Jens Klötzer
· 24.06.2021
Gravelbikes gibt es schon für rund 1000 Euro. Doch unser Test von drei ausgewählten Gravel-Modellen von Decathlon & Co. zeigt: In dieser Preisklasse muss man sehr genau hinschauen, welche Qualität man für sein Geld bekommt.
Wer das Gravelbiken erst ausprobieren will und mit der Welt der Fahrräder noch nicht so vertraut ist, dürfte eine Investition von mehreren Tausend Euro in ein Fahrrad eher scheuen. Da liegt es nahe, sich mal umzuschauen, ob und wie man für weniger Geld seine ersten Fahrversuche auf Schotter unternehmen kann. Ist die Liebe dann entflammt, kann man ja auch später noch in besseres Gravel-Material investieren. Markenhersteller bieten ihre günstigsten Gravelbikes ab etwa 1000 Euro an – und die stammen dann nicht zwangsläufig von den vermeintlich immer billigeren Versandherstellern wie Rose oder Canyon. Diese Bike-Hersteller haben zu dem Preis nichts im Angebot. Die Lücke füllen Anbieter wie Serious, Eigenmarke des Versandhändlers Fahrrad.de, oder die Triban-Gravelbikes des französischen Sportdiscounters Decathlon. Fachhandelsmarken, die zu diesem Preis Gravelbikes anbieten, sind eher rar, aber es gibt sie: Stellvertretend in diesem Test tritt das Giant Revolt 2 für 1049 Euro an.
Alle getesteten Gravelbikes sehen auf den ersten Blick hochwertig und sportlich aus. Aber bringen sie auch ähnlich viel Fahrspaß wie die mehr als doppelt so teuren Modelle? Leichte Carbonrahmen sucht man in dieser Preisklasse natürlich vergebens. Alle drei Kandidaten basieren auf Aluminiumrahmen. Bei Serious besteht auch die Gabel aus Alu, in den Modellen von Triban und Giant führen immerhin Carbongabeln die Vorderräder. Klar, dass sich das zusammen mit den günstigen Ausstattungen im Gewicht niederschlägt: Die Gravelbikes von Giant und Triban bringen gut zehn Kilogramm auf die Waage, das Serious wiegt glatt 11,0 Kilo. Zur Einordnung: Das ist ein gutes Kilogramm mehr als bei den meisten Gravelbikes der Mittelklasse, die leichtesten Highend-Gravelbikes aus Carbon kommen sogar auf knapp unter acht Kilo. Das Handicap lässt sich auch im Sattel nicht wegdiskutieren, die Bikes wirken viel behäbiger und beschleunigen nur zaghaft. Findet man sich damit ab, muss man die Unterschiede aber schon in Ausstattungsdetails suchen.
Die mechanischen Scheibenbremsen, mit denen alle drei Günstig-Gravelbikes verzögern, fühlen sich zwar nicht so knackig an wie die hydraulischen Modelle, ihr Druckpunkt ist durch den Bowdenzug mehr oder weniger teigig. Aber Bremskraft ist ausreichend vorhanden. Auch die Schaltungen – bei Giant und Triban von Shimano, bei Serious eine SRAM – arbeiten tadellos. Das Triban RC 520 Gravel begeisterte uns bei der Testfahrt sogar mit einer hochwertigen Shimano 105-Schaltung mit 22 Gängen, die kaum Wünsche offen lässt. Allerdings sind die 33 Millimeter schmalen, unprofilierten Reifen des Decathlon-Gravelbikes nicht wirklich geländetauglich; erst recht nicht bei Nässe. Dass das Triban-Gravelbike eigentlich ein Straßen-Rennrad ist, merkt man dann, wenn man breitere Reifen montieren möchte: Mehr als 35 Millimeter breite Pneus passen nicht durch den Hinterbau. Ansonsten gibt es nichts zu meckern, aber das Bike von Decathlon ist eben kein richtiges Gravelbike.
Anders das Serious Gravix One, das serienmäßig auf 37 Millimeter breiten Stollenreifen fährt. Aber auch die enttäuschen: Obwohl sie den gleichen Modellnamen tragen wie hochwertige Modelle, sind sie echte Spaßbremsen. Ihre steife Karkasse wird selbst bei wenig Reifendruck nicht geschmeidig, das Gravelbike von Fahrrad.de bockt und springt im Gelände. Das dürfte zum Teil auch an der Basis liegen – Rahmen und Gabel sind überdurchschnittlich schwer und überdurchschnittlich hart. Dazu kommt ein unbequemer Sattel.
