Eine neue Studie, die in Nutrients veröffentlicht wurde, bietet einen detaillierten Überblick über KI-Nutzung als Tool zur Trainingssteuerung. Die Studie, verfasst von Gerasimos V. Grivas von der Hellenic Naval Academy und Kousar Safari von der Shiraz University, untersucht, wie KI in den Ausdauersport Einzug hält – von der Stoffwechselanalyse und Erholungsprognose bis hin zu hochgradig individualisierten Ernährungs- und Tempostrategien. Sie bietet sowohl einen Einblick in das, was möglich ist, als auch eine nüchterne Erinnerung an die Herausforderungen, die noch bewältigt werden müssen. Die Botschaft ist klar: KI verändert den Ausdauersport von allgemeinen Richtlinien hin zu präzisen Leistungen. Die Studie beleuchtet KI-gestützte Anwendungen in den Bereichen Stoffwechselüberwachung, Regenerationsmanagement und personalisierte Ernährung. KI-Systeme analysieren bereits komplexe Datensätze aus Wearables, Stoffwechselmessungen und Trainingsprotokollen. Die Algorithmen verarbeiten Herzfrequenzvariabilität, Schlafqualität, Ernährungsdaten und Glukosewerte zu individualisierten Handlungsempfehlungen. Diese multidimensionale Herangehensweise übertrifft laut Einschätzung der Autoren traditionelle Coaching-Methoden oder statische Ernährungspläne.
Forscher der Hellenic Naval Academy und der Shiraz University hatten aktuelle KI-Anwendungen im Ausdauersport untersucht. Ihre Analyse umfasst Studien zu Marathon, Triathlon und Radsport, wo bereits kleine physiologische Schwankungen die Leistung erheblich beeinflussen. Die Wissenschaftler identifizierten konkrete Einsatzgebiete für künstliche Intelligenz in der Sportpraxis.
Jahrzehntelang wurde das Ausdauertraining von einer Reihe bekannter Instrumente geprägt: Herzfrequenzmessgeräten, Intervalltrainings, Laktattests, RPE-Skalen und dem eigenen Instinkt der Athleten. Diese Instrumente waren leistungsstark, aber auch begrenzt. Sie erfassten laut den autoren Momentaufnahmen, aber keine Systeme. Sie konnten nicht mehrere physiologische Ströme, Kontextfaktoren oder langfristige Trends integrieren. Und sie konnten keine zukünftigen Zustände vorhersagen, wie z. B. die Erholung am nächsten Tag oder den Energiebedarf während des Rennens. KI, so argumentieren Grivas und Safari, verändert diese Dynamik vollständig. Moderne KI-Systeme nehmen multimodale Daten auf – Herzfrequenzvariabilität, GPS-Daten, Schlafmetriken, Glukosewerte, Natriumgehalt im Schweiß, Umgebungsbedingungen, subjektives Wohlbefinden, biomechanische Signale – und synthetisieren sie zu Mustern und Vorhersagen, die selbst erfahrene Trainer nicht erkennen können. Die Übersicht hebt Studien hervor, in denen maschinelle Lernmodelle herkömmliche Basiswerte übertrafen in Bezug auf:
Diese Systeme reagieren nicht nur, sondern handeln vorausschauend. Sie beschreiben nicht nur den Zustand des Athleten, sondern prognostizieren ihn.
Deep-Learning-Modelle erweisen sich nach Meinung der Autoren als geeignet für die Schätzung von Laktat- und Ventilationsschwellen (VT1 und VT2) unter Verwendung nicht-invasiver Eingaben wie Herzfrequenz, Herzfrequenzvariabilität und Leistung. In der Übersicht zitierte Studien zeigen eine nahezu klinische Genauigkeit und bieten eine skalierbare Alternative zu Labortests. Ob mit Hilfe Künstlicher Intelligenz Leistungstests wirklich ersetzt oder nur besser interpretiert werden können, muss sich noch zeigen.
