Sandra Schuberth
· 25.02.2022
Wenige Tage vor der zweiten Ausgabe der UCI Esports Weltmeisterschaften konnten wir den amtierenden Weltmeister Jason Osborne für ein Interview gewinnen. Er verrät, wie er sich auf die WM vorbereitet hat, was seine sportlichen Ziele sind und was beim Zwift-Wettkampf nicht fehlen darf.
TOUR: Hi Jason, schön, dass du Dir die Zeit nehmen konntest, um ein paar Fragen zu beantworten. Du bist eigentlich Ruderer. Im Jahr 2020 bist du aber erster Esports-Weltmeister im Radsport geworden. Wie kam es zu deiner Teilnahme an dieser ersten Indoor-WM auf Zwift?
Jason Osborne: Mehr oder weniger sehr spontan, da die UCI sehr kurzfristig entschieden hat, dass diese WM stattfinden wird. Ich bekam eine Mail vom BDR und habe zugesagt. Ein wichtiger Punkt war auch, dass ich durch meine Ruderkarriere bereits im NADA-Testpool war. Es durften nämlich nur Athleten teilnehmen, die bereits in dem Pool waren.
Wie viel Zeit lag zwischen der Anfrage vom BDR bzw. deiner Zusage und der Esports-Weltmeisterschaft?
Etwa 1,5 Monate.
Schon während deiner Zeit als Ruderer bist du gern aufs Rennrad gestiegen. Deine Ruderkarriere hast du zugunsten des Radsports an den Nagel gehängt. Trifft das zu?
Jein. Ich habe leider kein Angebot vom Team Quick Step bekommen, bei dem ich Stagiaire war. Im Prinzip habe ich mich entschieden, bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 noch einmal im Rudern anzutreten. Je nachdem, wie es in mein Ruderprogramm reinpasst, fahre ich auch weiter Radrennen als Einzelstarter, zum Beispiel bei Zwift oder die Deutsche Meisterschaft im Zeitfahren.
Du hast also neben Esports-Rennen auch Erfahrungen bei Straßenrennen sammeln dürfen und warst sogar Stagiaire im UCI World-Tour-Team Deceuninck-Quick-Step. Abgesehen von deiner Ruder-Karriere, planst du mit einer Karriere als Straßenradprofi?
Wenn mir ein Team die Chance geben würde, würde ich es wagen 😊 Ich sehe im Radsport gegenwärtig aber ein sehr unsicheres Umfeld, wo ich mich momentan nicht so gut aufgehoben fühle.
Dennoch scheint Dir der Radsport viel zu geben. Was ist für Dich das Besondere daran?
Radsport hat für mich viele gute Punkte. Man ist draußen und mit Natur verbunden. Ich war vor zwei Wochen beispielsweise auf Teneriffa. Mit dem Rad sieht man einfach so viel von der Insel und kommt rum. Man kann die Gegend auf dem Rad ganz anders entdecken.
Wie kamst du zum virtuellen Radsport?
Zwift nutze ich schon sehr, sehr lange. Ich glaub, ich war schon seit dem Anfangsstadium mit dabei. Mir gefiel die Verbindung von Computerspiel und Training.
Was sind für Dich entscheidende Unterschiede zwischen Straßenrennen und Esports-Rennen?
Auf Zwift hast du keinen Körperkontakt, das macht es wesentlich einfacher, Attacken zu fahren. Es kommt mehr auf reine Wattwerte an. Bei Straßenrennen kannst du auch die krassesten Wattwerte haben, es bringt dir nichts, wenn du nicht durchs Feld manövrieren kannst.
Taktisch wird in virtuellen Rennen jedes Schlupfloch ausgereizt. Man kann zum Beispiel taktisch fahren, wenn es einen Berg hochgeht. Einige Beschleunigungsspitzen an bestimmten Punkten können helfen, insgesamt lockerer über den Berg zu kommen.
Auch die Unterschiede einzelner Systeme zu kennen, zahlt sich aus: Bei Zwift ist der Effekt in einer Gruppe sehr stark. Ausreißen ist da kaum möglich. Bei Rouvy kann man besser ausreißen.
