Girmay, Demare, Zabel & Co.Diese Fahrer machten beim Giro 2022 von sich reden

Andreas Kublik

 · 10.08.2022

Girmay, Demare, Zabel & Co.: Diese Fahrer machten beim Giro 2022 von sich redenFoto: Getty Images

Der Giro d'Italia 2022 ist Geschichte. TOUR zeigt sechs Fahrer, die bei dieser Austragung der Italien-Rundfahrt ganz besonders im Fokus standen.

Arnaud Démare - der schnellste Mann

Arnaud Démare war der Dominator der Sprints: Drei der fünf Massensprints des Giro d’Italia bestritt der Franzose siegreich - auf der 5., 6. und 13. Etappe. Nur am Plattensee in Ungarn war Mark Cavendish schneller, der in Italien noch um einen Startplatz in seinem Team Quick-Step für die Tour de France kämpfte.

Zudem preschte Alberto Dainese (Team DSM) einmal an Démare vorbei. In den Finals und deren Vorbereitung konnte sich der 30-jährige Profi auf die Teamkollegen von Groupama-­FDJ verlassen. Nach dem ersten Erfolg in Messina, der auch sein erster Saisonsieg war, sagte er: “Es ist eine große Erleichterung.” Beim Giro hat er nun insgesamt acht Etappensiege auf dem Konto - zwei mehr als Bernard Hinault und Jacques Anquetil.

In Verona bekam er für seine Zähigkeit und Konstanz das Maglia Ciclamino, das fliederfarbene Trikot für den Punktbesten - Pendant zum Grünen Trikot bei der Tour.

Der Schnellste: Arnaud Démare vor Biniam Girmay und Caleb Ewan (von links)Foto: Getty Velo
Der Schnellste: Arnaud Démare vor Biniam Girmay und Caleb Ewan (von links)

Biniam Girmay - gefährliche Prämie

Was für ein unglücklicher Abgang: Zunächst ließ sich Biniam Girmay als erster Etappensieger aus Eri­trea von seinen Landsleuten feiern. In einem packenden Sprint hatte er Mathieu van der Poel niedergerungen. Die Schrecksekunde folgte bei der Siegerehrung: Beim Öffnen der Prosecco-Flasche für den Sieger schoss dem Radprofi vom Team Intermarché-Wanty-­Gobert der Korken ins Auge.

Der 22-Jährige wurde ins Krankenhaus gebracht und trat zur folgenden Etappe des Giro d’Italia nicht mehr an. Die gute Nachricht: Schäden am Auge sollen nicht bleiben. Ab der folgenden Etappe waren die Magnum-Flaschen bereits entkorkt, ehe sie an den Sieger überreicht wurden.

Autsch! Biniam Girmay bei der folgenreichen SiegerehrungFoto: Getty Velo
Autsch! Biniam Girmay bei der folgenreichen Siegerehrung

Vincenzo Nibali - letzte Hai-Attacken

Es waren die letzten Angriffe von Vincenzo Nibali beim Giro d’Italia. Der Mann, der den Spitznamen Hai von Messina (Lo squalo di Messina) trägt, hat nicht mehr genug Biss - im November wird er 38 Jahre alt. Den Gedanken, Schluss zu machen, habe er schon eine Weile mit sich herumgetragen - nach dem Zieleinlauf der 5. Etappe in seiner Heimatstadt Messina schuf er Fakten.

Am Mikrofon des italienischen TV-Senders RAI verkündete der Profi vom Team Astana, dass zum Saisonende Schluss sei: “Auf den Straßen, auf denen ich trainiert habe, möchte ich verkünden, dass es mein letzter Giro d’Italia ist”, sagte der Sizilianer mit feuchten Augen. Zweimal hatte er zuvor den Giro gewonnen (2013 und 2016), einmal die Tour de France (2014), dazu die Vuelta (2010). Diesmal wurde er Vierter. Die Tifosi fühlten sich von ihrem angriffslustigen, leidenschaftlichen Landsmann immer gut unterhalten. Nie war ein Hai beliebter bei den Menschen.

