Rennradfahren im WinterTipps und Tricks

Thomas Musch

 · 11.11.2023

Radfahren im Winter schafft neue und faszinierende Erlebnisse
Foto: Getty Images
Rennradfahren im Winter? Brrr. Zu kalt, zu nass, zu ungemütlich, denken sich immer noch viele Hobbysportler und verabschieden ihren Renner in die Winterpause. Schade eigentlich: TOUR nennt die besten Tipps für einen erlebnisreichen und radaktiven Rennradwinter

Rennradfahren im Winter trägt nicht nur zu Formerhalt und Fitness bei; regelmäßiges, richtig dosiertes Radtraining im Freien kann Immunsystem und Abwehrkräfte stärken und die Fahrt über einsame Straßen und Wege, die so ganz anders aussehen als im Sommer, vermittelt ganz neue Eindrücke und ein besonderes Naturerlebnis. Damit Rennradfahren im Winter all diese positiven Effekte entfalten kann, nennt TOUR die besten Tipps für Kleidung, Rad und Training.

Die richtige Rennradkleidung im Winter – von Kopf bis Fuß

Auf dem Kopf

Unter dem Helm hält eine dünne Unterziehmütze den Kopf warm. Es gibt die unterschiedlichsten Exemplare, mit denen man das individuelle Kälteempfinden ausgleichen kann. Wer schnell schwitzt, dem reicht ein dünnes Exemplar mit Windstoppermembran im Stirnbereich gegen kalte Zugluft; wer leicht friert, achtet auf ein etwas dickeres, wärmendes Fleecefutter.

Am Oberkörper

Das Zwiebelprinzip ist und bleibt der beste Leitfaden für wetterangepasste Radbekleidung zum Rennradfahren im Winter: mehrere Schichten übereinander mit unterschiedlicher Funktion ergeben ein flexibles System für wechselnde Bedingungen. Ganz wichtig: Damit Funktionsbekleidung auch richtig funktioniert, muss sie eng am Körper sitzen – was nicht mit einengend zu verwechseln ist.

Baselayer von Odlo mit isolierender WaffelstrukturFoto: OdloBaselayer von Odlo mit isolierender Waffelstruktur

Baselayer

Früher hieß das mal Funktionsunterhemd – aber mehr als auf die Bezeichnung kommt’s auf Schnitt und Material an. Kunstfasern sind Standard, in jüngerer Vergangenheit erobert aber auch immer mehr die Naturfaser Merinowolle das Feld, entweder als Beimischung oder in Reinform. Merinowolle kann relativ viel Feuchtigkeit aufnehmen, kühlt aber nicht aus und muffelt vor allem weniger als Kunstfaser. Was überhaupt nicht geht fürs Untendrunter: Baumwolle. Die kann zwar viel Feuchtigkeit aufnehmen, gibt sie aber nicht mehr ab und hängt dann wie ein nasser Sack am Körper, wodurch man rasend schnell auskühlt. Es gibt auch Baselayer mit Windstoppermembran an der Vorderseite, aber nach unserer Erfahrung kann sich dahinter bei entsprechender Trainingsintensität recht schnell Feuchtigkeit stauen und dann fröstelt man. Windstopper in der äußeren Schicht, um kalte Luft abzuwehren, erscheint uns die bessere Variante zum Rennradfahren im Winter.

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Das Zwiebelprinzip ist und bleibt der beste Leitfaden für wetterangepasste Radbekleidung

Mittlere Schicht

Dafür eignet sich das gewohnte, möglichst atmungsaktive Trikot, je nach persönlichem Kälteempfinden mit kurzen oder langen Ärmeln und aus dünnerem oder dickerem Stoff bzw. innen angeraut.

Jacke

So genannte Softshells – meistens dreilagige Laminate aus Futter, Membran und imprägnierter Außenhaut – beherrschen den Spagat aus Windschutz, Wärmeisolation und Durchlässigkeit für Körperschweiß am besten und sind, je nach Kombination mit den Schichten unter der Jacke, für einen breiten Temperaturbereich geeignet. Wer auch bei niedrigsten Temperaturen noch aufs Rad steigt, sollte zu einer richtigen Winterjacke greifen, die mit entsprechend dickem Material noch stärker isoliert. Bei hoher Trainingsintensität und auch bei kalt-sonnigem Winterwetter kann es darin aber schnell zu warm werden.