Eine ganz konkrete Anwendung ist die Steuerung der Wettkampfernährung. Kontinuierliche Glukosemessgeräte, ursprünglich für Diabetiker entwickelt, finden zunehmend Anwendung bei Ausdauersportlern. KI-Algorithmen analysieren die Glukoseverläufe in Echtzeit und ermöglichen präzise Kohlenhydratzufuhr während Training und Wettkampf. Diese Technologie berücksichtigt individuelle glykämische Reaktionen und passt Gel-Timing sowie Getränkezusammensetzung entsprechend an.
Machine Learning-Modelle kombinieren Leistungsdaten und Herzfrequenz mit Trainingscharakteristika und Umweltbedingungen. Sie schätzen den Kohlenhydratverbrauch und Gesamtenergieumsatz beim Laufen und Radfahren, wodurch praktische Zielwerte für Kohlenhydratverfügbarkeit und -timing entstehen. Allerdings zeigen Glukosemessgeräte derzeit noch physiologische Verzögerungen und gerätespezifische Fehler, weshalb KI-basierte Ernährungsempfehlungen nach Meinung der Autoren Unsicherheitsgrenzen einschließen sollten.
Eine zwölfwöchige Studie mit 43 Ausdauersportlern demonstrierte die Leistungsfähigkeit von Machine Learning bei der Recovery-Vorhersage. Die Algorithmen analysierten täglich Herzfrequenzvariabilität zusammen mit Trainingsbelastung, Schlaf, Ernährung und Wellness-Parametern. Sie sagten den morgendlichen Erholungsstatus und tägliche HRV-Veränderungen präziser vorher als einfache Referenzmodelle.
KI-Systeme integrieren heute zusätzliche biometrische Signale wie Ruhepuls, Atemfrequenz, Schlafarchitektur und Hauttemperatur von Wearable-Geräten. Diese multimodalen Datensätze ermöglichen differenziertere Bewertungen der Erholungsverläufe. Random-Forest-Klassifikatoren erreichten Genauigkeiten zwischen 76 und 90 Prozent bei der Ermüdungserkennung während des Laufens im Freien.
KI-Modelle können gemessene Werte kombinieren, um Folgendes vorherzusagen:
Die Studie verweist auf Machine-Learning-Studien, in denen Algorithmen Trainingsbelastung, HRV, Schlafdauer, Schlafphasenverteilung, Ernährungsqualität und Stimmungsindikatoren integrierten. Das Ergebnis: Vorhersagemodelle, die einfache Faustregeln übertreffen und nuancierter sind als kommerzielle „Erholungsscores“ es oft zulassen.
Wearables und digitale Plattformen sammeln sensible biometrische und Kontextdaten wie Herzfrequenzvariabilität, Glukose, Schlafarchitektur und Geolokation. Athleten erhalten oft unklare Informationen darüber, wie diese Daten gespeichert, geteilt oder zweckentfremdet werden. Verbrauchergeräte nutzen häufig vage Nutzungsbedingungen, die Wiederverwertung anonymisierter Daten für kommerzielle Zwecke ohne bedeutsame Nutzerbeteiligung ermöglichen.
Viele Machine Learning-Modelle operieren als "Black Boxes" und produzieren Empfehlungen ohne nachvollziehbare interne Logik. Mangelnde Interpretierbarkeit kann Vertrauen untergraben, besonders wenn Modellausgaben menschlicher Expertise widersprechen. Algorithmus-Bias durch nicht-repräsentative Trainingsdaten stellt ein weiteres Problem dar, da Modelle mit Elite-, westlichen oder männlichen Kohorten bei weiblichen, Freizeit- oder ethnisch diversen Athleten schlechter funktionieren können.
Die Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz im Ausdauersport erfordert nach Einschätzung der Autoren inklusive, hochwertige Datensätze und dynamische Zeitreihen-Ansätze. Geräte-bewusste Harmonisierung, rigorose externe Validierung und enge Zusammenarbeit zwischen Datenwissenschaftlern und Praktikern sehen sie als Voraussetzung für verlässliche Systeme. Ohne diese Maßnahmen riskiert Künstliche Intelligenz ihrer Meinung nach nur für wenige leistungsfähig statt für viele wirkungsvoll zu sein.
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