Am besten schlägt sich das Giant-Gravelbike für knapp über 1000 Euro: Die Tubeless-Reifen rollen ordentlich und haben im Gelände viel Grip. Dass die günstige Shimano Sora-Schaltung nur neun Ritzel hat, merkt man erst, wenn man mitzählt: Sie arbeitet fast ebenso leichtgängig und präzise wie höherwertige Exemplare. Am meisten erstaunt hat uns, wie komfortabel das günstige Giant-Gravelbike fährt, auch Sattel und Lenker sind bequem. Der Fahrrad-Branchenriese aus Taiwan hat also an der richtigen Stelle gespart – und legt mehr Wert auf das Fahrerlebnis als auf namhafte Komponenten. Relativ viel Spaß für wenig Geld gibt’s also – nur eben nicht von jedem Hersteller.
Auf den ersten Blick ist das einfache Giant-Gravelbike Revolt vom teuren Carbonmodell kaum zu unterscheiden. Der aufwendig gefertigte Alu-Rahmen greift die gleichen Formen auf, ist jedoch deutlich schwerer. Bei der Ausstattung sind Unterschiede spürbar, aber nicht eklatant. Natürlich beschleunigt das Rad träger, und die Neunfach-Schaltung wirkt spartanisch im Vergleich zu solchen mit elf oder gar zwölf Ritzeln. Doch sie funktioniert zuverlässig, und dank der zwei Kettenblätter hält sie viele und auch leichte Gänge bereit. Den mechanischen Scheibenbremsen fehlt der Biss und der klare Druckpunkt hydraulischer Stopper, aber die Bremsleistung reicht aus. Daneben gibt es viele Gemeinsamkeiten zum Revolt Advanced mit Carbonrahmen: Die Komfortsattelstütze funktioniert gut, die geschmeidigen Tubeless-Reifen machen sich prima im Gelände, Sattel und Lenker sind bequem.
Ausstattung
Optisch kann es das Serious Gravix One von Fahrrad.de ohne Weiteres mit deutlich teureren Gravelbikes aufnehmen. Der großvolumige, sauber geschweißte Alu-Rahmen in frischer Lackierung, Stollenreifen mit heller Seitenwand und die 1 x 11-Schaltung von SRAM machen richtig was her. Doch vor allem das Gewicht von glatt elf Kilo bremst die Fahrfreude auf dem Serious-Bike. Allein das Rahmen-Set bringt gut drei Kilo auf die Waage. Auch Federkomfort bietet das Rad trotz der breiten Reifen nur wenig – Rahmen, Sattelstütze und Gabel sind extrem hart, die Reifen wirken selbst mit wenig Luftdruck unflexibel und können die Härte kaum lindern. Auf der Straße rollen die Pneus zäh, sie würden wir als Erstes austauschen. Ungewöhnlich für ein Gravelbike sind die fehlenden Gewinde für Schutzbleche oder Gepäckträger. Eine Variante mit Shimanos Tiagra-Schaltung und Zweifach-Kurbel ist im Angebot.
Ausstattung
Die Eigenmarke des Discounters Decathlon stellt zum Kampfpreis ein Gravelbike zusammen, das mit Shimanos 105-Schaltung auf den ersten Blick sehr gut ausgestattet ist. Auch die halbhydraulischen TRP-Bremsen und Tubeless-Reifen sind ordentliche, bewährte Teile. Doch der Haken am Triban RC 520 Gravel besteht darin, dass es auf einem Straßenrahmen basiert und deshalb für Ausflüge ins Gelände nur bedingt taugt. Die profillosen Reifen fallen auf den schmalen Felgen nur 33 Millimeter breit aus und bieten damit kaum mehr Volumen als moderne Endurance-Rennräder; mit weichen Böden oder gar Matsch sind sie schnell überfordert. Viel breitere Reifen lässt der Rahmen leider auch nicht zu. Auf der Straße rollt es zügig. Aufrechte Sitzposition und gutmütiges Fahrverhalten qualifizieren das robuste Decathlon-Gravelbike für Einsteiger und lange Touren auf befestigten Wegen.
Ausstattung
*Gewogene Gewichte
**Herstellerangabe, Testgröße fett
***Stack/Reach projiziertes senkrechtes/waagerechtes Maß von Mitte Tretlager bis Oberkante Steuerrohr; STR (Stack to Reach): 1,36 bedeutet eine sehr gestreckte, 1,60 eine sehr aufrechte Sitzposition.
****Laufradgewichte inklusive Bereifung, Kassette, Schnellspanner/Steckachsen und ggf. Bremsscheiben.
In einigen unserer Auftritte verwenden wir sogenannte Affiliate Links. Diese sind mit Sternchen gekennzeichnet. Wenn Sie auf so einen Affiliate-Link klicken und über diesen Link einkaufen, erhalten wir von dem betreffenden Online-Shop oder Anbieter (wie z.B. Rose oder Amazon) eine Provision. Für Sie verändert sich der Preis dadurch nicht.