Neben dem Training in virtuellen Welten radelst du auch sehr gern draußen und erkundest die Gegend. Wo trainierst du für die Esports-WM – eher draußen oder auf dem Smarttrainer?
Die meisten denken, ich verbringe viel Zeit auf Zwift. Ich ziehe es aber eigentlich vor, draußen zu fahren. Natürlich fahre ich trotzdem auf Zwift, gerade der Ergometer-Modus ist für spezifische Intervalle sehr hilfreich, um genau das geplante Training durchzuziehen.
Wie bereitest du Dich auf die Esports-WM vor? Kennst du zum Beispiel die Strecke in- und auswendig? Planst du den Einsatz von PowerUps im Vorfeld?
Das Rudertraining habe ich runtergefahren, um die Freiheit zu bekommen, mich optimal auf die Zwift-WM vorzubereiten.
Ich fahre spezifische Intervalle und bin zusätzlich einige Rennen gefahren, um ein Gefühl für die Materie und Rennen zu bekommen. Gestern bin ich die komplette Rennstrecke zweimal gefahren, der Coach hat zugeguckt und wir haben während des Rides die Renntaktik durchgesprochen. Er hat mir Tipps für bestimmte Stellen gegeben.
Ich glaube, der Kurs kommt mir entgegen, denn der Anstieg dauert etwa 2-2,5 Minuten. 2020 gab es einen Anstieg, der maximal 90 Sekunden dauerte. Das können mehr Leute wegdrücken.
Was darf am Wettkampftag nicht fehlen?
Der Kopf, die Motivation. Das ist erstmal das Wichtigste. Dass man bereit ist, sich voll reinzustürzen und alles zu geben. Man muss das nehmen, was der Körper am Wettkampftag hergibt. Und man muss Vertrauen haben in sein Können, in das Setup und das Team.
Am Mainzer Ruderverein wurde bereits alles aufgebaut, so dass technisch nichts mehr schiefgehen sollte.
Welchen Taktik-Tipp für Esports-Rennen hast du für unsere Leserschaft?
Ganz klar, das allerwichtigste ist die Kühlung, also ein Ventilator!
Ich war in Zürich für fünf Rennen in drei Tagen. Ich war der Einzige mit Ventilator. Von allen wurde die Körpertemperatur erfasst. Meine Temperatur war mit Abstand die niedrigste, und meine Leistung war, ebenfalls mit Abstand, die beste. Das bestätigt für mich: Kühlung ist so wichtig!
Ein weiterer Tipp: Nicht zu hohe Ziele setzen. Vielleicht erstmal eine Kategorie niedriger starten als direkt am Anfang Misserfolge zu sammeln.
Wie hat sich das Thema E-Racing im vergangenen Jahr verändert? Beispielsweise im Hinblick auf Leistungsdichte und Prestige?
Meine Einschätzung ist, dass sich Esports sehr professionalisiert hat. Es ist ein erheblicher Unterschied zu 2020. Es gibt schon Vollzeit-Esportler und Sportlerinnen.
Die Rennen an sich sind härter geworden, weil jeder weiß, was abgeht, wie taktisch reagiert werden kann. Jeder Vorteil wird aufs Maximum ausgereizt.
Das WM-Rennen wird anders werden als 2020. Jetzt sind viel mehr reine E-Racer am Start, deshalb wird es härter, viele sind taktisch sehr gut aufgestellt.
Kannst du aktuell von deinem Sport leben?
Rudern ist meine Hauptsportart, demnach bin ich da in gefestigten Strukturen wie der Deutschen Sporthilfe verankert. Zusätzlich habe ich einige sehr, sehr gute Sponsoren durch den Radsport.
Zum Abschluss noch ein ganz anderes Thema. Wie empfindest du die Radsport-Community?
Richtig cool. Es ist leicht, Anschluss zu finden. Egal, wo man gerade ist. Vor zwei Wochen war ich auf Teneriffa, habe ‘ne Story gepostet und wurde direkt von anderen Radfahrern angeschrieben, ob wir eine Runde zusammen drehen.
Was mir nicht so gut gefällt, ist das Politische in Radteams. Es sollte um Leistung gehen bei der Auswahl von Athleten.
Ansonsten finde ich Radfahren aber einfach richtig gut!
Tipps zum Weiterlesen auf der TOUR-Website: