Jens Klötzer
· 05.11.2022
Gravelbikes boomen, auch immer mehr Straßenrad-Fans liebäugeln mit den populären Geländerennern. Denn als Alltagsrad oder Trainingsrad für den Winter sind die robusten und vielseitigen Bikes ideal. Doch die Auswahl an Konzepten ist riesig, die Begrifflichkeiten der Marketingstrategen verwirrend. TOUR erklärt die Unterschiede und welches Gravelbike für welchen Einsatzzweck am besten ist.
Denn neben dem idealtypischen Gravelbike, das mit profilierten 40-Millimeter-Reifen, einer ausgewogenen Sitzposition und sicherem Fahrverhalten daherkommt, gibt es mittlerweile diverse Unterkategorien, die fließend ineinander übergehen. Wer sich nicht auskennt, verliert da schnell den Überblick. Was bedeuten die Begriffe Allroad, Adventure, Bikepacking oder Randonneur, die immer wieder im Zusammenhang mit Gravelbikes fallen?
Die unterschiedlichen Gattungen und Typen von Gravelbikes unterscheiden sich in ihrem Zuschnitt vor allem:
Die Begriffe begleiten meist für schweres Gelände und lange Strecken oder Reisen optimierte Gravelbikes. Die Reifen sind üppige 45 bis 50 Millimeter breit und stark profiliert, kommen also auch mit Sand und Matsch gut klar. Häufig bieten die Rahmensets die Option, kleinere Laufräder (650B) zu verbauen, was sogar bis zu 60 Millimeter breite Pneus zulässt und den Einsatzspektrum nahe ans typische Terrain eines Hardtail-Mountainbikes rückt. Auch erste Modelle mit Federgabeln sind schon auf dem Markt. Die speziellen Gravelbike-Federgabeln bieten mit zirka 30 Millimetern allerdings deutlich weniger Federweg als die MTB-Gabeln.
Die Sitzposition ist eher aufrecht, was bessere Übersicht und Kontrolle im Gelände ermöglicht; auch ein breiter Lenker soll das Handling auf ruppigem Terrain erleichtern. Die Räder laufen oft stoisch geradeaus und lenken sich träge, damit sie auf losem oder ruppigem Untergrund gut die Spur halten. Auch ein tiefer Schwerpunkt verbessert die Fahrstabilität im Gelände.
Das Gangspektrum ist groß und bietet Untersetzungen, damit steile Anstiege auch mit Gepäck bewältigt werden können. Antriebe mit einem (relativ kleinen) Kettenblatt sind verbreitet, dafür sind die Gangsprünge groß und der größte Gang ist vergleichsweise kurz übersetzt, das abgedeckte Geschwindigkeitsniveau also insgesamt niedriger.
An serienmäßigem Zubehör bringen die Bikes erst mal nicht viel mit, allerdings sind sie meist so designt, dass Packtaschen problemlos am Rad befestigt werden können. Außerdem gibt es viele Schraubösen für zusätzliche Flaschenhalter, Gepäckträger oder Schutzbleche.
BMC URS, Canyon Grizl, Giant Revolt, Trek Checkpoint, Specialized Diverge
Allroad-Bikes sind streng genommen keine Gravelbikes, sondern Straßenräder, die für schlechten Untergrund optimiert wurden. Sie füllen damit die schmale Lücke zwischen Rennrad und Gravelbike. Häufig basieren die Räder auf Endurance-Bikes und werden mit breiteren Reifen bestückt. Die Reifen sind 30 bis 40 Millimeter breit und haben wenig oder gar kein Profil. Das reicht locker für glatte Feld- und Waldwege, in schwererem Gelände oder im Matsch sind die Bikes aber schnell überfordert. Dafür geht es auf Asphalt kaum weniger zügig voran als mit dem typischen Rennrad.
Die Sitzposition ist meist entspannt, das Fahrverhalten ähnelt dem eines Rennrads. Sie sind also wendiger und nervöser als typische Gravelbikes, was in schwerem Gelände ebenfalls nachteilig ist. Das Übersetzungsspektrum ist groß, wobei der Schwerpunkt auf Speed liegt: Im kleinsten Gang gibt es meist eine 1:1-Übersetzung oder leichte Untersetzungen. Zweifach-Kurbeln mit schnellen Straßengängen sind noch Standard, die Gangsprünge relativ fein.
Gepäck ist an den Rädern selten vorgesehen, Fixpunkte für Schutzbleche sind dagegen häufig.
