstand kommen, sind vergleichsweise erschwinglich. Im Gegensatz zu ihren hochklassig ausgestatteten High-End-Pendants, die inzwischen meist mehr als 10.000 Euro kosten, liegen die Preise der Testmodelle zwischen 3000 und 5000 Euro.
Das ist immer noch viel Geld für ein Rennrad - erst recht vor dem Hintergrund, dass die finanziellen Belastungen des Lebens in den kommenden Monaten weiter steigen werden und eine Neuanschaffung fürs Hobby gut überlegt sein will. Zudem haben die Hersteller auch günstigere Modelle im Programm, die mit weitaus weniger Entwicklungsaufwand und -kosten verbunden sind. Im Segment der Wettkampf-Rennräder geht es inzwischen aber kaum noch günstiger. Doch sind Race-Modelle bis 5000 Euro überhaupt empfehlenswert?
Oder muss man zu viele Abstriche in Kauf nehmen und wäre für einen vergleichbaren Preis mit dem Rad einer anderen Kategorie besser bedient? Unser Vergleich liefert die Antworten. Zehn Hersteller konnten Testräder liefern, wobei Rose mit dem XLite 04 105 das günstigste Modell ins Rennen schickte. Etwa die Hälfte der Kandidaten wie Benotti, Canyon oder Storck erreicht die Obergrenze unseres Preis-Limits.
Bei der Ausstattung sind Shimano und SRAM vertreten, wobei die Testrennräder je zur Hälfte mechanisch (105 und Ultegra) oder elektronisch (Ultegra Di2 und Rival eTap) schalten. Bei den Laufrädern ist von flachen Alu- bis zu hohen Carbonfelgen alles vertreten, woraus sich mitunter krasse Unterschiede bei Gewicht und Aerodynamik ergeben.
Knapp 700 Gramm trennen den leichtesten (Storck) vom schwersten Laufradsatz (Merida), zudem belegen die vier Renner mit einfachen Alu-Felgen im Windkanal die hinteren Plätze. Damit zeigt sich einmal mehr, dass ein noch so aerodynamisches Rahmen-Set den Nachteil langsamer Laufräder nicht kompensieren kann.
Überhaupt zeigen sich bei den beiden wichtigsten Kriterien eines Wettkampfrads - Gewicht und Aerodynamik - riesige Unterschiede. In einem Vergleichstest wie diesem erleben wir das äußerst selten. Die leichtesten Wettkampf-Rennräder (Cube und Storck) wiegen fast 1,5 Kilogramm weniger als das schwerste Modell (Merida), das wir mit etwas mehr als neun Kilo an der TOUR-Waage hängen hatten.
Neben den Laufrädern lassen sich diese Sprünge durch die Gewichte der Rahmen-Sets erklären, die sich um bis zu 400 Gramm unterscheiden. Zudem sind günstige Alu-Anbauteile wie Lenker oder Vorbau meist schwer. Insgesamt bleiben nur drei Kandidaten - bezeichnenderweise die teuersten Räder mit bester Ausstattung - unter acht Kilo.
Bemerkenswert ist dabei das Benotti: Trotz des zweitschwersten Rahmen-Sets landet das Bike dank sehr leichter Carbonlaufräder von Engage bei 7970 Gramm. Eine Überraschung gelingt dem Rose-Renner, dessen Rahmen-Set das Günstigste und das Leichteste ist (1538 Gramm). Das schwerste Chassis trägt das Lapierre (1924 Gramm). Im Vergleich zu den Top-Wettkampfrädern muss man in dieser Preisklasse also mit einem Mehrgewicht von bis zu einem Kilogramm kalkulieren.
Die großen Gewichtsunterschiede im Testfeld spiegeln sich nicht nur in den Zahlen wider, sie sind im Sattel spürbar. Während die leichtesten Räder sich relativ flott beschleunigen und über hügeliges Terrain treiben lassen, fühlen sich die schweren Modelle ziemlich träge an.
Doch zurück in den GST-Windkanal, wo wir neben dem Gewicht das zweite Kernkriterium der Wettkampfräder ermitteln: die Aerodynamik, ausgedrückt als Leistung in Watt, die nötig ist, um mit dem Rad 45 km/h zu fahren. Hierbei sind die Unterschiede sogar noch extremer als beim Gesamtgewicht. Zwischen dem schnellsten und dem langsamsten Renner liegen satte 30 Watt - das sind Welten.
Den beeindruckenden Bestwert erzielt das Aerfast.4 Comp mit 202 Watt. Wie schon die teurere Pro-Variante (TOUR 2/2022), die mit Einfach-Kettenblatt ohne Umwerfer nochmals um ein Watt schneller war, profitiert das Rad von seinem mutigen Gabeldesign. Als einer der ersten Hersteller wandte Storck das neue UCI-Reglement konsequent an und steckte ein Exemplar in den Rahmen, dessen Holme an den Ausfallenden fast 80 Millimeter tief sind.
In Kombination mit dem extrem flachen Aero-Cockpit schneidet das Aerfast.4 damit regelrecht durch den Wind und katapultiert sich auf Rang drei der schnellsten Serienräder im TOUR-Test. Die Schallmauer von 200 Watt durchbricht es damit zwar wieder nicht - diesen Wert hatte Storck laut eigener Berechnungen für das Pro-Modell ermittelt. Das Ergebnis ist dennoch beeindruckend, da es aktuell kein schnelleres Rennrad in der Klasse bis 5000 Euro gibt.
