TOUR-Favoriten-CheckWer gewinnt Paris-Roubaix 2023?

Thomas Goldmann

 · 07.04.2023

Favoriten für Paris-Roubaix 2023: Mathieu van der Poel
Foto: Getty Velo

Mit Paris-Roubaix wartet am Sonntag “Die Königin der Klassiker”. TOUR blickt auf die Favoriten für das dritte Radsport-Monument des Jahres.

Für viele Fans ist Paris-Roubaix der Superbowl des Radsports, das wichtigste Eintagesrennen oder auch - wie von vielen genannt - “Die Königin der Klassiker”. Die Flandern-Rundfahrt am vergangenen Wochenende hat bereits einen Vorgeschmack geliefert, wie Paris-Roubaix laufen könnte. Allerdings unterscheidet sich das Rennen in Nordfrankreich wesentlich von dem in Belgien: Es gibt keine nennenswerten Anstiege (sogenannte Hellingen) und das Kopfsteinpflaster ist wesentlich gröber als das in Flandern.

Somit handelt es sich bei den Favoriten zwar mehr oder weniger um die üblichen Verdächtigen, es kommen aber noch ein paar andere Spezialisten dazu und die Gewichtung ändert sich. Tadej Pogacar (UAE Team Emirates), der Sieger der Flandern-Rundfahrt, steht nicht am Start. Dadurch rücken seine beiden größten Widersacher Mathieu van der Poel (Alpecin-Deceuninck) und Wout van Aert (Jumbo-Visma) in die Rolle der Top-Siegesanwärter. TOUR ordnet die Favoriten nach Sternen. Je mehr Sterne ein Fahrer bekommt, desto höher ist er einzuschätzen.*


Die TOUR-Favoriten für Paris-Roubaix im Überblick

***** Mathieu van der Poel, Wout van Aert

**** Filippo Ganna, Stefan Küng, Mads Pedersen

*** Dylan van Baarle, Christophe Laporte, Nils Politt, Kasper Asgreen

** Matej Mohoric

* Yves Lampaert, Florian Senechal, John Degenkolb, Alexander Kristoff, Jasper Stuyven, Florian Vermeersch, Arnaud De Lie, Sep Vanmarcke, Ivan Garcia


***** Mathieu van der Poel (Alpecin-Deceuninck)

Mathieu van der PoelFoto: Getty Velo
Mathieu van der Poel

Der Niederländer war am vergangenen Sonntag derjenige, der Pogacar am längsten Paroli bieten konnte. In Abwesenheit des zweimaligen Tour-de-France-Siegers ist er damit der heißeste Anwärter auf den großen Pflasterstein. Allerdings war Paris-Roubaix in der Vergangenheit noch nicht die große Liebe von van der Poel. Bei der Ausgabe 2021, bei der die Fahrer das Ziel mit schlammverschmierten Gesichtern erreichten, wurde der Alpecin-Profi Dritter. Im Vorjahr reichte es zu Platz neun.

***** Wout van Aert (Jumbo-Visma)

Wout van AertFoto: Getty Velo
Wout van Aert

Auch van Aert konnte in der Vergangenheit noch nicht vollends bei Paris-Roubaix überzeugen. Sein bestes Ergebnis ist der 2. Platz aus 2022, als er den Sprint der ersten Verfolgergruppe hinter Dylan van Baarle gewann. 2021 war van Aert Siebter, 2019 22. und 2018 13. Nach der Enttäuschung mit Platz vier bei der Flandern-Rundfahrt ist der Druck auf den Belgier bei Paris-Roubaix enorm. Rein von ihren Fähigkeiten her sollten er und van der Poel stärker als der Rest des Pelotons sein. Christophe Laporte und Vorjahressieger van Baarle bieten seinem Team Jumbo-Visma weitere Optionen auf den Sieg.

**** Filippo Ganna (Ineos Grenadiers)

Filippo GannaFoto: Getty Velo
Filippo Ganna

Der Zeitfahrspezialist und Stundenweltrekordler ist mit 1,93 Metern und 83 Kilogramm wie gemacht für Paris-Roubaix. Er hat “einen großen Motor”, wie man im Radsport-Jargon sagt. Grob gesagt ist damit gemeint, dass ein Fahrer über lange Distanzen ein hohes Tempo fahren kann. Genau das ist bei Paris-Roubaix gefragt. Ganna hat das Kopfsteinpflasterrennen in Nordfrankreich zum Hauptziel seiner Klassikerkampagne ausgerufen und die Flandern-Rundfahrt ausgelassen. Bei Mailand-San Remo stellte der Italiener mit Platz zwei unter Beweis, dass er nicht nur Zeitfahren kann. In Sachen Steuerkünste und Antrittsschnelligkeit muss er Abstriche gegen van der Poel und van Aert machen. Deshalb gibt es einen Stern weniger.

**** Stefan Küng (Groupama-FDJ)

Stefan KüngFoto: Getty Velo
Stefan Küng

Der Schweizer hat einen ähnlich “großen Motor” wie Ganna und stand im letzten Jahr bereits als Dritter auf dem Podium in Roubaix. Rang sechs bei der Flandern-Rundfahrt zeugt von einer guten Form des Zeitfahr- und Klassikerspezialisten. Wenn er van der Poel und van Aert schlagen will, müsste er sie abhängen, denn im Sprint wird es gegen die beiden Ausnahmekönner schwierig für Küng.

