TOUR Redaktion
· 17.06.2022
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Das Rose Backroad in seinen 13 Varianten ist auch 2022 eins der bestverkauften Gravelbikes. Doch wie gut ist das Backroad Carbon vom Versender wirklich? Hier gibt’s den TOUR-Test.
Klammheimlich tauchte vor 1,5 Jahren auf der Rose-Website* die neue Version des Gravelbikes Backroad auf. Eine Produkteinführung ohne Pressemitteilung ist ungewöhnlich, noch dazu bei einem Rad, dessen Vorgängermodell in Deutschland in den vergangenen Jahren das meistverkaufte Modell des Bocholter Fahrradversenders war.
Was kann man zur Neuauflage des Rose-Bestsellers schon sagen? Offensichtlich ist die neue Rahmenform, die die Formensprache des kürzlich vorgestellten Marathon-Rennrads Reveal aufgreift. Auch die innenverlegten Züge, die wie beim Reveal vom Lenker in eine Kappe auf dem Steuerrohr laufen, sind ein Upgrade im Vergleich zum 2019er-Modell.
Neun unterschiedliche Ausstattungsvarianten des Rose Backroad mit Carbonrahmen gibt es 2022. Hinzu kommen drei "Limited"-Ausführungen mit Speziallackierung. "Midnight Laser Grey" nennt sich die Farbe der beiden mindestens 4500 Euro teuren Backroad-Limited-Varianten (siehe auch Tabelle unten). Die Stückzahl sei begrenzt, ließ Rose verlauten - ohne eine konkrete Menge anzugeben. Zudem gibt’s das Rose Backroad auch mit Classified-Schaltung. Das Classified-Modell mit 2x11 Gängen ist mit 4999 Euro das teuerste im Backroad-Portfolio. Den ausführlichen Test des Rose Backroad GRX RX810 Di2 mit allen wichtigen TOUR-Labordaten und Detail-Einblicken lesen Sie weiter unten.
Die restlichen sechs Backroad-Varianten sind jeweils in zwei Farben erhältlich: einem "Evil Pepper Green" genannten mattgrün und dem babyblauen "Blue Haze". Sieben Rahmengrößen (47 bis 62 cm) sind verfügbar. Die Rahmengeometrie des Backroad ist die gleiche wie beim Vormodell. Das Gewicht des Rahmens soll sich auf 1020 Gramm in Größe 50 belaufen, so die Angaben von Rose. Zum Vergleich: Der Rahmen des Vorjahresmodells hatte ein Gewicht von 1040 Gramm in Größe 51, wie wir im TOUR-Testlabor gemessen haben.
Bei den Reifen setzt Rose bei den günstigsten Backroad-Ausstattungen auf WTB Raddler sowie Continental Terra Speed-Reifen, die Varianten "AXS Mullet Build" und "Force eTap AXS XPLR 1X12" sowie ein Gravelbikes der Limited Edition rollen mit 40 Millimeter breiten Venture-Road-TCS-Pneus von WTB. Die Carbon-Gabel lässt, wie beim Vorgänger, bis zu 42 Millimeter breite Reifen zu. Die regulären Modelle sind mit Ritchey WCS-Butano-Lenker ausgestattet, die Limited-Backroads ziert der optisch auffällige WCS Carbon Venturemax Gravel-Lenker, ebenfalls von Ritchey.
Die Laufräder stammen von Rose selbst: Die Limited Edition des Rose Backroad fährt mit dem Carbonlaufradsatz GC Forty Disc, die anderen sechs Gravelbike-Modelle sind mit den günstigeren R-THIRTY Disc Laufrädern beziehungsweise dessen gewichtsreduzierter Variante R-THIRTY Disc Light bestückt.
Auch für Bikepacking-Touren soll das Rose-Gravelbike geeignet sein: Insgesamt drei Flaschenhalter können am Rahmen befestigt werden. Am Tretlager befindet sich zudem eine Halterung, die für eine Mini-Toolbox genutzt werden kann, und am Oberrohr gibt es Befestigungspunkte für eine Tasche. Hinzu kommen zwei Aufnahmen für weiteres Gepäck an der Backroad-Gabel.
Der Erfolg des Backroad kam verzögert, dafür umso heftiger. Vorgestellt wurde das Rad 2016 als Xeon CDX Cross. Von einem Gravelbike war da noch nicht die Rede. Zur Modellpflege 2018 erhielt das Rad einen neuen Namen, eine breitere Gabel, zwei attraktive Farben – und die Verkäufe hoben ab. Nicht zuletzt wohl, weil das Rad seither als Gravelbike firmiert. Neben dem attraktiven Preis dürfte vor allem das gelungene Design den Erfolg des Rose Backroad begründet haben – ein modernes Fahrrad in klassischer Anmutung.
