Vielen Rennradfahrern macht nicht nur das Fahren Spaß, sondern auch das Schrauben. Es ist einfach ein schönes Gefühl, ein paar grundlegende Handgriffe beim Einstellen und Reparieren des Rades selbst zu beherrschen. Neben dem nötigen Know-how braucht es dafür das passende Werkzeug. Doch welches Werkzeug ist das richtige für interessierte Laien oder ambitionierte Schrauber? Und lohnt es sich, in fertige Werkzeug-Sets, beispielsweise von Procraft oder Topeak, zu investieren?
Für Gelegenheitsmechaniker, die kleinere Arbeiten wie die Justage von Sattel, Lenker, Bremsen oder Schaltung erledigen möchten, reicht ein einfaches Werkzeug-Set, bestehend aus Innensechskant- und Torx-Schlüsseln plus Schraubendreher, aus. Der Wechsel klassischer Clincher-Reifen mit Schlauch ist mit einem zusätzlichen robusten Reifenheber und etwas Kraft schnell erledigt. Moderne Renner mit hydraulischen Scheibenbremsen, innen verlegten Zügen und Schlauchlosreifen erfordern hingegen Spezialwissen und das eine oder andere Spezialwerkzeug. Unsere Profischrauber in der TOUR-Werkstatt, die während einer Saison gut hundert aktuelle Renner bis auf den Rahmen strippen und vermessen, kennen jeden Schraubfall aus jahrelanger Erfahrung und teilen die Erkenntnis: Bevor Scheibenbremsen, elektrische Schaltungen, neue Tretlagerstandards oder integrierte Lenker-Vorbau-Cockpits Standard wurden, war die Schrauberwelt noch in Ordnung – oder zumindest weniger anspruchsvoll. Moderne Renner sehen zwar sehr viel aufgeräumter aus als Rennräder mit mechanischer Schaltungs-, Antriebs- und Bremstechnik – aber um den Preis deutlich komplizierterer und zeitaufwendigerer Wartung und Reparatur. Entsprechend hängt die Auswahl des Werkzeug-Sets auch davon ab, welche Anforderungen das eigene Rad stellt – und was man sich selbst zutraut. Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, entscheidet sich, wie lang die Werkzeug-Einkaufsliste wird. Und ob es dann 50 oder 500 Euro und mehr werden, ist auch Geschmackssache – schließlich ist Werkzeug der Schmuck des Schraubers.
Unsere Werkzeugtafel zeigt ein breites Sortiment, vom Gabel-Ring-Schlüssel über Schraubendreher bis hin zur Spezial-Nuss für die Montage von SRAM-Innenlagern. Auf der linken Tafelseite finden sich die unspezifischen Allrounder aus dem Baumarkt, rechts parken vorrangig die Spezialwerkzeuge fürs Fahrrad
Ohne sie geht nichts. Kreuz- und Schlitzkopfmodelle in unterschiedlichen Größen sind unverzichtbar. Wichtig dabei sind eine harte Klinge und ein Griff mit gutem Halt, damit sich auch festsitzende Schrauben gut lösen lassen >> z.B. hier erhältlich.
Manch einem ist der Gabel-Ring-Schlüssel vielleicht auch als Maulschlüssel bekannt. Viele Aufgaben gibt es am Rennrad zwar nicht mehr für klassische Gabel-Ring-Schlüssel, dennoch gehören sie zum Basis-Set, beispielsweise für die Montage von Sattelschellen alter Bauart oder Schutzblechen.
Das am häufigsten benötigte Werkzeug. Hier lohnt es sich, in gute Qualität zu investieren. Von der 2,5- bis zur 10-Millimeter-Schraube ist am Rad alles zu finden. Hochwertige Sets dürfen 20 bis 30 Euro kosten >> z.B. hier erhältlich.
Vorbauten, Kettenblätter oder Bremssättel werden immer öfter von Torx-Schrauben gehalten statt von Innensechskantschrauben. Ihr Vorteil ist, dass sie dem Werkzeugkopf mehr Angriffsfläche bieten und weniger schnell überdrehen. Vor dem Ansetzen des Schlüssels immer prüfen, ob der Kopf frei ist von Dreck >> z.B. hier erhältlich.
Beim Lager-Service oder der Kurbelarmmontage lassen sich damit festsitzende Teile und Bolzen lösen, ohne dass die empfindliche Oberfläche demolieret wird. Zum Austreiben von Lenk- oder Tretlagern mithilfe eines Dorns ist der klassische Hammer die richtige Wahl.
Eine Wasserpumpenzange und eine Flachzange eignen sich für kleine und große Haltearbeiten, beispielsweise um einen Bowdenzug an Bremse oder Schaltwerk straff zu ziehen.
Den Seitenschneider benötigt man beispielsweise zum Trennen von Kabelbindern. Sind die Schneiden ohne Macken und scharf, lässt sich damit auch die Seele des Bowdenzugs abknipsen.
Wer sein Lenkerband selbst wickelt, weiß, dass die mitgelieferten Klebestreifen oft schlecht haften; Abhilfe schafft klassisches Isolierband.
Mit Kabelbindern lässt sich unterwegs vieles notdürftig fixieren, wie beispielsweise eine lose Schutzblechbefestigung oder ein defekter Satteltaschen-Verschluss.
