Bestes Rennrad der WeltSpecialized Tarmac erreicht neue TOUR-Bestnote

Julian Schultz

 · 12.10.2023

Schon bei der ersten Testfahrt deutete das neue Specialized Tarmac sein Potenzial an. Die Messwerte aus TOUR-Labor und GST-Windkanal bestätigen den positiven Fahreindruck.
Foto: Schultz/Mediengruppe Klambt
Nach der ersten Testfahrt hatten wir schon darüber spekuliert, die Ergebnisse aus Labor und Windkanal bestätigten es nun: Das neue Specialized Tarmac SL8 zeigt in der exklusiven S-Works-Version keine Schwächen und verdient sich fast schon folgerichtig die beste TOUR-Note der Geschichte.

Bislang standen vier Wettkampfmodelle an der Spitze der besten Rennräder der Welt. Das Canyon Aeroad, Giant Propel, Scott Foil und Specialized Tarmac SL7 in exklusiven Ausstattungsvarianten verdienten sich durch Top-Leistungen in den vier wichtigsten Kriterien die bisherige TOUR-Bestnote. Die 1,4 schien in Stein gemeißelt, die Symbiose aus Aerodynamik, Gewicht, Komfort und Steifigkeit kaum noch zu verbessern. Doch mit einem großen Stück Ingenieurskunst setzt Specialized nun die neue Bestmarke - und gibt einen Ausblick, in welche Richtung sich Wettkampf­renner weiterentwickeln dürften.

Tarmac SL8: Perfekte Symbiose

Schnell, leicht, steif, komfortabel: Das Tarmac SL8 zeigt im TOUR-Test keine Schwächen.Foto: SpecializedSchnell, leicht, steif, komfortabel: Das Tarmac SL8 zeigt im TOUR-Test keine Schwächen.

Eines der ohnehin schon besten Rennräder der Welt noch besser machen: Vor dieser Aufgabe stand Specialized rund um den Freiburger Chefingenieur Peter Denk und blieb seiner Philosophie treu. Das SL8 bleibt unter den Wettkampf-Allroundern dasjenige Rad, das sich in der exklusiven S-Works-­Version keine Schwäche leistet. Schon beim ersten Fahrtest am Rande der Rad-WM in Glasgow deutete das Rad sein Potenzial an. Die Messwerte aus TOUR-Labor und GST-Windkanal bestätigen den Fahreindruck nun. Das Rad beeindruckt vor allem mit dem perfekten Zusammenspiel seiner Charakterzüge.

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Durch das geringe Gewicht von 6550 Gramm beschleunigt das Tarmac wie an der Schnur gezogen und spurtet Anstiege spielerisch empor. Das ausgesprochen verwindungssteife Rahmen-­Set und die sportlich-gestreckte Sitzposition betonen den Charakter des Vollblut-Racers. Im Unterschied zu unserem Testrad in Glasgow, das mit einem Sattel aus dem 3-D-Drucker ausgestattet war, ist die benotete Version mit herkömmlichem Carbonsattel zwar etwas unkomfortabler. Insgesamt federt das SL8 für ein Wettkampfrad aber auf hohem Niveau.

Wie alle Wettkampfräder im TOUR-Test musste sich auch das neue Tarmac im GST-Windkanal in Immenstaad beweisen.Foto: Schultz/Mediengruppe KlambtWie alle Wettkampfräder im TOUR-Test musste sich auch das neue Tarmac im GST-Windkanal in Immenstaad beweisen.

Im GST-Windkanal in Immenstaad beseitigte das Specialized endgültig alle Zweifel: Mit 209 Watt erforderlicher Tretleistung zur Überwindung des Luftwiderstands bei 45 km/h ist die Neuheit zwar nur minimal schneller als das SL7 (210 Watt). Zudem gibt es Konkurrenten mit besserer Aerodynamik oder mehr Komfort. Als Gesamtkonzept funktioniert derzeit aber kein Rennrad besser.

Die schnellsten Serienräder im TOUR-Test

Zum absolut schnellsten Rennrad im TOUR-Test, dem Simplon Pride II (199 Watt), fehlen dem Tarmac SL8 genau zehn Watt. Allerdings ist der Aero-Bolide des österreichischen Fahrradbauers auch um mehr als ein Kilogramm schwerer sowie straffer abgestimmt, weshalb er mit dem agilen Fahrverhalten des Specialized nicht mithalten kann.

Im Vergleich zu ähnlichen Allround-Konzepten wie dem Cannondale SuperSix (207 Watt) oder Van Rysel RCR (207 Watt) liegt das Tarmac in der Aero-Leistung fast gleichauf. Sowohl das Bike des US-Konkurrenten als auch die Neuheit von Decathlons Eigenmarke bringen aber ebenfalls mehr Gewicht auf die Waage und sind weniger steif.

