Günstig vs. teuerSpecialized Crux DSW und S-Works Crux im Test-Duell

Julian Schultz

 · 06.12.2024

Günstig vs. teuer: Das Specialized Crux DSW und das S-Works Crux im Vergleich
Foto: Georg Grieshaber
Das neue Specialized Crux DSW sieht der S-Works-Version zum Verwechseln ähnlich. Technisch und preislich trennen beide Bikes jedoch Welten. Aber wie groß sind die Unterschiede im Sattel tatsächlich?

Als Mike Sinyard Anfang der 70er-Jahre seinen Bulli verkaufte, um sich damit eine Radreise durch Europa zu finanzieren, hätte er wohl selbst am wenigsten damit gerechnet, dass er 50 Jahre später als Vorstandsvorsitzender eines der renommiertesten Fahrradunternehmen weltweit agiert. Die Rede ist von der Specialized Bicycle Components Inc., die der US-Amerikaner 1974 gründete und die sich vom Händler mit italienischen Edelkomponenten zum einflussreichen Zweiradbauer entwickelte.

Modelle wie das Allez, Roubaix oder Tarmac setzten seither Maßstäbe und fungierten in der Branche als Katalysator für technische Innovation. Auch das Crux lässt sich nach seiner Transformation vom Cyclocrosser zum Gravelbike in diese Liste aufnehmen. Schließlich stellt Specialized mit der exklusiven S-Works-Version das leichteste Gravelbike der Welt. Auch für das neue Crux DSW beanspruchen die Kalifornier das Prädikat leichtestes Schotterrad für sich. Aus Aluminium, wohlgemerkt. Wir haben beide Kandidaten zum Doppeltest eingeladen – und erlebten dabei die eine oder andere Überraschung.


Specialized Crux DSW vs. S-Works Crux: Das Wichtigste in Kürze

Das neue Crux DSW und das überarbeitete S-Works Crux teilen sich den Anspruch, das leichteste Gravelbike ihrer jeweiligen Klasse zu sein. Die Luxusversion aus Carbon basiert auf einem Rahmen-Set, dessen Gewicht nur wenige Straßenräder unterbieten. Das DSW mit Alu-Rahmen profitiert von einem patentierten Fertigungsverfahren. Der Preisunterschied ist extrem: Das High-End-Modell kostet fünfmal so viel wie der günstige Ableger, der mit Blick auf die Konkurrenten ebenfalls eher teuer ist.

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Mit dem Crux DSW zeigt Specialized eindrucksvoll, was mit dem Rahmenmaterial Alu möglich ist. - Julian Schultz, Testredakteur

Patentierte Fertigung

Seit vergangenem Sommer wird die Carbonvariante des Crux, die bereits ins vierte Modelljahr geht, vom DSW flankiert. Hinter der Abkürzung verbirgt sich der Hinweis auf das Fertigungsverfahren des Alu-Rahmens. Wie beim Allez Sprint kommt das sogenannte D’Aluisio Smartweld zum Einsatz. Bei der nach seinem Erfinder patentierten Technologie werden die unter hydraulischem Druck geformten Einzelrohre so aneinander angepasst, dass die Schweißnähte an den Knotenpunkten gezielter gesetzt werden können. Dadurch spart Specialized Gewicht und verspricht eine bessere Haltbarkeit, da die Rohrverbindungen steifer als bei herkömmlichen Fertigungsmethoden sind.

Ein weiterer Vorteil des Smartwelding: Unterrohr und Tretlagergehäuse können aus einem Stück gefertigt werden. Dies sei ein “wesentlicher Bestandteil des geringen Gewichts, des reaktiven Handlings und der Steifigkeit”, so Specialized. Insgesamt basiert der Rahmen auf zehn Einzelteilen, wobei das DSW die Schweißnähte offen zur Schau stellt.

Markenzeichen: Das Crux DSW stellt die Schweißnähte an den Knotenpunkten offen zur Schau.Foto: Georg GrieshaberMarkenzeichen: Das Crux DSW stellt die Schweißnähte an den Knotenpunkten offen zur Schau.

Große Gewichtsunterschiede beim Gravelbike-Vergleich

Rein optisch geht es also schicker; bei vergleichbaren Modellen anderer Hersteller sind die Wülste fein verschliffen und erwecken den Eindruck eines Carbonrahmens. Auf der TOUR-Waage lässt das neue Crux Taten folgen: Die 1530 Gramm für den Rahmen sind kein neuer Rekord, ältere Modelle wie das Giant Revolt und Canyon Grail AL basierten auf noch etwas leichteren Rahmen. In Kombination mit der hochwertigen Carbongabel, eine Anleihe bei der S-Works-Version, erreicht das Chassis jedoch das Niveau von Modellen aus Kohlefaser. Etwas Ernüchterung verursacht das Gesamtgewicht.