Für den schönen Abschluss des Lenkerbandes ist ein sauberer schräger Schnitt beim letzten Schlag nötig. Das geht am besten mit einer scharfen Schere mit langer Schneide. Ein scharfer Cutter öffnet jede Ersatzteilverpackung.
Wer eine Ersatzschraube kaufen oder bestellen will oder das Maß von Lenker oder Sattelstütze exakt bestimmen möchte, sollte sich einen Messschieber zulegen. Günstige Modelle mit Nonius - statt Digitalanzeige kosten ab 20 Euro >> z.B. hier erhältlich.
Mit dem schlanken Pedalschlüssel und seinem langen Hebelarm lässt sich jedes Pedal mit 15er-Sechskant leicht lösen.
Dank seiner rund geschliffenen Schneiden verbiegt die Metallschutzhülle nicht so leicht wie beim Schnitt mit dem normalen Seitenschneider >> z.B. hier erhältlich.
Mit dieser Zange lässt sich die geöffnete Kette gegen die Federkraft vom Schaltwerk zum Verbinden mit dem Kettenschloss in Position halten >> z.B. hier erhältlich.
Für den Kassettenwechsel braucht es Ketten-Gegenhalter oder -Peitsche, um die Kassette zu blockieren, sowie einen Knebel mit jeweils passender Vielzahn-Nuss für Shimano (SRAM) oder Campagnolo zum Lösen der Abschluss-Mutter.
Ohne Scheibe im Bremssattel besteht die Gefahr, dass man beim versehentlichen Drücken der Bremshebel die Kolben zusammendrückt und die Bremsscheibe nicht wieder hineinpasst. Davor schützen kleine Keile, die die Bremskolben blockieren. Mit Ventilkappenschlüssel kontrolliert man den festen Sitz von Ventileinsätzen. Reifenheber sollten immer möglichst biegesteif sein, Tubeless-Reifen sitzen oft besonders stramm auf der Felge.
Jeder Tretlagerstandard verlangt nach einem speziellen Werkzeug zur Montage. Am besten gleich beim Kauf des Bikes im Shop nach dem entsprechenden Werkzeug fragen.
Mit dem Kettennieter lassen sich die Kettennietstifte an jeder Stelle (außer am Verschluss-Stift) der Kette herausdrücken und der neue Verschluss-Niet einpressen.
Handfest ist relativ; hochwertige Teile sollten exakt mit dem vorgegebenen Drehmoment angezogen werden. Profi-Tools können ins Geld gehen, günstige Modelle kosten ab etwa 30 Euro.
Sie kann eine Menge Geld sparen. Denn verschlissene Ketten demolieren den Zahnkranz und das Kettenblatt. Mithilfe der Kettenlehre lässt sich der Verschleiß der Kette rechtzeitig erkennen. Ab 10 Euro >> z.B. hier erhältlich.
Die Frage, ob es sich lohnt, in fertige Werkzeug-Sets zu investieren, lässt sich nicht pauschal beantworten. Wer schon einen Grundstock an Werkzeug hat, braucht sicher keinen kompletten Koffer. Dann wird sich einiges doppeln. Wer Neuling auf dem Gebiet der Fahrradreparatur ist, kann einen - oder auch mehr - Blicke in Richtung Komplett-Sets werden.
In unserer Hauseigenen TOUR-Werkstatt bzw. unserem Testkeller schrauben unsere Mechaniker Tag ein Tag aus aktuelle Räder auseinander und wieder zusammen. Nur so können wir unsere Rennrad-Labortests durchführen. Klar, dass da einiges an Erfahrung mit Werkzeug und verschiedenen Rädern zusammenkommt. Genau genommen sieht es aktuell so aus: Vier Köpfe, acht Hände und 100 Jahre Berufserfahrung.
Renner mit innen verlegten Zügen haben Hubert John, gelernter Kfz-Mechaniker, die längste Zeit genervt. Beim Wiederaufbau der zerlegten Testräder wollen sich die Leitungen oft nicht wieder zurück durch die Rahmenrohre an ihren alten Platz fädeln lassen. Mithilfe eines ein Millimeter dicken, steifen Drahts als Führung finden sie wieder dahin, wo sie hingehören.
Hans-Peter Ettenberger ist kein Freund vernieteter Ketten; an seinen eigenen Rädern rüstet er alle Gliederstränge auf passende Kettenschlösser um, beispielsweise von KMC. Um die Kette sicher im Griff zu haben, verwendet der Industriemechanikermeister eine Kettenverschlussgliedzange, die das Handling vereinfacht und die Finger sauber hält.
Riemen von Pedalhaken lassen sich sehr fest verzurren. Diese Eigenschaft macht sich der gelernte Schreiner und Bauingenieur Matthias Fischer zunutze, um den linken Kurbelarm an der Kettenstrebe zu fixieren, als Gegenlager beim Lösen der Befestigungsschraube der Kurbelgarnitur. Das funktioniert bei jedem Kurbelmodell und schont die Lackoberfläche.
Der Kabelbinder dient nie aus, da ist sich Mike Schinke sicher. Um den Straps maximal zu spannen, verwendet der Zweiradmechanikermeister eine Zange, die eigentlich zum Spannen von Brems- oder Schaltzügen gedacht ist. Anders als mit der Flach- oder Spitzzange reißt das lange Ende beim Spannen nicht ab, und der Binder klemmt extrem fest.