BMC Roadmachine X, Canyon Endurace All-Road, Cervélo Caledonia, Giant Contend AR
Rennsportorientiertes Gelände-Rennrad, wird auch CX- oder Querfeldein-Rennrad genannt. Im Grunde ein Vorläufer des Gravelbikes, seine Wurzeln reichen zurück bis in die 50er-Jahre. Die Reifen sind per Reglement auf maximal 33 Millimeter Breite beschränkt und können, abhängig vom Untergrund, sehr unterschiedlich profiliert sein.
Die Sitzposition ist lang und gestreckt, typisch sind schmale Lenker und lange Vorbauten. Das Lenkverhalten ist sehr wendig und auf eng gesteckte Rundkurse optimiert. Ein sehr kurzer Radstand erleichtert das Handling in engen Kurven, dafür kommen die Fußspitzen leicht mit den Reifen in Kontakt. Ein hohes Tretlager erlaubt das Überfahren von Hindernissen ohne Bodenkontakt. Der hohe Schwerpunkt und die nervöse Lenkung erfordern im Gelände aber etwas mehr Übung und Fahrtechnik.
Wichtiger Unterschied zu Gravelbikes: Das Getriebe ist bei Cyclocross-Rädern extrem schmal und sehr fein abgestuft. Verbreitet sind Zweifach-Kurbeln mit 46/38, die bewusst viele Überschneidungen haben. Seltener sind Einfach-Kurbeln mit Rennrad-Kassette. Sehr leichte und sehr schnelle Gänge fehlen in der Regel. Die Übersetzungen lassen sich aber relativ einfach an andere Ansprüche anpassen.
Auf jegliches Zubehör wird verzichtet, nicht selten gibt es sogar nur einen Flaschenhalter am Rahmen. Dafür ist das Oberrohr so designt, dass sich das Rad leicht schultern lässt.
Canyon Inflite, Cube Cross Race C:68X, Giant TCX Advanced, Stevens Super Prestige
Sportlich orientiertes Gravelbike, das speziell für Gravel-Rennen konzipiert ist. Die Reifen sind um 40 Millimeter breit und versuchen sich in einer guten Balance zwischen Geländetauglichkeit und geringem Rollwiderstand. Die Räder sind auf Leichtbau und Aerodynamik optimiert, Carbonrahmen sind die Regel, verbreitet sind integrierte Lenker und aerodynamische Carbonfelgen.
Die Sitzhaltung ist gestreckt, ähnlich wie auf einem Wettkampf-Rennrad. Die Lenker sind eher schmal und oft integriert.
Die Übersetzungen eher für die schnelle Fahrt ausgelegt, verbreitet sind Einfach-Antriebe mit relativ großen Kettenblättern. Das Spektrum bietet meist keine sehr leichten Gänge bzw. Untersetzungen, dafür erträgliche Gangsprünge und mehr Luft am schnellen Ende. Ein langer Radstand, der tiefe Schwerpunkt und flache Lenkwinkel mit kurzen Vorbauten bringen guten Geradeauslauf und Stabilität bei hohem Tempo im Gelände. Zubehör wie Gepäckträger oder Schutzbleche ist in der Regel nicht vorgesehen.
BMC Kaius, Cervélo Aspèro, Scott Addict Gravel, Factor Ostro Gravel
Der Randonneur ist ursprünglich ein Straßen-Reiserad mit Schutzblechen, Gepäckträger und Licht. Commuter sind entsprechend ausgestattete Pendler-Fahrräder mit vergleichbaren Eigenschaften. Heute basieren diese Commuter Bikes meist auf entsprechend ausgestatteten, preiswerten Gravelbikes.
Die Reifen fallen etwas schmaler aus (30-38 Millimeter), damit noch feste Schutzbleche in die Rahmen passen. Das Rad wird dadurch etwas straßenlastiger und weniger geländetauglich, auch das Profil der Reifen ist in der Regel nur schwach ausgeprägt.
Aufgrund der schmalen Reifen wird das Fahrverhalten etwas wendiger und ist näher am Rennrad. Die Schaltungen bieten viele Gänge, darunter auch sehr leichte, minimalistische Einfach-Antriebe sind die Ausnahme.
Geprägt wird die Kategorie vom umfangreichen, serienmäßig montierten Zubehör. Denn es macht die Bikes zu wahren Sorglos-Paketen mit fest montierten Schutzblechen, dynamobetriebenem LED-Licht und stabilem Gepäckträger.
Cube Nuroad FE, Bergamont Grandurance RD, Rose Backroad Randonneur, Stevens Supreme