Zwar ist das Crux in dieser Kategorie auf Augenhöhe mit vielen günstigen Carbonrädern, aktuell kennen wir kein leichteres Gravelbike mit Alu-Rahmen. Durch schwere Anbauteile wird aber ein besseres Ergebnis verschenkt. Das größte Tuning-Potenzial steckt in dem einfachen Laufradsatz von DT Swiss, der mehr als 4000 Gramm wiegt und nicht so recht zum Leichtbaukonzept passen will. Auch die mechanische Komponentengruppe Sram Apex mit massiver Kurbelgarnitur drückt auf die Waage.

Ballast: Die einfachen Laufräder von DT Swiss passen nicht zum Leichtbaukonzept des Alu-Crux.Foto: Georg GrieshaberBallast: Die einfachen Laufräder von DT Swiss passen nicht zum Leichtbaukonzept des Alu-Crux.

Stimmiger ist das Gesamtpaket des S-Works Crux. Und wie! Mit lediglich 7,1 Kilogramm ist die Top-Version nicht nur deutlich leichter als das Pendant aus Alu, sondern zieht einsam seine Kreise und hängt sogar hochwertige Straßenräder ab. Die Ausnahmestellung untermauert ein Blick in unsere Testhistorie: Das BMC Kaius als zweitleichtestes Gravelbike bringt satte 500 Gramm mehr auf die Waage. Die Top-Version profitiert maßgeblich von einem ultraleichten Rahmen. Wegen der rund 150 Gramm schweren Metallic-Lackierung kommt dieser zwar nicht ganz an den Rekordwert des unlackierten Modells heran, bleibt aber immer noch unter 1000 Gramm. Dank leichter Komponenten wie der neuen SRAM Red XPLR oder den Carbonlaufrädern der Eigenmarke Roval fügen sich die Puzzleteile zu einem absoluten Spaßmobil zusammen.

Tribut an den Leichtbau

Obwohl das Crux DSW fast 2,5 Kilogramm schwerer ist und dem agilen S-Works nur im Windschatten folgen kann, lässt es ebenfalls eine sportliche Gangart zu und braucht sich in den weiteren Disziplinen nicht zu verstecken. Im Gegenteil. So zollt etwa der Leichtbau am High-End-Modell der Verwindungssteifigkeit Tribut. Die Fahrstabilität ist nicht auf dem Top-Niveau, das man von Specialized kennt, am Tretlager kommt das S-Works ebenfalls nicht an die Fabelwerte eines Tarmac heran. Auch für das Straßenpendant, das S-Works Aethos, ermittelten wir höhere Steifigkeitswerte.

Da im Gelände extreme Geschwindigkeiten wie mit einem Straßenrad ausbleiben, fallen die leichten Schwächen etwas weniger ins Gewicht. Schwerere Fahrer dürften sich dennoch eine stabilere und verwindungssteifere Plattform wünschen – oder zum Crux DSW greifen. Schließlich punktet der neue Rahmen mit hoher Laufruhe und präsentiert sich fahrstabiler.

Insgesamt fährt sich die Alu-Version mehr wie ein typisches Gravelbike, wohingegen das S-Works seine Vergangenheit als Cyclocrosser nicht verbergen kann. Streng genommen ist es das auch heute noch. Das UCI-Label auf dem Sitzrohr verrät, dass die Carbonversion mit schmaleren Reifen auch bei Querfeldeinrennen startberechtigt ist.

Anleihen beim Aethos: Bei beiden Crux-Modellen verzichtet Specialized auf technische Spielereien. Beispielhaft die klassische Klemmung der Sattelstütze am S-Works.Foto: Georg GrieshaberAnleihen beim Aethos: Bei beiden Crux-Modellen verzichtet Specialized auf technische Spielereien. Beispielhaft die klassische Klemmung der Sattelstütze am S-Works.

Geometrie des Specialized Crux DSW und S-Worx Crux

Die Unterschiede im Fahrverhalten überraschen, da unsere Tester nach dem Vergleich im Gelände von unterschiedlichen Rahmengeometrien ausgegangen sind – was aber nicht der Fall ist. Beide Räder bringen den Fahrer in eine ausbalancierte Sitzposition, weder zu gestreckt noch zu aufrecht. Dass das leichte S-Works direkter auf Lenkbewegungen reagiert und sich wie ein wendiges Straßenrad um Kurven steuern lässt, ist auf den höheren Schwerpunkt zurückzuführen.

