„Wenn es hart wird bergauf, begebe ich mich gedanklich in einen Tunnel und nutze meine Erfahrung mit Yiquan“, erklärt Joe Ramming seine mentale Technik für lange Kletterpartien. Yiquan ist eine chinesische Meditations- und Kampfsporttechnik, die Joe erlernt hat, um mit beruflichem Stress umzugehen.
Damit dürfte er für die mentale Anforderung des Ötztaler überdurchschnittlich gerüstet sein. Überhaupt eine Technik parat zu haben, um mit den unvermeidlichen Krisen bei epischen Klettereien umzugehen, ist ein großer Vorteil. Denn am Ende ist es der Kopf, der die Grenzen des Erkletterbaren definiert. „Wenn Fahrer beginnen abzusteigen, weil es zu steil wird und die Gänge ausgehen, motiviert mich das, auf dem Rad zu bleiben“, verrät Joe seine mentale Einstellung. „Danach wieder aufzusteigen, stelle ich mir viel schwieriger vor, als einfach weiterzumachen.“ Voraussetzung ist natürlich auch, dass man trainiert hat. Der Wille alleine reicht dann doch nicht, um ein paar Tausend Höhenmeter runterzureißen. Wobei es im Detail sehr aufs Tempo ankommt, was möglich ist und was nicht. Radsportler mit vielen Lebenskilometern können auch aus dem Stand ziemlich große Brocken befahren, wie etwa die 2.200 Höhenmeter zum Teide auf Teneriffa im Rahmen eines Frühjahrstrainingslagers. Mit einer Überdosis Kletterei aus dem Nichts kann man sich aber auch übernehmen und sich schmerzhafte Reizungen von Bändern oder Muskulatur zuziehen. Das kann den Formaufbau deutlich bremsen.
Beizeiten Berge zu befahren und sich dabei langsam zu steigern, ist die bessere Strategie als spontane Gewaltaktionen. So praktiziert es auch Joe, der im heimischen Revier zunächst Anstiege von 200 bis 300 Höhenmetern unter die Räder nimmt und auch auf Zwift die mentale Härte trainiert, am Ball zu bleiben, selbst wenn die Steigung nur virtuell ist. „Draußen fahre ich allerdings deutlich lieber als auf der Rolle“, sagt Joe. Das Indoor-Training gibt ihm jedoch die Möglichkeit, schon vor der Arbeit ab fünf Uhr morgens eine Drei-Stunden-Einheit zu absolvieren.
Für die Bergauffahrt sieht sich Joe grundsätzlich gut gerüstet. „Als ich mit dem Radsport begann, hatte ich Rückenprobleme bei längeren Anstiegen, aber seit ich mit Physiotherapeuten arbeite und meine Übungen mache, ist das kein Thema mehr“, beschreibt er seine Ausgangsposition. Verbesserungspotenzial sieht er für sich vor allem bei den Abfahrten des Ötztaler. „Da kann ich sicher noch zulegen“, glaubt Joe. Die Fahrtechnik bergab wird daher Teil seines Bergcamps im Mai am Gardasee sein, bei dem er an richtig langen Anstiegen auch üben wird, bergab einen guten Flow zu entwickeln. Zügig, sicher und energiesparend ins Tal zu kommen, ist in der Gesamtfahrzeit des Ötztaler Radmarathons kein riesiger Posten, die Zeiten werden bergauf gemacht. Aber insgesamt kommen doch rund zwei Stunden zusammen.
Mit der richtigen Fahrtechnik macht es mehr Spaß, und sie gibt Sicherheit. Dass dabei auch einige Fahrzeit einzusparen ist, ist für einen Hobbyfahrer wie Joe ein willkommener Nebeneffekt. Mit welchen Kniffen und welchem Training die Berge auf machbares Format schrumpfen, erklären wir in Ihnen hier.