Der Carbonrahmen des neuen Rose Backroad orientiert sich deutlich mehr an den jüngsten Rahmenbau-Trends. Die Sitzstreben treffen, wie derzeit oft zu sehen, etwas weiter unten auf das Sitzrohr. Beim Backroad hat dieses Design einen leicht nachvollziehbaren Grund: Oberhalb der Sitzstreben ist das Sitzrohr nach hinten offen. Den Formschluss zum Rahmen stellt eine Manschette ohne tragende Funktion her. Dieser Kniff erlaubt es, den effektiven Auszug der hinten abgeflachten Carbonstütze um satte 60 Millimeter zu verlängern. Das Ergebnis: mehr Federkomfort. Ein weiteres exklusives Merkmal versteckt sich unterm Vorbau. Die Leitungen für Bremsen und Schaltung laufen durch die Steuersatzkappe in den Rahmen. Das sieht clean aus, allerdings markiert die Kappe auch die tiefste Montageposition für den Vorbau. Von einer Sitzposition, wie man sie vom Straßenrennrad kennt, ist das Backroad damit relativ weit entfernt. Wer das Rad viel auf unbefestigten Wegen und langen Touren einsetzen will, dem dürfte die relativ aufrechte Sitzposition aber zupass kommen.
Ähnlich wie das jüngst vorgestellte BMC Urs und das neue Specialized Diverge folgt das Backroad dem Trend zur Trail-Geometrie, die sich bei Gravelbikes zunehmend als neuer Standard etabliert. Dabei ist das Oberrohr länger als bei vergleichbar großen Straßenrädern, der Vorbau dafür kürzer. Während sich an der Sitzlänge also nichts ändert, verbessert sich der Geradeauslauf, und die Lenkung wird wegen des kurzen Vorbaus direkter. Die Gefahr, beim Lenken mit den Füßen ans Vorderrad zu stoßen, reduziert der längere Radstand ebenfalls.
Auf Schotterpisten schützen robuste Protektoren das Unterrohr und die Kettenstrebe vor Steinschlägen und Kettenklemmern. An der Gabel lässt sich eine große 180-Millimeter-Bremsscheibe nachrüsten, was für Fahrten mit viel Gepäck sinnvoll sein kann. Das Kabel eines Nabendynamos ließe sich unsichtbar durch die Gabel verlegen. Eine nachrüstbare Brücke für den Hinterbau erlaubt es, einen Gepäckträger und Schutzbleche zu montieren.
Befestigungsmöglichkeiten für bis zu fünf Flaschenhalter sowie für Bikepacking-Taschen machen das Backroad fit für große Bike-Abenteuer. Auf die 28-Zoll-Alu-Felgen passen bis zu 45 Millimeter breite Reifen, auf ebenfalls montierbare kleinere 650B-Laufräder 50-Millimeter-Pneus. In Größe 57 wiegt der Rahmen 1103 Gramm und ist absolut verwindungssteif. Alles in allem eine gute Basis, um an den Erfolg des Vorgängers anzuknüpfen.
Einen Haken gibt es allerdings. Eine Stärke von Rose bestand bisher darin, Räder nach Kundenwunsch aufzubauen. Beim neuen Backroad weichen die Bocholter jedoch davon ab – zumindest vorläufig. Das Gravelbike ist in acht Varianten erhältlich, von denen sechs lediglich ein Kettenblatt haben. Nur zwei teure Varianten sind mit der Funkschaltung eTap AXS mit 2 x 12 Gängen von SRAM zu haben. Dazu befragt, erklärt Jürgen Telahr, verantwortlicher Entwickler des Backroad, dass es zunächst darum ging, die erwartete große Nachfrage zum Modellstart zu befriedigen. Dies sei mit dem aufwendigen Baukastensystem nicht zu leisten. Telahr ließ aber durchblicken, dass das Backroad voraussichtlich ab Juli individuell konfigurierbar und dann auch mit zwei Kettenblättern zu haben sei. Die wiedergewonnene Wahlfreiheit wäre auch wünschenswert im Hinblick auf die Reifen. Die Venture-Pneus von WTB wecken zwar auf den ersten Metern Sympathien, da ihre Gummimischung Vibrationen extrem gut schluckt. Im TOUR-Test entpuppte sich der Venture allerdings als der Gravelbike-Reifen mit dem mit Abstand höchsten Rollwiderstand. Ändern würden wir auch die teure, elektrische Di2-Schaltung mit elf Gängen. Bedienung und Schaltpräzision sind zwar fabelhaft gut, aber das eine Kettenblatt mit 40 Zähnen und die Kassette mit 11 bis 42 Zähnen bringen einen bergab schnell an die Grenze dessen, was die Beine treten können. Vermisst haben wir auch ein 16er-Ritzel, das die große Lücke zwischen dem 15er- und dem 17er-Zahnkranz schließen würde. Damit wird das Rad die Backroad-Erfolgsstory wohl fortsetzen.
Ausstattung
*Gewogene Gewichte.
**Herstellerangabe, Testgröße fett.
***Stack/Reach projiziertes senkrechtes/waagerechtes Maß von Mitte Tretlager bis Oberkante Steuerrohr; STR (Stack to Reach) 1,36 bedeutet eine sehr gestreckte, 1,60 eine aufrechte Sitzposition.