Auf dem schwereren DSW verschiebt sich dieser dagegen nach unten, wodurch man mehr im Rad sitzt und insgesamt eine fahrstabilere Basis erwarten kann. Trotz vergleichsweise schmaler Reifen dämpfen beide Modelle Unebenheiten und Erschütterungen etwas besser, als es die Messwerte des Komfortprüfstands suggerieren. Ein Verdienst der komfortablen Gummis aus eigenem Haus, die ihr volles Potenzial im Tubeless-Set-up und mit abgesenktem Reifendruck am S-Works ausschöpfen.

Außerdem profitiert die Luxusversion vom exzellenten Sattel mit 3D-gedrucktem Polster Auffällig: Trotz der einfacheren Ausstattung mit Lenker und Sattelstütze aus Aluminium federt das DSW fast so gut wie das S-Works, das sich lediglich an der Front dank des Carbonlenkers etwas geschmeidiger präsentiert.

Oberste Schublade: Am S-Works Crux finden sich nur Top-Komponenten. Unter anderem profitiert man von einem 3D-gedruckten Sattel, der alleine 390 Euro kostet.Foto: Georg GrieshaberOberste Schublade: Am S-Works Crux finden sich nur Top-Komponenten. Unter anderem profitiert man von einem 3D-gedruckten Sattel, der alleine 390 Euro kostet.

Insgesamt lassen beide Konstruktionen Abstand zu den komfortabelsten Gravelbikes auf dem Markt; mit einem gemessenen Federweg von sechs Millimetern am Heck entsprechen sie eher straffen, rennorientierten Geländerädern. Bevorzugtes Terrain sind damit glatte Schotter- und Forstwege. In ruppigem Gelände müssen es dann breitere Reifen richten: Mit Standardlaufrädern lassen Rahmen und Gabel Platz für maximal 47 Millimeter breite Reifen, im kleineren 650B-Format passen bis zu 2,1 Zoll breite Pneus ins Fahrgestell.

Puristisch oder altmodisch?

Abenteuer auf zwei Rädern überlässt das Crux trotzdem den Spezialisten. Specialized stellt dafür beispielsweise das gefederte Diverge bereit. Bis auf die Nachrüstoption für dicke Gummis geizen beide Kandidaten mit Abenteuer-Attributen wie Montagepunkten für Gepäck oder feste Schutzbleche. Einzig am Unterrohr lässt sich eine kleine Werkzeugdose anbringen. Die Rahmen-Sets mit klassischen Lenker-Vorbau-Kombis, externer Sattelstützenklemmung und frei verlegten Zügen mögen einerseits altmodisch erscheinen.

Speziell die S-Works-Version wirkt im Vergleich zu High-End-Rädern mancher Mitbewerber mit einteiligen Cockpits fast konservativ. Der schnörkellose Ansatz hat aber seinen Reiz und dürfte nicht zuletzt von Radsportlern begrüßt werden, die Montage- und Wartungsarbeiten an ihrem Rad gerne selbst vornehmen wollen. Beide Bikes lassen zudem mehr Spielraum bei der Anpassung der Sitzposition.

Das überraschend enge Duell zwischen dem günstigsten und teuersten Crux spiegeln auch die Antriebe wieder. Wie schon beim Rahmen-Set profitiert das Top-Modell hauptsächlich vom geringeren Gewicht der elektronischen Red XPLR; gegenüber der mechanischen Apex XPLR spart die Funk-Gruppe rund 400 Gramm. Beim Fahren sind die Unterschiede dagegen relativ klein. Durch das 13. Ritzel am Hinterrad bietet das Einfachgetriebe am S-Works zwar eine größere Bandbreite, die Schaltung wechselt die Gänge schneller und ist einfacher einzustellen. Die 1x12-Schaltung am DSW setzt Schaltbefehle etwas harscher um, legt die Gänge aber genauso präzise und zuverlässig auf.

Konzeptbedingter Nachteil beider Antriebe ist die relativ kurze Übersetzung. Mehr Reserven an steilen Rampen bietet die Red XPLR, die im kleinsten Gang etwas stärker untersetzt ist (40/46). Wie bei der Straßenversion profitiert auch das Gravelbike von der exzellenten Dosierbarkeit der Bremsen, die aktuell keine andere Gruppe leistet. Was die reine Bremsleistung angeht, ist die einfachere Apex aber durchaus ebenbürtig. Ein Eindruck, der sich insgesamt bestätigt.

Sportliche Gangart: Beide Räder favorisieren die zügige Fahrt.Foto: Georg GrieshaberSportliche Gangart: Beide Räder favorisieren die zügige Fahrt.

