Sebastian Lindner
· 21.05.2023
Brandon McNulty hat die 15. Etappe des Giro d’Italia durch über 195 Kilometer durch die Lombardei nach Bergamo gewonnen. Der US-Amerikaner siegte im Sprint einer Dreier-Gruppe vor Ben Healy und Marco Frigo.
Das Trio hatte sich am letzten Anstieg des Tages vom Rest einer großen Ausreißergruppe abgesetzt, fuhr nach mehreren Attacken aber zwischenzeitlich solo gen Ziel. 800 Meter vor dem Ziel lief alles wieder zusammen, McNulty stellte sich als stärkster Sprinter heraus.
Der Tagessieger sprach von einem unbeschreiblichen Gefühl. “Das Ziel war, hier eine Etappe zu gewinnen. Aber dann wurde ich krank im Einzelzeitfahren”, sah der 25-Jährige seine Felle bereits davonschwimmen. “Aber heute hat alles geklappt. Am langen Anstieg wollte ich wegfahren, weil Ben so stark ist”, schilderte er seinen Plan. Doch Healy setzte am Berg noch einen drauf und McNulty war der Jäger. Selbst Frigo, der zwischenzeitlich schon Rückstand hatte, kam mehrfach zurück. “Ich dachte ich hätte Marco abgeschüttelt, aber als wir mit den Spielchen begonnen haben, kam er wieder zurück.”
Der 23-Jährige Italiener hingegen sah sich nach der Etappe in einem Gefühlschaos. “Es fühlt sich an wie ein halbvolles Glas, mit positiven, aber auch negativen Gefühlen. Ich wusste, dass mir die Abfahrt noch eine Möglichkeit gibt zurückzukommen und diese Karte habe ich dann auch gespielt. Man gibt nie auf bei so einer Etappe.”
Unter den Favoriten, die mehr als sechs Minuten später ins Ziel kamen, entbrannte im Finale nochmal ein Kampf um Sekunden. 3,5 Kilometer vor dem Ziel attackierte Primoz Roglic, Geraint Thomas (Inoes Grenadiers) und Joao Almeida (UAE Team Emirates) konnten folgen. Lennard Kämna (Bora-Hansgrohe) zählte jedoch zu den zwischenzeitlich abgehängten, schloss aber mit der Hilfe von Thibaut Pinot (Groupama-FDJ) auf den allerletzten Metern die Lücke fast noch und verlor nur zwei Sekunden.
Bruno Armirail (Groupama-FDJ) kam zwar etwas später über den Strich, verteidigte sein Rosa Trikot aber genau wie Almeida das Weiße, Jonathan Milan (Bahrain-Victorious) das Punktetrikot und Davide Bais (Eolo-Kometa) das für den besten Bergfahrer.
Kurz nach dem Start der Etappe vor den Toren Mailands machte sich bereits Ben Healy (EF Education EasyPost) mit Simone Velasco (Astana Qazaqstan Team) am Hinterrad auf, eine Gruppe zu bilden. Kurze Zeit später gesellten sich noch Brandon McNulty (UAE Team Emirates), Bauke Mollema (Trek-Segafredo), Alberto Dainese (Team DSM), Jose Joaquim Rojas (Movistar), Marco Frigo, Sebastian Berwick (beide Israel - Premier-Tech), Laurens Huys, Niccolo Bonifazio (beide Intermarche-Circus-Wanty), Francesco Gavazzi, Vicenzo Albanese (beide Eolo-Kometa), Francois Bidard (Cofidis), Andrea Pasqualon (Bahrain-Victorious) und Davide Ballerini (Soudal - Quick Step) dazu, sodass zunächst 15 Fahrer vorne waren.
Am Fuß des Anstiegs zum Valico di Valcava stieß der Sieger der 13. Etappe, Einer Rubio (Movistar) zu den Ausreißern und war mit etwas mehr als elf Minuten Rückstand auf Armirail damit der Beste in der Gesamtwertung. Auch dessen zwischenzeitlicher Mitfahrer, Martin Marcellusi (Green Project - Bardiani CSF - Faizane), stieß im Laufe des Anstiegs noch dazu.
Oben angekommen - das Hauptfeld hatte dort mehr als sechs Minuten Rückstand - duellierten sich Healy und Rubio um die 40 Punkte für die Bergwertung - mit dem besseren Ende für den Iren. Damit war bereits klar, dass das Maglia Azzurra auch am Ruhetag bei Bais bleiben würde.
In der Ebene änderte sich nichts an der Konstellation, erst im Anstieg nach Selvino (2. Kategorie) mussten erst Dainese und dann Marcellusi reißen lassen. Die Bergwertung sicherte sich erneut Healy. Kurz darauf später in Miragolo San Salvatore (2. Kategorie) dann das umgekehrte Bild: Rubio vor Healy.
Nach der ersten Zieldurchfahrt in Bergamo begannen die Attacken. Bonifazio attackierte als Erster 48 Kilometer vor dem Ziel und fuhr mit einer Minute Vorsprung in den letzten Berg des Tages, den Roncola Alta. Im Anstieg löste Frigo Bonifazio als Führender ab, McNulty und Healy hatten aber schnell aufgeschlossen.
34 Kilometer vor dem Ziel attackierte McNulty, doch das veranlasste Healy nur zu einem Konter, der ihm zwischenzeitlich fast eine halbe Minute Vorsprung einbrachte. Über den Gipfel fuhr der Ire noch solo, doch in der Abfahrt hatte McNulty 27 Kilometer vor dem Ziel wieder aufgeschlossen.
Und auch Frigo kehrte zehn Kilometer vor dem Ziel tatsächlich nochmal zurück. Und mischte dann kräftig mit. Nachdem bei Kilometer 7 vor dem Ziel zunächst McNulty attackierte, war es Frigo, doch auch er kam nicht weg. Dann war es Healy, der auf dem steilen Weg in die Altstadt von Bergamo nochmal attackierte. Konnte McNulty dranbleiben, musste Frigo erneut reißen lassen.
Doch in der Abfahrt und auf den letzten ebenen Metern kam der Italiener wieder ran, 800 Meter vor der Linie war die Lücke, die bis zu 20 Sekunden betrug, wieder geschlossen. Frigo ging direkt in den Sprint, riss ein kleines Loch, doch 150 Meter vor dem Ziel wurden die Beine schwer. McNulty zog mit Healy am Hinterrad vorbei und sicherte sich den Sieg.