Julian Schultz
· 28.12.2022
Erstmals in der Geschichte von TOUR stehen gleich vier Wettkampfmodelle gleichzeitig an der Spitze der besten Rennräder der Welt. Sie verdienen sich durch Top-Leistungen in den vier wichtigsten Kriterien die Bestnote 1,4. Mit dabei: das Canyon Aeroad CFR Disc MVDP.
Wir schreiben das Jahr 2016, die ausgehende Ära der Rennräder mit Felgenbremsen. Specialized und Trek haben unlängst spektakuläre Aero-Rennräder vorgestellt, doch dann kommt Canyon und schlägt dem Duo ein Schnippchen. Denn nicht Specialized Venge oder Trek Madone sichern sich mit ihrer aerodynamischen Qualität die TOUR-Bestnote 1,4, sondern das leichtere Aeroad CF SLX 9.0 LTD, das auf diese Weise mit dem Scott Foil gleichzieht. Mit dem Aeroad CFR Di2 und dem Aeroad CFR Disc mit Scheibenbremsen legte Canyon in der Folge nach, beide Rennräder erhielten – auf Basis der angepassten Notenskala, die den Fortschritt bei Bremsen und Komponenten berücksichtigt – ebenfalls die TOUR-Testnote 1,4. Was also ist das Erfolgsrezept des Canyon Aeroad?
Das Top-Modell der Koblenzer trumpft aktuell vor allem im Windkanal groß auf. Mit 204 Watt für 45 km/h zählt die blau leuchtende Sonderedition zu Ehren Mathieu van der Poels zu den schnellsten Serienrädern der Welt. Nur drei Aero-Renner waren bei unseren Messungen im Windkanal in Immenstaad am Bodensee jemals schneller. Darunter auch das Canyon Aeroad CFR Di2, das mit Elffach- statt Zwölffach-Antrieb nochmals um zwei Watt besser abschnitt. Eine vernachlässigbare Differenz für das wichtige Kriterium Aerodynamik, beide Modelle holen eine glatte Eins. Das Aeroad CF SLX 9.0 LTD kam auf 208 Watt und reihte sich knapp hinter den damals schnellsten Modellen ein.
Der Vor-Vorgänger des aktuellen Aeroad profitierte im Hinblick auf die Gesamtnote allerdings von seinem beeindruckend niedrigen Gewicht knapp über dem UCI-Limit. Da konnten die nachfolgenden Versionen mit Scheibenbremsen nicht mehr mithalten. Für ein aerodynamisch optimiertes Rennrad sind die 7190 Gramm des aktuellen Aeroad CFR Disc dennoch sehr beachtlich.
Insgesamt gibt sich das Canyon-Rennrad vielseitiger, als es der erste Anschein vermuten lässt; das Gesamtkonzept aus Aerodynamik, geringem Gewicht, Fahrdynamik und gutem Komfort am Sattel stellt ein stimmiges Konzept für unterschiedliche Terrains dar. Nicht von ungefähr setzen viele World-Tour-Profis fast ausschließlich auf das Aeroad.
Allerdings schrieb das Aero-Rennrad von Canyon zuletzt nicht nur positive Schlagzeilen. Nachdem ein Lenkerbruch bereits zum Verkaufsstopp führte, musste Canyon das Aeroad im Herbst erneut aus den Online-Regalen nehmen. Anhaltende Probleme mit der Sattelstütze waren der Auslöser. Obwohl die bei den 2022er-Modellen inzwischen mit einer Gummimanschette abgedichtet ist, um das Eindringen von Schmutz und Wasser zu verhindern, gibt es weiter Berichte über knarzende Stützen. Laut Canyon ist die Stütze aber dennoch sicher.
* Gewogene Gewichte.
** Herstellerangabe Testgröße fett.
*** Stack/Reach projiziertes senkrechtes/waagerechtes Maß von Mitte Tretlager bis Oberkante Steuerrohr; STR (Stack to Reach) 1,36 bedeutet eine sehr gestreckte, 1,60 eine aufrechte Sitzposition.
**** Laufradgewichte inklusive Bereifung, Kassette, Schnellspanner/Steckachsen und ggf. Bremsscheiben.
Einzelnoten, die unterschiedlich gewichtet in die Gesamtnote einfließen, bilden wir nur zum Teil ab. Die Noten werden bis zur Endnote mit allen Nachkommastellen gerechnet; zur besseren Übersicht geben wir aber alle Noten mit gerundeter Nachkommastelle an.
Aerodynamik: theoretisch benötigte Tretleistung, um den Luftwiderstand bei 45 km/h zu überwinden, gemessen im Windkanal mit einem tretenden Beindummy.