Fazit zu den Gravelbikes: Ein enges Rennen

Zweifellos ist das S-Works Crux ein technischer Leckerbissen, der den Reiz eines schnellen Straßenrads spielerisch ins Gelände überträgt und mit dem es sich vorzüglich über die Schotterpiste jagen lässt. Das neue DSW lässt im Labor- und Praxistest aber ebenfalls aufhorchen, da es qualitativ der Luxusversion kaum nachsteht und dank seines vergleichsweise geringen Gewichts ebenfalls eine sportliche Gangart erlaubt.

Der große Abstand in den TOUR-Noten ist einzig dem deutlichen Gewichtsunterschied geschuldet, den man sich allerdings für sehr viel Geld erkaufen muss. Das S-Works Crux kostet fast fünfmal so viel wie das DSW, das in Relation zu vergleichbaren Alu-Modellen ebenfalls zu den eher teueren Rädern zählt. Specialized bietet auch günstigere Carbonmodelle als das S-Works Crux an, die sich im Gewicht aber nicht mehr so drastisch von der Alu-Version unterscheiden.



Die beiden Gravelbikes im Detail-Vergleich

Specialized Crux DSW

  • Preis: 2700 Euro >> hier erhältlich
  • Gewicht: 9,6 Kilo
  • Rahmengrößen: 49, 52, 54, 56, 58, 61 (Testgröße gefettet)
  • TOUR-Note: 2,3
Specialized Crux DSWFoto: Georg GrieshaberSpecialized Crux DSW

Geometrie

  • Sitz-/Ober-/Steuerrohr: 511/560/147 Millimeter
  • Stack/Reach/STR: 586/389 Millimeter/1,51
  • Stack+/Reach+/STR+: 642/570 Millimeter/1,13
  • Radstand/Nachlauf: 1035/66 Millimeter

Ausstattung

  • Antrieb/Schaltung: SRAM Apex XPLR (1x12; 40, 11–44 Z.) | Note: 2,0
  • Bremsen: SRAM Apex (160/160 mm) | Note: 1,5
  • Reifen: Specialized Pathfinder Pro 38 mm (eff.: 40 mm) | Note: 1,5
  • Laufräder: DT Swiss G 540
  • Laufradgewichte: 1705/2374 Gramm (vorne/hinten)

Messwerte

  • Gewicht Komplettrad: 9530 Gramm | Note: 3,3
  • Fahrstabilität: 8,68 N/mm | Note: 1,3
  • Komfort Heck: 172 mm | Note: 2,7
  • Komfort Front: 97 N/mm | Note: 2,3
  • Antritt/Tretlagersteifigkeit: 52 N/mm | Note: 2,3

Stärken, Schwächen und weitere Details zum Specialized Crux DSWFoto: TOURStärken, Schwächen und weitere Details zum Specialized Crux DSW

Specialized S-Works Crux

  • Preis: 13.000 Euro >> hier erhältlich
  • Gewicht: 7,1 Kilo
  • Rahmengrößen: 49, 52, 54, 56, 58, 61 (Testgröße gefettet)
  • TOUR-Note: 1,8
Specialized S-Works CruxFoto: Georg GrieshaberSpecialized S-Works Crux

Geometrie

  • Sitz-/Ober-/Steuerrohr: 512/570/149 Millimeter
  • Stack/Reach/STR: 589/391 Millimeter/1,51
  • Stack+/Reach+/STR+: 644/575 Millimeter/1,12
  • Radstand/Nachlauf: 1035/62 Millimeter

Ausstattung

  • Antrieb/Schaltung: SRAM Red XPLR AXS (1x13; 40, 10–46 Z.) | Note: 1,5
  • Bremsen: SRAM Red (160/160 mm) | Note: 1,0
  • Reifen: Specialized Pathfinder Pro 38 mm (eff.: 40 mm) | Note: 1,5
  • Laufräder: Roval Terra CLX
  • Laufradgewichte: 1362/1712 Gramm (vorne/hinten)

Messwerte

  • Gewicht Komplettrad: 7055 Gramm | Note: 1,0
  • Fahrstabilität: 7,60 N/mm | Note: 2,0
  • Komfort Heck: 162 N/mm | Note: 2,7
  • Komfort Front: 77 N/mm | Note: 2,0
  • Antritt/Tretlagersteifigkeit: 47 N/mm | Note: 3,3

Stärken, Schwächen und weitere Details Specialized S-Works CruxFoto: TOURStärken, Schwächen und weitere Details Specialized S-Works Crux

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