Keep it simple: Während die namhafte Konkurrenz aus den USA ihre Marathonräder mit Federkonzepten ausstattet - zuletzt hat Specialized das Roubaix überarbeitet - bleibt sich Giant beim neuen Defy treu. Die neueste Generation ist weiter ein unprätentiöses Langstrecken-Modell, das durch Rahmenkonstruktion und Carbon-Bauteile einen hohen Fahrkomfort verspricht. Im Vergleich zum Vorgänger hat das Defy zudem abgespeckt. Dank größerer Reifenfreiheit ist die Neuheit noch besser für ruppigeres Terrain gewappnet. Anleihen vom Wettkampfrad Propel gibt’s ebenfalls.
Der taiwanesische Branchenriese bezeichnet das Konzept des Defy als “funktionelle Einfachheit” und schärft die Stärken des Vorgängers. Auch ohne Federsysteme will das Marathonrad Unebenheiten besser als das alte Modell glätten. Dafür verantwortlich zeichnen sollen neue Carbon-Anbauteile: die abgeflachte Sattelstütze (D-Fuse SLR/SL), die sich unterhalb der Sattelklemmung verjüngt, und der ergonomisch geformte Lenker (Contact D-Fuse SLR/SL). Laut Herstellerangabe soll das Defy damit am Heck um zehn Prozent, an der Front sogar um 40 Prozent besser federn. Die serienmäßigen Tubeless-Reifen mit 32 Millimetern unterstützen das Komfortkonzept zusätzlich. Optional lassen sich bis zu 38 Millimeter breite Pneus aufziehen, womit Ausflügen ins Gelände nichts mehr im Weg steht.
Beim Gewicht setzt Giant dagegen den Rotstift an und setzt den neuen Marathon-Allrounder auf Diät. Je nach Carbonqualität sollen die drei unterschiedlichen Rahmen-Sets aus taiwanesischer Produktion zwischen 117 und 228 Gramm leichter geworden sein. Der Top-Rahmen des Advanced SL soll in Größe M lediglich 785 Gramm auf die Waage bringen. Ein beeindruckender Wert, den selbst hochwertige Wettkampfräder nicht erreichen. Gabel, Sattelstütze und Lenker tragen ebenfalls zum geringeren Gewicht bei.
Im TOUR-Labor hing das Top-Modell in Rahmengröße ML mit 7,1 Kilogramm an der Waage. Damit ist das Defy für ein Marathonrad nicht nur bemerkenswert leicht, sondern sogar leichter als das neue Canyon Endurace CFR oder das kürzlich vorgestellte Specialized S-Works Roubaix. Entsprechend agil fährt sich das Advanced SL, das sich fast mühelos beschleunigen lässt und gepaart mit einer sportlicheren Sitzposition als beim Vorgänger auch ein gutes Wettkampfrad abgibt. Im Gegensatz zu den mitunter unnachgiebigen Racern federt das Giant außerdem exzellent. Vor allem im Sattel ist von unliebsamen Vibrationen oder Stößen kaum etwas zu spüren. Am Lenker ist der Komfortgewinn zwar weniger ausgeprägt. Durch die vergleichsweise breiten Tubeless-Reifen, die wir mit rund 3 Bar gefahren sind, ruckelt aber auch an der Front kaum etwas.
Insgesamt zeigt die Neuheit keine nennenswerte Schwäche. Wenn man das Haar in der Suppe suchen will, kann man das etwas biedere Design bemängeln. Doch das ist bekanntlich Geschmackssache. Randonneure könnten ein Staufach für ein Pannenset oder Anschraubpunkte für eine kleine Rahmentasche vermissen. Giant spendiert dem Defy lediglich Ösen für die Montage von optional erhältlichen Schutzblechen.
Um das geringe Gesamtgewicht zu erzielen, verzichten die Taiwaner auf eine Aero-Optimierung, wie sie sporadisch auch im Marathon-Segment angekommen ist. Einzig die Lenker-Vorbau-Kombi mit integrierter Leitungsführung deutet daraufhin, dass das neue Giant etwas schneller als das alte Modell ist. Den Vorbau (Contact Aerolight SLR/SL) übernehmen das Advanced SL und Advanced Pro in modifizierter Form vom Propel. Heißt: Mithilfe von zweigeteilten Spacern lässt sich dieser relativ unkompliziert in der Höhe verstellen, ohne die Bremsleitungen kürzen zu müssen. Beim Basis-Modell Advanced ist die Wartung noch einfacher, da die Leitungen unterhalb des Lenkers liegen und wie bei den teureren Ausstattungsvarianten unter dem Vorbau ins Steuerrohr geführt werden.
Auf den deutschen Markt kommt das Defy in fünf Ausstattungsvarianten. Bis auf das Basismodell schalten sich alle Modelle elektronisch mit Gruppen von SRAM oder Shimano. Die Übersetzungen sind bergtauglich und kommen teilweise sogar mit Untersetzung. Das leichte Top-Modell Advanced SL 0 ist hochwertig mit Red AXS und Vollcarbon-Laufrädern der Eigenmarke Cadex ausgestattet, hat dafür mit 11.999 Euro allerdings auch einen stolzen Preis. Die Basisversion Advanced 2 für 2899 Euro schaltet als einziges Modell mechanisch mit 105 und ist mit einem einfachen Alu-Laufradsatz ausgestattet.