FahrradmarktVom Mangel zum Überangebot?

TOUR Redaktion

 · 08.02.2023

Fahrradmarkt: Vom Mangel zum Überangebot?Foto: Adobe Stock

Steigende Preise und leere Lager haben die vergangenen Jahre im deutschen Fahrradhandel geprägt. Jetzt mehren sich die Anzeichen, dass sich der Markt dreht. TOUR hat bei Branchenvertretern nachgefragt.

Ryan McMillan - CEO BikeExchange

Ryan McMillan - CEO BikeExchangeFoto: BikeExchange
Ryan McMillan - CEO BikeExchange

“Die Lage am deutschen Fahrradmarkt hat sich in den letzten Monaten spürbar geändert. Während zu Saisonbeginn im Mai die Lager der teilnehmenden BikeExchange-Händler ziemlich leer waren, hat sich im Herbst die Bestandssituation für Konsumenten deutlich verbessert und aktuelle Fahrräder und E-Bikes sind wieder sofort verfügbar. Für viele Händler bedeutet dieser Umschwung in einer Zeit ­mit niedriger Nachfrage, dass sie die erhöhten Warenbestände zügig abverkaufen müssen, sodass der Preisdruck am Markt steigt. Deswegen sind Händler aktuell eher gewillt, Kunden mit Rabatten zu locken.”


Sebastian Tegtmeier - Director of Customer Experience ­bike-components.de

Sebastian Tegtmeier - Director of Customer Experience ­bike-components.deFoto: bc GmbH
Sebastian Tegtmeier - Director of Customer Experience ­bike-components.de

“Nach den Boomjahren 2020 und 2021 ist die Branche aktuell mit dem absoluten Gegenteil konfrontiert, was der Onlinehandel, als direktes Glied zwischen Industrie und Kunden, zuerst zu spüren bekommen hat. Neben der konjunkturbedingten Zurückhaltung im Konsum sind es auch die Signale seitens der Produzenten, die nachdenklich stimmen: Es ist schon jetzt viel zu viel Ware im Markt und auf Seiten der OEM-Zulieferer (Erstausrüster, Anm. d. Red.) steigt die Zahl der Stornierungen.”

“Am Ende führt dies zu Preiskämpfen, die zwar für den Verbraucher kurzfristig attraktiv sein mögen, aber mittelfristig und zwangsläufig zur Folge haben werden, dass nicht alle Marken, Hersteller und Händler diese Krise überleben werden. Da speziell rund um den Black Friday viele Händler aktuelle Ware unterhalb des Händlereinkaufspreises an Endkunden verkauft haben und noch immer große Mengen im Markt sind, glaube ich nicht, dass sich die Preise noch viel weiter nach unten bewegen, aber auch nicht, dass sie sich kurzfristig erholen werden.”



Andrés Martin-Birner - CEO und Mitgründer von BIKE24

Andrés Martin-Birner - CEO und Mitgründer von BIKE24Foto: Bike24 Pinzer
Andrés Martin-Birner - CEO und Mitgründer von BIKE24

“Obwohl natürlich auch wir das verhaltene Konsumklima spüren, sehen wir mittel- und langfristig weiterhin einen positiven Trend im europäischen Fahrradmarkt, im hochwertigen Bereich sehen wir das auch kurzfristig. Denn gerade die gestiegenen Kosten fürs Tanken führen dazu, dass die Beliebtheit des Fahrrads auch für Alltagsfahrten weiter zunimmt. Die Preise für Fahrräder und Zubehör werden voraussichtlich leicht steigen.”



Burkhard Langen - Radhändler Langens Schöne Welten

“Bei den meisten Händlern wird erst seit kurzer Zeit die bestellte Ware aus 2022 und teilweise auch noch aus 2021 geliefert. Die Saison ist vorbei, die Händler können ihre Ware nicht verkaufen und müssen die ­Hersteller bezahlen. Sie benötigen Liquidität, das heißt, sie werden ihre Ware gnadenlos reduzieren. Das wird Auswirkungen auf den gesamten Markt mit sich bringen: Alle Händler werden mit Margensenkungen und Preisschlachten zu kämpfen haben. Dem Fahr­radhandel steht eine schwierige Zeit bevor.”


Fahrradmarkt: Mehr Räder, mehr Rabatt

Bikeexchange.de ist ein ­Online-Marktplatz für Fahr­räder, Teile und Zubehör, auf dem bis zu 350 Händler ­Produkte von rund 330 verschiedenen Marken anbieten. Im Zeitraum zwischen Mai 2022 und November 2022 ­haben sich Angebot und Nachfrage deutlich verändert:

Die Zahl der angebotenen Fahrräder hat um 90 % zugenommen. Gleichzeitig sind die gewährten Rabatte von durchschnittlich 2,8 auf 9,2 % gestiegen.