Das individuelle Kälteempfinden beim Rennradfahren im Winter ist sehr unterschiedlich ausgeprägt

Hose

Es gibt Radsportler, denen reichen zum Rennradfahren im Winter Beinlinge als Ergänzung zur kurzen Radhose, um radelnd durch den Winter zu kommen. Die Kombi ist extrem flexibel, eine normale (Sommer-)Radhose an Oberschenkeln und insbesondere im Schritt aber eventuell zu winddurchlässig, so dass man im empfindlichen Genitalbereich schnell friert. Die besser wintertaugliche Ergänzung zur kurzen Radhose ist deshalb eher eine lange Radhose ohne Sitzpolster; das Angebot reicht von reinen Textilhosen bis zu Modellen mit ausgeklügeltem Windschutz durch eingearbeitete Membrane an den richtigen Stellen.

Nachteil der Zwei-Hosen-Kombi ist, dass im Hüft- und unteren Brustbereich viel Stoff doppelt liegt, sodass man leicht schwitzt. Die Hosen können sich auch gegeneinander verdrehen oder Falten werfen und erzeugen dann ein etwas unkomfortables Sitzgefühl. Die meisten Winterpedaleure greifen deshalb zur langen Winterhose mit Sitzpolster, auch hier ist das Angebot beinahe unüberschaubar du reicht von der schlichten, eher dünnen Textilhose bis zur Hightech-Buxe mit unterschiedlich dicken Stoffpartien, Membraneinsätzen oder Hosenbeinen komplett mit Membran. So aufwendig es auch sein könnte, die individuell richtige Hose zu finden, so groß ist aber angesichts der Vielfalt der angebotenen Produkte die Chance, tatsächlich die optimale Winterhose für die eigenen Bedürfnisse zu finden.



Die meisten Winterpedaleure greifen deshalb zur langen Winterhose mit Sitzpolster

Hände

Für die Hände gilt ähnliches wie für den Kopf (und die Füße): Das individuelle Kälteempfinden beim Rennradfahren im Winter ist sehr unterschiedlich ausgeprägt, weshalb der eine Radler noch mit eher dünnen, nur winddichten Handschuhen bei Temperaturen unterwegs ist, bei dem der andere bereits dicke Thermohandschuhe trägt. Aber: Auch an den Händen kann man schwitzen, was bei niedrigen Temperaturen schnell zu klammen Fingern führt, mit denen man schlimmstenfalls Bremsen und Schaltung nicht mehr zuverlässig bedienen kann. Unsere Empfehlung: Windschutz (durch eine integrierte Membran) ist obligatorisch, Wasserdichtigkeit nicht zwingend, die Isolation (also in der Regel die Dicke) eine Sache des persönlichen Anspruchs. Was gerne übersehen wird: Der Griff am Lenker und die Betätigung von Bremsen und Schaltung entscheiden nach unserer Erfahrung eher darüber, ob ein Handschuh gerne und regelmäßig genutzt wird als seine Isolation. Also Passform und Griff checken! Und darauf achten, dass sich Handschuhstulpe und Jackenärmel ausreichend überlappen.

Je ungemütlicher das Wetter wird, desto stärkere Kälte- und Schmutzabwehr wird erforderlich

Füße

Da Fahrradschuhe eher eng am Fuß sitzen, sind die Möglichkeiten begrenzt, mit dicken Socken für warme Füße beim Rennradfahren im Winter zu sorgen. Der Schutz muss also außen drüber. Minimallösung sind Schuhkappen aus Neopren, die die Zehen vor dem auskühlenden Fahrtwind schützen und in engen Grenzen auch Spritzwasser vom Schuh fernhalten. Je ungemütlicher das Wetter wird, desto stärkere Kälte- und Schmutzabwehr wird erforderlich. Wer eher weniger Probleme mit kalten Füßen hat, greift zu eher dünnen, wasserdichten Überschuhen, wer schnell friert, wählt warme Überschuhe aus bis zu mehrere Millimeter dickem Neopren.

