Andreas Kublik
· 15.02.2023
Zu Beginn der Profi-Radsport-Saison 2023 nimmt TOUR einige Top-Teams genauer unter die Lupe, wie die Mannschaft Jumbo-Visma. Wir blicken zurück auf das letzte Jahr, analysieren die Transfers und geben eine Prognose für 2023 ab.
Die Niederländer sind aktuell unumstritten die Nummer eins unter den Teams - nicht nur aufgrund der Position in der Weltrangliste. Entstanden aus den Ruinen des Rabobank-Teams, dass nach den Dopingskandalen ohne Sponsor dastand, hat Teamchef Richard Plugge Team Jumbo-Visma mit modernen Methoden spätestens mit dem Sieg bei der Tour de France 2022 an die Spitze geführt.
Es war die Krönung der Entwicklung des niederländischen Rennstalls: Der Sieg bei der Tour de France durch Jonas Vingegaard. Den Dänen hatte man selbst als jungen Rennfahrer verpflichtet und zum Tour-Champion entwickelt - auch dank der wissenschaftlichen Trainingsmethoden des Stabs um Merijn Zeeman. Die Tour war die größte Bühne für die Rennfahrer in Gelb-Schwarz - dort räumte man richtig ab: Vingegaard holte die Gesamtwertung, zwei Tagessiege und das Bergtrikot.
Wout van Aert gewann drei Etappen und das Grüne Trikot des Punktbesten. Der Franzose Christophe Laporte steuerte den sechsten Tageserfolg beim wichtigsten Radrennen des Jahres bei. Das Ensemble hatte das Rennen jederzeit in Griff und zerlegte mit einer gut orchestrierten Teamtaktik auf der Etappe über den Col du Galibier zur Bergankunft am Col du Granon den größten Rivalen Tadej Pogacar, der bis zu diesem Tag nach zwei Tour-Gesamtsiegen als unantastbar galt.
Dazu entwickelte man den Norweger Tobias Foss überraschend zum Weltmeister im Einzelzeitfahren. Bei den Klassikern erreichte Wout van Aert, trotz vorangegangener Covid-Erkrankung, die ihn den Start bei der Flandern-Rundfahrt kostete, die Ränge zwei in Roubaix und drei bei Lüttich-Bastogne-Lüttich. Insgesamt fuhr die Mannschaft 48 Saisonsiege ein. Primoz Roglic steuerte den Gesamterfolg bei Paris-Nizza bei. Aber der Slowene stürzte bei der Tour und der Vuelta wieder zweimal schwer, schied jeweils aus und bleibt ein schwer einzuschätzender Bruchpilot.
Der Rennstall verstärkt sich weiter gezielt. War zur Saison 2022 der Franzose Christophe Laporte der Königstransfer, eiste man diesmal Dylan van Baarle vom Konkurrenten Ineos Grenadiers los. Der 30-jährige Niederländer kommt mit der Empfehlung des Sieges bei Paris-Roubaix und Rang zwei bei der Flandern-Rundfahrt und verstärkt die Klassiker-Riege um van Aert, Laporte und Nathan van Hooydonck.
Mathieu van der Poel dürfte es künftig schwerer fallen, allein mit Manndeckung von van Aert die Konkurrenten in Gelb-Schwarz auszuschalten. Van Baarle war bei seinem bisherigen Team auch ein wichtiger Helfer bei der Tour de France. Zudem stießen der tempofeste Jan Tratnik (von Bahrain-Victorious) und der Tour-Fünfte von 2021, Wilco Kelderman (von Bora-Hansgrohe), als wichtige Ergänzungen zum Team.
Verlassen hat das Team der einstige Giro-Sieger Tom Dumoulin, der überraschend seine Karriere während der vergangenen Saison beendet hatte, sowie der einstige Träger des Gelben Trikots, Mike Teunissen (zu Intermarche-Circus-Wanty).
Neuzugänge zur Saison 2023
Abgänge
Natürlich will man den Titel bei der Tour de France verteidigen und hat dafür das Team verstärkt. Bei der Grande Boucle wird alles auf Kapitän und Vorjahressieger Jonas Vingegaard gesetzt. Primoz Roglic steht diesmal nicht im Kader für die Tour, sondern soll als Kapitän die Mannschaft zum Sieg beim Giro d’Italia führen.
Die Chancen auf Siege bei den großen Klassikern wie Paris-Roubaix und Flandern-Rundfahrt sind durch die Neuverpflichtungen größer - auch weil Wout van Aert dank Neuverpflichtung van Baarle nicht mehr allein für das Ergebnis verantwortlich ist. Interessant wird, welche Chancen der talentierte Sprinter Olav Kooij in dem starken Ensemble erhält.
Das Team wird den Status als Nummer eins verteidigen und auf jedem Terrain erfolgreich sein. Allerdings dürften Erfolge bei den großen Rundfahrten gegen Remco Evenepoel (beim Giro) sowie Tadej Pogacar (bei der Tour) nicht so einfach zu wiederholen sein. Bei den Klassikern wird die Mannschaft eine (noch) bessere Rolle spielen als 2022.