Simplon Pride II: 199 Watt
Foto: Borchers/Mediengruppe Klambt
Die schnellsten Serienräder im TOUR-Test (Stand: Oktober 2023). In der Bildergalerie sind die jeweils schnellsten Modelle eines Herstellers gelistet.

Kostspieliger Spaß

Das Preisschild des neuen Rekordhalters stoppt die Euphorie allerdings. Zwar ist das S-Works Tarmac SL8 mit elektronischer Dura-Ace und Aero-Laufrädern der Eigenmarke Roval minimal günstiger als das Vorgängermodell. 14000 Euro bleiben für ein Rennrad – so gut es auch ist – aber sehr viel Geld. Günstigere Versionen liegen zwischen 6800 und 9000 Euro, an das eindrückliche Fahrgefühl des Top-Modells kommen diese aber nicht heran.

Specialized S-Works Tarmac SL8

Specialized S-Works Tarmac SL8Foto: SpecializedSpecialized S-Works Tarmac SL8

Gewichte & Geometrie

  • Gewicht Rahmen/Gabel/Steuerlager*: 723/383/58 Gramm
  • Rahmengrößen**: 44, 49, 52, 54, 56, 58, 61
  • Sitz-/Ober-/Steuerrohr: 495/565/159 Millimeter
  • Stack/Reach/STR***: 574/389 Millimeter/1,48
  • Radstand/Nachlauf: 990/60 Millimeter

Ausstattung

  • Antrieb/Schaltung: Shimano Dura-Ace (2x12; 52/36, 11-30 Zähne)
  • Bremsen: Shimano Dura-Ace (160/140 Millimeter)
  • Laufräder/Reifen (Gewichte)****: Roval Rapide CLX II/S-Works Turbo Rapidair 2BR 26 Millimeter (vorne/hinten: 1136/1438 Gramm)

Messwerte & Einzelnoten*****

  • Gewicht Komplettrad: 6,6 Kilogramm | 1,3
  • Lenkkopfsteifigkeit: 106 Nm/° | 1,0
  • Seitensteifigkeit Gabel: 55 N/mm | 1,0
  • Tretlagersteifigkeit: 61 N/mm | 1,0
  • Federhärte Sattelstütze: 156 N/mm | 1,7
  • Aerodynamik******: 209 Watt | 1,7
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Die TOUR-Notenskala

Die TOUR-Notenskala orientiert sich am technisch Möglichen und Sinnvollen. So vergeben wir die Note 1,0 fürs Gewicht, wenn das Rennrad leichter als 6,3 Kilogramm ist. Ähnlich bei den Kriterien Steifigkeit und Komfort - hier ist das technisch Sinnvolle der Maßstab. So ist es nicht erstrebenswert, ein Rennrad unendlich steif zu machen. Die Note 1,0 ist in dieser Disziplin erreichbar, die Werte sind aber gedeckelt. Die Gesamtnote 1,0 für ein Rad ist theoretisch möglich; da aber einzelne Kriterien wie Gewicht und Aerodynamik konstruktiv gegenläufige Maßnahmen erfordern, bleibt die Herausforderung hoch.

Mit dem Aufkommen von Elektroschaltungen und Scheibenbremsen haben wir unsere Notenskala angepasst, um den technischen Fortschritt zu berücksichtigen. Das gilt beispielsweise auch für aktuelle Reifen mit besseren technischen Eigenschaften. Die neu Bestnote von 1,3 lässt sich daher mit älteren Rädern, die diese Note mit Felgenbremsen und mechanischen Schaltungen erzielt haben, nicht mehr vergleichen.

  • *Gewogene ­Gewichte
  • **Herstellerangabe (Testgröße fett)
  • ***Stack/Reach: projiziertes senkrechtes/waagerechtes Maß von Mitte Tretlager bis Oberkante Steuerrohr; STR (Stack to Reach): 1,36 bedeutet eine sehr gestreckte, 1,60 eine aufrechte Sitzposition
  • ****Laufradgewichte inklusive Bereifung, Kassette, Schnellspanner/Steckachsen und ggf. Bremsscheiben
  • *****Einzelnoten, die unterschiedlich gewichtet in die Gesamtnote einfließen, drucken wir aus Platzgründen nur zum Teil ab. Die Noten werden bis zur Endnote mit allen Nachkommastellen gerechnet; zur besseren Übersichtlichkeit geben wir aber alle Noten mit gerundeter Nachkommastelle an
  • ******Aerodynamik: theoretisch benötigte Tretleistung, um den Luftwiderstand bei 45 km/h zu überwinden, gemessen im Windkanal mit einem tretenden Beindummy

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