Julian Schultz
· 04.06.2024
Die meisten und besten Bilder aus Frankreich liegen der TOUR-Redaktion bislang vom neuen Trek vor. Kein Wunder, schließlich pilotierte Mads Pedersen (Dänemark) das bislang unveröffentlichte Modell bei der ersten Etappe in Saint-Pourçain-sur-Sioule zum Sieg.
Das neue Arbeitsgerät von Pedersen & Co. sortiert sich zwischen dem aerodynamischen Madone sowie leichtem Émonda ein und könnte künftig die Mehrere-Rad-Strategie bei Lidl-Trek obsolet machen. Bislang waren die Profis des US-Rennstalls vornehmlich auf dem Madone unterwegs, das Émonda kam nur auf anspruchsvollen Bergetappen zum Einsatz.
Kurios: Auf dem Oberrohr der Neuheit ist ein Aufkleber mit beiden Modellnamen zu erkennen. Trek will vermutlich selbst etwas die Gerüchteküche schüren. Eigentlich wäre ein Update des Émonda logischer, da das aktuelle Modell bereits seit 2020 auf dem Markt ist. Das Madone wurde letztmals vor zwei Jahren überarbeitet, ebenfalls kurz vor dem Saisonhöhepunkt. Trek äußerste sich bislang nicht zum “Madonda”.
Das Rahmen-Set fällt deutlich konventioneller aus als beim aktuellen Madone. Zwar übernimmt die Neuheit das futuristische Isoflow-Design am Sitzrohr, insgesamt sind die Rohrformen aber weniger in die Länge gezogen sind. Damit dürfte das neue Modell nicht an die aerodynamische Performance des Madone SLR9 AXS (207 Watt) herankommen, aber wohl etwas an Gewicht sparen und dem UCI-Gewichtslimit näher kommen. Das bisherige Top-Modell hing mit 7,5 Kilogramm an der TOUR-Waage, speziell der Rahmen (1158 Gramm) fällt gegenüber der jüngsten Aero-Konkurrenz recht schwer aus.
Über den Fahrkomfort lässt sich natürlich ebenfalls nur spekulieren. Gut möglich aber, dass Trek (endlich) eine größere Reifenfreiheit zulässt, wovon die Neuheit auf rauem Untergrund profitieren würde. Sowohl das Madone als auch das Émonda sind nur für 28-Millimeter-Pneus freigegeben. Das Lidl-Trek-Team war beim Dauphiné-Auftakt mit 28 Millimeter breiten Pirelli P Zero Race unterwegs, die auf Bontragers Aero-Laufradsatz Aeolus RSL montiert waren. Die Gänge wechselten Pedersen & Co. mit der neuen SRAM Red AXS.
Bereits rund um das Formel-1-Rennen in Monte Carlo tauchten Bilder eines neuen Canyon Aeroad im Netz auf, nachdem Markenbotschafter Valtteri Bottas damit durchs Fahrerlager fuhr. Eine Woche später verdichten sich die Anzeichen, dass die Koblenzer kurz vor dem Launch eines neuen Aero-Allrounders stehen. Bei der Dauphiné waren einzelne Movistar-Fahrer auf der Neuheit unterwegs, die durch die Modellbezeichnung am Oberrohr auch astrein als Aeroad zu erkennen ist.
Die Updates zum aktuellen Racer fallen auf den ersten Blick gering aus. Die markanteste Änderung ist am Steuerrohr zu erkennen, das insgesamt etwas länger ausfällt und vermutlich etwas schmaler ist als am aktuellen Aeroad. Auch die Gabelscheiden wirken minimal in die Länge gezogen, wodurch das Canyon aerodynamisch profitieren könnte. Viel dürfte allerdings nicht mehr möglich sein, schließlich zählt das aktuelle Top-Modell mit 204 Watt im TOUR-Test bereits zu den schnellsten Rädern und muss nur dem Simplon Pride II (199 Watt) und Storck Aerfast.5 bzw. Aerfast.4 (beide 201 Watt) den Vortritt lassen.
Wie Trek verriet auch Canyon bislang nichts zum neuen Rad, das sich in einem weiteren Detail vom aktuellen Modell unterscheidet: Die Ausfallenden an Gabel und Rahmen sind erstmals einlaminiert. Zudem tauchten im Internet Bilder über eine neue Sattelklemmung auf. War diese bislang ins Sitzrohr integriert, wandert diese nun ans Oberrohr.
