Das Falcn RS war gerade frisch ins Testlabor gerollt und wartete auf die Prüfstandsmessungen, da zog es schon neugierige Blicke auf sich – besonders die auffällige Lackierung, die aus dem allgegenwärtigen schwarzen Einerlei heraussticht, weckte das Interesse. Weil TOUR für Rennräder aber keinen Designpreis vergibt, sondern Noten anhand der technischen Eigenschaften, schnappten sich dann doch die Tester das neue Rad und unterzogen es einem ausführlichen Praxis- und Labortest.
Der Modellname deutet darauf hin: Das Falcn RS versteht sich als astreine Wettkampfmaschine, welche die Schnelligkeit eines Aero-Boliden mit der Leichtigkeit eines Bergrenners kombinieren will. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch die Konkurrenz. Prominente Beispiele wie das Cannondale SuperSix (TOUR 6/2023), Giant Propel (TOUR 9/2022), Pinarello Dogma F (TOUR 12/2021) oder Specialized Tarmac (TOUR 11/2023) bestätigen den Trend, dass hochgezüchtete Race-Modelle die Aero-Spezialisten und Leichtrenner verdrängen.
Mit 215 Watt für 45 km/h erreicht das neue Ridley fast das Niveau des Stallgefährten Noah Fast (TOUR 1/2019), mit schnelleren Referenzlaufrädern und 212 Watt überflügelt es den in die Jahre gekommenen Aeroflitzer der Belgier sogar. Im Vergleich mit den besten Race-Allroundern ist das Falcn RS jedoch ein paar Watt langsamer. Auf der Waage zeigt sich ein ähnliches Bild: Zwar ist das Rahmen-Set um etwa 350 Gramm leichter als das des Noah Fast, vergleichbare Alleskönner wiegen aber noch etwas weniger. 955 Gramm für den Rahmen und 405 Gramm für die Gabel sind ordentliche Werte, um 7 Kilo dürften mit Top-Ausstattung machbar sein. In der Testkonfiguration mit SRAM-Force-Gruppe und nicht ganz leichten, aber pfeilschnellen Laufrädern von DT Swiss hing das Ridley mit 7,4 Kilogramm an der TOUR-Waage.
In freier Wildbahn fliegt der schnelle Falke ab den ersten Metern über den Asphalt. Die Sitzposition ist sportlich aggressiv, Sattel und Lenker sind bequem, die Reifen schnell, was will ein Rennfahrerherz mehr. Typisch für die Klasse ist die rennmäßige Sitzposition; die Steuerzentrale fällt schmal aus und bringt den Fahrer in eine aerodynamische Haltung. Die Carbonstütze federt gut.
Allerdings offenbart das Rad bei flotterer Gangart im Sattel beziehungsweise am Lenker eine spürbare Schwäche, die sich auch in Messwerten und folglich in der Note niederschlägt. Die Steifigkeitswerte des gesamten Rahmen-Sets (an Lenkkopf, Tretlager und Gabel) liegen etwa 30 Prozent unterhalb der Werte, die für moderne Rennräder üblich sind. Im Antritt spürten unsere eher leichten Testfahrer, die auch mit Rad deutlich unter dem zulässigen Systemgewicht von 110 Kilogramm bleiben, zwar keine Auffälligkeiten. Schnelle Kurven quittiert das Ridley jedoch mit schwammigem Lenkverhalten und mahnt zu langsamerer Fahrt. Die Reifen verstärken nach unserem Eindruck das unsichere Fahrgefühl: Durch das ausgeprägte Längsprofil der Vittoria Corsa Pro ist das Rennrad in Schräglage schwer kontrollierbar.
Ein interessantes Detail stellt das hintere Ausfallende dar: Das Falcn RS ist mit dem UDH-Standard ausgestattet, einem an der Steckachse befestigten Schaltauge. Das Schaltwerk soll dadurch bei Stürzen besser geschützt sein und sich einfacher einstellen lassen. Bislang kommt die Technik hauptsächlich an Mountainbikes zum Einsatz.
Bleibt noch die auffällige und schön gemachte Lackierung, die aber, wen wundert’s, in dieser Form leider aufpreispflichtig ist. Positiv formuliert: Wie bei anderen Komplettradherstellern auch, lässt sich das Ridley individuell lackieren. Neun Designs und bis zu 95 Farben stehen zur Wahl, die Heritage-Version des Testrads in Candy Red Metallic gibt es für 450 Euro. Mit Funkschaltung von SRAM, Aero-Laufrädern von DT Swiss und Carbonsattel von Selle Italia summieren sich die Aufpreise auf 2580 Euro, womit das Ridley knapp unter 10000 Euro liegt. Das Basismodell mit Shimanos 105 Di2 startet bei 6999 Euro.