Julian Schultz
· 29.12.2022
Erstmals in der Geschichte von TOUR stehen gleich vier Wettkampfmodelle gleichzeitig an der Spitze der besten Rennräder der Welt. Sie verdienen sich durch Top-Leistungen in den vier wichtigsten Kriterien die Bestnote 1,4. Mit dabei: das Giant Propel Advanced SL.
Schnell war das Giant Propel schon immer. Weil das Aero-Rennrad in der Vergangenheit aber bretthart über die Straßen jagte und wegen seines relativ hohen Gewichts bergauf nicht gerade leichtfüßig wirkte, fehlten der Giant-Rennmaschine im TOUR-Test immer ein paar Zehntel im Vergleich zur Konkurrenz. Mit der Neuauflage des Giant Propel, das bei der diesjährigen Tour de France prompt für zwei Etappensiege gut war, änderte sich das schlagartig. Der Profi-Renner ist im erlesenen Kreis der Rennräder mit TOUR-Gesamtnote 1,4 angekommen und hinterließ im ersten ausführlichen Labor- und Praxistest von TOUR bleibenden Eindruck.
Der größte Fahrradhersteller der Welt aus Taiwan hat dem Giant Propel auf dem Weg vom bisher vor allem schnellen zum vielseitigen und leichten Allrounder eine knallharte Schlankheitskur verordnet. So bringt das top ausgestattete Giant Propel Advanced SL in der Lackierung des Teams BikeExchange-Jayco 6830 Gramm an die Waage. Dadurch konkurriert es mit leichten Berg-Rennrädern wie dem TCR Advanced SL aus dem eigenen Stall. Auch beim Komfort hat das neue nichts mehr mit dem alten Propel gemein, die integrierte Sattelstütze federt Stöße nun deutlich besser ab. Aus dem Aero-Rennrad ist ein Wettkampf-Allrounder geworden, der gleichzeitig nichts von seiner Schnelligkeit eingebüßt hat.
Das Giant-Bike wurde zwar nicht schneller und verpasst knapp den Sprung unter die Top-Ten der schnellsten Serien-Rennräder im TOUR-Test. Die für 45 km/h benötigten 209 Watt Tretleistung sind dennoch ein sehr ordentliches Ergebnis, das neben dem Rahmen auch auf die hochwertigen Laufräder mit Carbonmesserspeichen und aerodynamisch optimierten Reifen der Hausmarke Cadex zurückzuführen ist. Ein Manko: Aus Sicherheitsgründen sind die hakenlosen Felgen bisher nur für wenige Reifenmodelle anderer Hersteller freigegeben.
Erfreulich praxisorientiert präsentiert sich das Cockpit. Die zweigeteilte Kombi lässt sich einfach in der Höhe verstellen und der individuellen Position anpassen. Leitungen trennen oder Gabelschaft kürzen, wie bei vielen vergleichbaren Konkurrenz-Rennradmodellen mit einer einteiligen Lenker-Vorbau-Einheit aus Carbon, ist damit nicht nötig. Außerdem fügt sich der Vorbau besser ins Gesamtbild ein, das nicht mehr ganz so deutlich von seiner aerodynamischen Ausrichtung dominiert wird. Das neue Giant Propel ist seinem Vorgänger in nahezu allen Bereichen überlegen und zu einem beinahe perfekten Allrounder gereift.
* Gewogene Gewichte.
** Herstellerangabe Testgröße fett.
*** Stack/Reach projiziertes senkrechtes/waagerechtes Maß von Mitte Tretlager bis Oberkante Steuerrohr; STR (Stack to Reach) 1,36 bedeutet eine sehr gestreckte, 1,60 eine aufrechte Sitzposition.
**** Laufradgewichte inklusive Bereifung, Kassette, Schnellspanner/Steckachsen und ggf. Bremsscheiben.
Einzelnoten, die unterschiedlich gewichtet in die Gesamtnote einfließen, bilden wir nur zum Teil ab. Die Noten werden bis zur Endnote mit allen Nachkommastellen gerechnet; zur besseren Übersicht geben wir aber alle Noten mit gerundeter Nachkommastelle an.
Aerodynamik: theoretisch benötigte Tretleistung, um den Luftwiderstand bei 45 km/h zu überwinden, gemessen im Windkanal mit einem tretenden Beindummy.