Konstantin Rohé
· 05.10.2022
Wie gut ist die Trainingsplattform Zwift? Der TOUR-Check zeigt, wie gut die virtuelle Plattform ist und was Zwift App und Software fürs Rollentraining bieten.
Zwift lebt von der großen Nutzerschaft, die Rollentraining zum sozialen Event machen – und bedient den menschlichen Spieltrieb so geschickt wie keine andere Software. Im September 2014 launchte das US-Unternehmen mit Sitz in Long Beach die Gameification des Indoortrainings. Mittlerweile sind weltweit knapp drei Millionen Zwift-Konten eröffnet worden. Allein der deutsche Markt legte im Kalenderjahr 2020 um über 90 Prozent zu. Was macht die Faszination von Zwift aus und wie funktioniert die Trainingsplattform?
Mit dem Level-System und frei spielbaren Inhalten orientiert sich Zwift an Spiele-Klassikern wie Super Mario. Die Auswahl von Modus, Strecke und Bekleidung ist einfach, lediglich die Übersicht der Challenges und Auszeichnungen ist im Menü versteckt.
Das übergeordnete Ziel in Zwift ist es mit jedem absolvierten Kilometer neue Erfahrungspunkte, die sogenannten XP, zu sammeln, dadurch Level aufzusteigen und neue Strecken, Räder und Zubehör freizuspielen. Mit dem Drop Shop hat Zwift sogar einen eigenen kleinen Marktplatz, auf dem User ihre XP in neue Laufräder, schickere Schuhe oder leichtere Carbonrahmen investieren können. Mittlerweile gibt es 50 Level und entsprechend viel freischaltbares Material.
Der Eventkalender von Zwift listet täglich über 100 Veranstaltungen auf: Virtuelle Gruppenfahrten, gemeinsame Trainingseinheiten oder knallhartes Indoor-Racing. Insbesondere die Kooperation mit dem Tour de France-Veranstalter ASO im Rahmen der Tour de France Virtual im Juli 2020 hat neue Türen geöffnet, mit Mont Ventoux und Champs Élysées sind spektakuläre neue Strecken hinzu gekommen. 2021 kam dann die komplett neue Welt Makuri Islands hinzu, die auch für 2023 weiter ausgebaut werden soll. Insgesamt verfügt Zwift Ende 2022 über neun virtuelle Welten, die jeweils mehrere Routen-Optionen bieten:
Sowohl Liebhaber realer Strecken werden mit den WM-Strecken von 2015, 2018 und 2019 fündig, als auch Rennradfahrer, die abgefahrenere Action bevorzugen: Auf der fiktiven Insel Watopia fährt man durch Dschungellandschaften, Vulkane und entlang malerischer Strände. Der im November 2018 veröffentliche New York-Kurs setzt vor allem auf spacige Weltraum-Optik und schwindelerregend hohe Wolkenkratzer. Zwift gibt allerdings vor, welche drei Welten an welchem Tag zur Verfügung stehen – was sich mittels händischer Anpassung im Editor außerhalb des Spiels aber auch umgehen lässt. Im Zuge von Olympia in Tokio kam 2021 die neue Inselwelt Makuri Islands hinzu, die japanisch angehaucht ist und mittlerweile 25 Routen bereit hält.
Die Vielzahl an Bergwertungen und Zwischensprints auf allen Strecken animieren dazu, kräftig in die Pedale zu treten. Auch die Trainingseinheiten, ob alleine oder in der Gruppe gefahren, bringen stetig Abwechslung. Abgerundet wird das Angebot durch einen Event-Kalender mit Trainingsfahrten und Rennen rund um die Uhr. Alle Events werden allerdings schneller gefahren als angekündigt – das sollten neue Rollensportler bei der Auswahl bedenken. Ein Warm-Up ist hier ebenso empfehlenswert wie ein langsames Herantasten an die in vier Kategorien unterteilten Leistungsklassen, beginnend mit D für Einsteiger bis hin zu A für Quasi-Profis.
Bei Gruppentrainings und Rennen fällt auf: Je mehr Teilnehmer am Start stehen, desto schneller werden die Grenzen des Reaslismus sichtbar. Avatare fahren regelmäßig durcheinander durch, Stürze sind nicht möglich. Das erschwert am Anfang den Überblick übers Renngeschehen und wird der Dynamik realer Radrennen nicht gerecht. Spaß macht der Kampf um Platzierungen aber dennoch. Vor allem der nur für Rennen freigeschaltete Rundkurs "Crit City" verspricht übersäuerte Beine binnen weniger Minuten!
Das Portfolio an einzelnen Workouts und an mehrwöchigen Trainingsplänen ist stetig gewachsen, in der Indoor-Saison 2022/2023 ist das Angebot so groß wie noch nie. Wer eine schnelle und unkomplizierte Trainingseinheit starten will, um sich in 30 bis 60 Minuten maximal zu verausgaben, wird sicherlich fündig. Für einen langfristigen Trainingsaufbau warten viele Trainer aber mit zu komplexen und intensiven Intervallstrukturen auf. Klar, mehr Abwechslung hält die Leute bei der Stange - mit Blick auf die kommende Straßensaison haben in der Vergangenheit die Zwift-Trainingspläne aber nur bedingt getaugt. Doch das hat sich in den vergangenen zwei Jahren geändert: Zwift hat seine Trainingspläne, Workouts und FTP-Tests massiv ausgebaut und aufgewertet. Auch wichtig: Selbst die Einheiten der dynamischen Trainingspläne sind auf bestimmte Tage fixiert und die Pläne passen sich nicht automatisch an, wenn man einzelne Einheiten versäumt hat.