Vincenzo Nibali vor dem späteren Sieger Jai Hindley auf der 14. EtappeFoto: Getty Velo
Vincenzo Nibali vor dem späteren Sieger Jai Hindley auf der 14. Etappe

Rick Zabel - der Berg-Sprinter

Von Vater Erik hat Rick Zabel die Sprinter-Gene geerbt - Klettern liegt nicht als Talent in der Familie. Aber der Profi vom Team Israel-Premier Tech hatte sich Reglement und Strecke des neun Kilometer langen Einzelzeitfahrens auf der 2. Etappe des Giro d’Italia genau angesehen. Für den Schnellsten im Schlussanstieg gab es Bergpunkte - und die holte sich der 28-jährige Kölner im Bergsprint.

Zuvor hatte er sich im flachen Teil relativ gemütlich warm gefahren - im Ziel war er insgesamt 167. von 176 Startern. Für seinen gelungenen Coup erhielt er zwei Auszeichnungen: als kämpferischster Fahrer des Tages, und er durfte stellvertretend für den punktgleichen Gesamt­führenden Mathieu van der Poel das blaue Trikot des besten Kletterers tragen. Auf der dritten Etappe besserte er nach - holte sich weitere Punkte und war dann offiziell Träger des blauen Trikots - wenn auch nur für einen Tag, bevor es auf den Ätna ging.

Rick ZabelFoto: Getty Velo
Rick Zabel

Andrej Ponomar - schwere Gedanken

Kann man konzentriert und fokussiert ein dreiwöchiges Radrennen bestreiten, während in der Heimat Krieg herrscht und der Vater an der Front kämpft? Nein, glaubt Gianni Savio, der Teamchef von Drone Hopper-­Androni Giocattoli. Dennoch ließ er Andrej Ponomar, den Ukrainischen Meister, starten - im Vorjahr war dieser mit 18 Jahren bereits als jüngster Giro-Teilnehmer dabei. Mutter und Schwester hatte er gerade erst an seinem italienischen Wohn­ort nahe Vicenza begrüßt, sie waren nach drei Wochen im Bunker geflohen.

Sie sind innerlich tot, wie Zombies”, berichtete Ponomar in einem Interview der italienischen Zeitung Corriere della Sera. Die Müdigkeit beim Giro helfe ihm, nachts nicht zu lange an seine Heimat zu denken. Unterwegs sah der Mann im blau-gelben Meistertrikot der Ukraine viele Fahnen, die den 19-Jährigen an zu Hause erinnerten: Die Fans forderten auf vielen Transparenten und regenbogenfarbenen Fahnen “Pace” - Frieden.

Andrej PonomarFoto: Getty Velo
Andrej Ponomar

Juan Pedro Lopez - farbenfroh

Er war wohl die Entdeckung dieses Giro d’Italia: Juan Pedro Lopez trug zehn Tage das Rosa Trikot - länger als jeder andere im Rennen. Zwar holte ihn Len­nard Kämna auf dem Weg zu seinem Sieg auf der 4. Etappe auf den Ätna kurz vor dem Ziel ein, als Trost erhielt der 24-jährige Spanier aber das begehrte Führungstrikot - das er zäh über viele Berge verteidigte.

Zudem zeigte Juan Pedro Lopez eine gute Kinderstube: Auf einer Etappe hatte er in der Hitze des Gefechts seine Trinkflasche Richtung Sam Oomen geschleudert, nachdem dieser ihn fast zu Sturz gebracht hatte. Kaum im Ziel, entschuldigte sich Lopez ungefragt vor laufender Kamera für die Unbeherrschtheit. Am Ende wurde er als bester Jungprofi mit dem Weißen Trikot belohnt.

Juan Pedro LopezFoto: Getty Velo
Juan Pedro Lopez