Bislang waren nur die Movistar-Profis mit dem unveröffentlichten Rad unterwegs, das Team Alpecin-Deceuninck absolvierte die ersten beiden Etappen der Dauphiné auf dem alten Aeroad. Spätestens bei der Tour de France dürften aber beide Mannschaften auf die Neuheit setzen, die wie der Vorgänger viele Etappenprofile abdeckt. Das leichtere, aber langsamere Ultimate CFR wird man deshalb vermutlich nur noch im Hochgebirge zu sehen bekommen.
Pinarello zaubert kurz vor der Frankreich-Rundfahrt, die am 29. Juni in Florenz startet, ebenfalls eine Neuheit aus dem Hut. Zumindest deuten die Bilder von der Dauphiné auf ein leicht modifiziertes Dogma F hin. Der Race-Allrounder ist das Arbeitsgerät bei Ineos Grenadiers und zeichnete sich bislang durch einen gesunden Mix aus Aerodynamik und Leichtbau aus.
Das offiziell unveröffentlichte Modell ähnelt sehr dem drei Jahre alten Dogma F. Wie beim Canyon Aeroad haben die Entwickler speziell an der Front Hand angelegt und das Steuerrohr tiefer gestaltet. Der italienische Traditionshersteller erhofft sich dadurch eine bessere Aerodynamik, indem das Bauteil den Segeleffekt ausnutzt und das Rad bei Seitenwind schneller machen dürfte. Bereits das aktuelle Wettkampfrad aus Treviso ist mit 208 Watt pfeilschnell - und mit insgesamt sieben Kilogramm im Aufbau mit Shimano Dura-Ace und hochwertigen DT-Swiss-Laufrädern nah am UCI-Gewichtslimit.
Das zweitklassige Team Uno-X Mobility, das wie im Vorjahr per Wild Card für die Tour de France startberechtigt ist, zeigte beim Criterium du Dauphiné ebenfalls ein bislang unveröffentlichtes Rad. Im Gegensatz zum bisherigen Arbeitsgerät, dem VRSu, kommt die mutmaßliche Neuheit aerodynamischer daher.
Wie auf aktuellen Rennbildern zu erkennen ist, dürften die Ingenieure des norwegischen Herstellers das Technikreglement der UCI fast vollständig ausgereizt haben, indem sie dem Aero-Boliden ein extrem flächiges Steuerrohr spendierten. In ähnliche Dimensionen stießen bislang nur Simplon mit dem Pride II und Storck mit dem Aerfast.5 vor. Auch die Gabel ist flächiger als bei der bisherigen Rennmaschine. Auf den ersten World-Tour-Sieg musste die Neuheit wie auch das Trek nicht lange warten: Magnus Cort Nielsen (Uno-X Mobility) steuerte das Dare auf der zweiten Etappe von Gannat zum Col de la Loge zum Sieg.
Last but not least: Mit Wilier hat ein weiterer Fahrradbauer eine Neuheit in petto. Im Internet kursieren Fotos eines Modells in Tarnlackierung, das am ehesten auf einen Nachfolger des leichten Zero SLR schließen lässt. Im Vergleich zum schnelleren Filante SLR wirkt das unveröffentlichte Rad, das vom Team Groupama-FDJ bislang noch nicht im Rennen eingesetzt wurde, weniger aerodynamisch. Bei den Italienern muss das aber nicht unbedingt etwas heißen: Auch das Filante kommt gemessen an aktuellen Aero-Spezialisten relativ bieder daher, ist mit 214 Watt aber in Schlagdistanz zum besten Material.
Ein interessantes Detail verbirgt sich auf dem Unterrohr: Wie auf dem UCI-Label zu erkennen ist, bekommt das neue Wilier eine neue Modellbezeichnung. “Wilier Vert” ist dort aufgedruckt. Als Abkürzung für “Vertical”? Ein paar Fragezeichen bleiben demnach noch bis zur Tour de France, bei der man alle Modelle mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erneut zu Gesicht bekommt und die Hersteller bis dahin vermutlich auch offiziell die Räder präsentiert haben werden.