Knapp dahinter folgt mit Canyons Aeroad ein alter Bekannter, wenn es um die Bestenliste der schnellsten Serienräder der Welt geht. Das CF SLX 7 eTap benötigt eine Tretleistung von 206 Watt für 45 km/h. Das Cube Litening Aero C:68X Race komplettiert mit 207 Watt das Spitzen-Trio in der Preisklasse bis 5000 Euro.
Neben den aerodynamisch optimierten Rohrformen profitieren drei von schnellen Carbonlaufrädern mit 50 bis 65 Millimeter hohen Felgen, die nahezu identisch abschneiden wie der Referenzlaufradsatz Zipp 404 (siehe Tabelle unten).
Bereits eine Klasse schlechter als Storck, Canyon und Cube schneiden das Benotti Fuoco Aero (213 Watt) und Giant Propel Advanced 1 (216 Watt) ab. Wobei das Benotti erneut überrascht, da es mit dem serienmäßigen Laufradsatz um vier Watt schneller ist als mit den Zipp 404. In der langen TOUR-Testhistorie im GST-Windkanal schafften das bislang nur wenige Modelle.
Die übrigen Wettkampf-Rennräder, also das halbe Testfeld, erreichen Ergebnisse zwischen 220 und 232 Watt. Die Messungen mit den Referenzlaufrädern zeigen, dass die Rahmen durchaus aerodynamische Qualität haben, das Gesamtsystem mit den flachen Laufrädern aber nicht besonders gut funktioniert. Das beste Beispiel, wie viel sich mit einem Wechsel der Laufräder herausholen lässt, liefert das Soloist 105 von Cervélo.
Mit den Zipp 404 verbessert es sich um zehn Watt und dringt damit ins Mittelfeld vor. Auch Lapierre Aircode DRS 5.0, Merida Reacto Rival-Edition (je acht Watt) und Rose XLite 04 105 (sieben Watt) machen mit dem schnelleren Set-up einen Sprung nach vorne - wenngleich die Top Ten der schnellsten Serienräder noch weit entfernt sind.
Beim Fahrkomfort - Wettkampf-Rennräder holen bei diesem Kriterium dank speziell konstruierter Sattelstützen immer mehr auf im Vergleich zu Marathonrädern - liefern die Kandidaten Erwartbares und liegen auf ähnlichem Niveau. Der Ausreißer nach oben ist das Rose, das Unebenheiten im Stile eines Marathonrads wegbügelt. Auch Merida und Ridley federn Stöße sehr gut ab.
Der Ausreißer nach unten ist das Storck, das extrem hart abgestimmt ist und Erschütterungen relativ ungefiltert an den Fahrer weitergibt. Auch beim Fahrverhalten unterscheiden sich die Renner kaum und bieten eine gelungene Mischung aus Geradeauslauf und Agilität. Bei den Steifigkeitswerte leisten sich Benotti, Canyon, Cervélo und Storck leichte Schwächen an der Gabel, die während der Fahrt aber nicht auffallen.
Nach unseren Tests in Windkanal, Labor und Praxis fällt das Resümee gespalten aus. Insgesamt bieten nur die wenigsten Räder ein überzeugendes Rundum-Paket als Wettkampfgerät. Bei der Aerodynamik bleiben einige hinter dem aktuellen Stand der Technik zurück, obwohl alle mit ihren Aero-Qualitäten angepriesen werden. Nur Canyon, Cube und Storck können bei diesem Kriterium richtig punkten und verdienen sich damit auch die besten Noten.
Positive Überraschungen gibt es dennoch. Zum einen, dass das Cube Litening Aero C:68X Race den Testsieg abräumt. Mit der Gesamtnote von 1,5 liegt es nur noch knapp hinter dem elitären Club der besten Räder in der TOUR-Testhistorie, den aktuell die vier Top-Modelle von Canyon, Giant, Scott und Specialized bilden. Zum anderen: Das Storck Aerfast.4 Comp ist das einzige Rennrad für weniger als 5000 Euro, das in die Top Drei der schnellsten Serienrennräder der Welt vorstoßen kann.
Und nicht zuletzt: Das Rose XLite 04 105* schneidet als günstigstes Rad im Test schon sehr respektabel ab - mit etwas Laufrad-Tuning wird daraus eine ernstzunehmende Rennmaschine. Insgesamt wären schnellere Laufräder für die meisten Modellen eine Empfehlung - stünde dem nicht der Preis entgegen: Schnelle Carbonlaufräder sind inzwischen kaum noch für weniger als 1000 Euro zu bekommen. Der Traum vom schnellen und preiswerten Wettkampf-Rennrad ist damit leider schnell wieder ausgeträumt.
Um den Einfluss der Laufräder ausschließen und die Performance des Rahmen-Sets einordnen zu können, messen wir die Aerodynamik jedes Testrads zusätzlich zur Serien-Ausstattung mit einem Referenz-Laufradsatz. Seit der Umstellung auf Scheibenbremsen ist das ein Zipp 404 Firecrest (Modelljahr 2018), bestückt mit Continental-Reifen (Grand Prix 5000) in 25 Millimetern Breite.
Die Laufräder sind schon ein paar Jahre alt, aerodynamisch aber immer noch auf Top-Niveau: Cervélo, Lapierre und Merida profitieren erheblich.
Dennoch: Zwei Wettkampf-Rennräder - das Storck und das Benotti - funktionieren in ihrem serienmäßigen Set-up so harmonisch, dass sie mit dem Referenz-Laufradsatz nicht schneller werden.
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