Unsere Erfahrung: Überschuhe werden durch Nässe und Dreck hart rangenommen, Reißverschlüsse gehen relativ schnell kaputt, Klettriegel verschmuddeln und halten nicht mehr. Schon wenige Schritte zu Fuß scheuern Nähte auf oder beschädigen Oberflächen. Heißt: Überschuhe sind ein Verschleißteil – man sollte sich nicht allzu große Hoffnungen machen, den einen Überschuh fürs ganze Radlerleben zu finden. Hinzu kommt: Das Anziehen der allermeisten Überschuhe ist in der Regel langwierig und schweißtreibend, und nicht wenige gehen vor allem dadurch im Laufe der Zeit kaputt. Übrigens: Es gibt auch noch ein paar wenige Anbieter von richtigen Rennradwinterschuhen, die meistens vom Aufbau her identisch sind mit Mountainbikeschuhen und nur über eine andere Sohle verfügen. Unser Tipp: Wenn Winterschuh, dann mit gehfreudiger und griffiger MTB-Sohle. Die normale Rennradschuhsohle ist im Winterwetterschmuddel auf Kellertreppen, Fliesen und glatten Gehwegen keine gute Basis.

Zubehör fürs winterfeste Rad

Licht

Ohne Beleuchtung am Rad sollte man in Herbst und Winter gar nicht mit dem Rennrad auf die Straße – nur welche Lampen man wählt, hängt sehr von den individuellen Gewohnheiten und Trainingszeiten ab. Am einfachsten beantwortet ist die Frage beim Rücklicht; hierbei geht‘s um das Gesehenwerden, und diese Aufgabe meistern mehr oder weniger alle Rücklichter ordentlich, die man mit Batterie bzw. Akku betreiben und an der Sattelstütze oder den Sitzstreben befestigen kann. Ein Hinweis: Blinkende Leuchten (auch an der Fahrradfront) sind bei vielen Radlern beliebt, weil sie sich davon bessere Sichtbarkeit im Verkehr versprechen ­ – dennoch sind sie auf Deutschlands Straßen verboten.

Beim Frontscheinwerfer kommt das Gros der winteraktiven Radler mit einer batterie- oder akkubetriebenen Leuchte aus, die man mit speziellen Halterungen oder einem Spanngummi am Lenker befestigen kann. Wichtig ist, dass die Scheinwerfer (ebenso wie die Rückleuchten) das entsprechende Prüfzeichen für die Zulassung im Straßenverkehr tragen (eine Wellenlinie, den Buchstaben „K“ und eine mehrstellige Nummer). Solche Leuchten gibt es beispielsweise von Marken wie Busch&Müller, Cateye, Lezyne, Sigma oder Trelock; sie kosten zwischen 100 und 150 Euro, manche beinhalten als Set dann gleich das passende Rücklicht. Die Beleuchtungsstärke der Scheinwerfer liegt um die 100 Lux, die Akkus liefern Strom für zwei bis dreieinhalb Stunden. Mit einem entsprechend guten und exakt ausgerichteten Reflektor reicht das aus, um auch bei völliger Dunkelheit auf der Straße zu fahren und Hindernisse wie Schlaglöcher oder Risse im Asphalt rechtzeitig zu erkennen.

Schutzbleche sind ein Erkennungszeichen für Radler, die in Herbst und Winter wirklich Rad fahren wollen

Plant man längere und regelmäßige Fahrten auch außerhalb bewohnter Gebiete und in völliger Dunkelheit, kommen High-End-Leuchten wie beispielsweise von Lupine oder Supernova in Frage, die mit starken Fernlichtstrahlern die Nacht zum Tag machen, allerdings auch mehrere Hundert Euro kosten können. Die etwas aufwendigere, aber smarte Alternative für nachtaktive Dauer- und Vielradler ist ein Laufrad mit Nabendynamo, bei dem man sich über die Stromversorgung des Scheinwerfers keine Gedanken mehr machen muss.

Schutzbleche

Schutzbleche am Rennrad? Puristen rümpfen darüber die Nase, aber tatsächlich ist es das Erkennungszeichen für alle Rennradler, die in Herbst und Winter wirklich Rad fahren wollen. Es gibt sie als Steckbleche, die wenig wiegen und sich leicht montieren lassen, aber eher für den sporadischen Einsatz geeignet sind. Wer unabhängig von der Wettervorhersage Rad fahren will, sollte zu fest montierten Blechen greifen, die Vorder- und Hinterrad auf möglichst großem Umfang umschließen. Deren Montage kann allerdings zur Geduldsprobe werden, weshalb man vor dem Kauf unbedingt die Befestigungspunkte am Rad abklären sollte. Brauchbare Steckbleche, beispielsweise von BBB, Crud, Mudhugger oder SKS, findet man um 50 Euro. Bleche zur Festmontage sind übrigens nicht zwangsläufig teurer; die seit vielen Jahren bewährten und immer noch empfehlenswerten Bluemels von SKS gibt es schon für unter 30 Euro.

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