**** Mads Pedersen (Trek-Segafredo)

Mads PedersenFoto: Getty Velo
Mads Pedersen

Die Form stimmt auch beim sprintstarken Dänen, der Dritter bei der Flandern-Rundfahrt wurde. Dort bewies er taktisches Geschick, als er die Gruppe erwischte, die zwischendurch einen großen Vorsprung auf die anderen Favoriten herausfuhr und von der sich Pedersen später nochmal absetzen konnte. Erst am Oude Kwaremont wurde der Däne von Pogacar förmlich überrollt, sicherte sich aber im Sprint der Verfolgergruppe einen Podiumsplatz. Diese Zähigkeit könnte ihn auch bei Paris-Roubaix ganz vorne landen lassen.

*** Dylan van Baarle (Jumbo-Visma)

Dylan van BaarleFoto: Getty Velo
Dylan van Baarle

Der Titelverteidiger wäre normalerweise noch höher einzuschätzen, doch hinter van Baarle stehen mehrere Fragezeichen. Der Niederländer gab zunächst bei Tirreno-Adriatico und dann auch den E3 Harelbeke nach einem Sturz auf. Zudem hat er nicht die Chefrolle in seinem Team. Van Baarle ist eine von mehreren Optionen von Jumbo-Visma, allerdings wohl nicht auf dem Leistungsniveau eines Wout van Aert.

*** Christophe Laporte (Jumbo-Visma)

Christophe LaporteFoto: Getty Velo
Christophe Laporte

Genau wie van Baarle ist Laporte von der Taktik seines Teams Jumbo-Visma abhängig. Wenn er freie Fahrt bekommt, ist der Gewinner von Gent-Wevelgem und Quer durch Flandern ein Siegkandidat. Wahrscheinlicher ist aber, dass er seine eigenen Ambitionen zurückstellen muss.

*** Nils Politt (Bora-Hansgrohe)

Nils PolittFoto: Getty Velo
Nils Politt

Der Kapitän von Bora-Hansgrohe bekam von TOUR bei der Flandern-Rundfahrt nur einen Stern, hier sind es zwei mehr. Warum? Paris-Roubaix hat keine Hellingen und liegt dem deutschen Klassikerspezialisten deutlich besser als die Ronde. 2019 schnupperte Politt mit Platz zwei bereits am Sieg. Sein Handicap: Der Kölner ist zu oft zur falschen Zeit am falschen Ort, wie bei der Flandern-Rundfahrt, als die Gruppe des Tages um Mads Pedersen ohne Politt wegfuhr. Der 29-Jährige hat eine Top-Platzierung bei Paris-Roubaix in den Beinen. Dafür braucht er aber etwas mehr Glück und Geschick als zuletzt.

*** Kasper Asgreen (Soudal - Quick Step)

Kasper AsgreenFoto: Getty Velo
Kasper Asgreen

In der Vergangenheit hat Soudal - Quick Step Paris-Roubaix oft nach Belieben dominiert. In diesem Jahr gehen die Belgier als Außenseiter an den Start. Die größte Hoffnung ist Kasper Asgreen. Der Däne zeigte bei der Flandern-Rundfahrt aufsteigende Form und erzielte mit Platz sieben zumindest ein Ehrentor für die Equipe von Patrick Lefevere. In Roubaix ist mit einer ähnlich cleveren Fahrweise ein noch besseres Ergebnis drin.

** Matej Mohoric (Bahrain-Victorious)

Matej MohoricFoto: Getty Velo
Matej Mohoric

Der Slowene war 2022 bereits Fünfter bei Paris-Roubaix und wäre somit ein Kandidat fürs Podium. Nach Stürzen bei Gent-Wevelgem und der Flandern-Rundfahrt steht allerdings ein Fragezeichen hinter seiner körperlichen Verfassung.

* Yves Lampaert (Soudal - Quick Step)

Yves LampaertFoto: Getty Velo
Yves Lampaert

Mit dem Belgier ist bei Paris-Roubaix immer zu rechnen. Als Dritter 2019 und Fünfter 2021 weiß Lampaert, wie er bei diesem Klassiker vorne landet. Allerdings hat der 31-Jährige aus Izegem nicht den gleichen Druck auf dem Pedal wie noch vor zwei Jahren.

* Florian Senechal (Soudal - Quick Step)

Florian SenechalFoto: Getty Velo
Florian Senechal

Der französische Straßenmeister war schon in den Top 10 bei Paris-Roubaix, fährt seiner Form aber genau wie Lampaert hinterher. Deshalb dürfte es auch dieses Jahr maximal für einen Platz unter den besten Zehn reichen.

* John Degenkolb (Team DSM)

John DegenkolbFoto: Getty Velo
John Degenkolb

Die Zeiten, in denen der Deutsche als einer der Top-Favoriten für Paris-Roubaix genannt wurde, sind vorbei. Ihn komplett abzuschreiben wäre aber auch falsch. Platz 19 bei der Flandern-Rundfahrt zeugt von einer guten Form. Zudem dürfte der 34-Jährige bei Paris-Roubaix, das er 2015 gewann, besonders motiviert sein. Mit etwas Rennglück und taktischer Cleverness ist für ihn immer noch ein Top-Resultat drin.

* Alexander Kristoff (Uno-X Pro Cycling Team)

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Alexander Kristoff

Ähnlich wie Degenkolb hat Kristoff den Zenit seiner Karriere mit 35 Jahren bereits überschritten. Der Wechsel in seine Heimat Norwegen zu Uno-X Pro Cycling scheint bei ihm aber nochmal Kräfte freigesetzt zu haben. Sein Etappensieg bei der Algarve-Rundfahrt im Februar war à la bonne heure. Und Kristoff hat noch eine Rechnung mit Paris-Roubaix offen. Bei zwölf Starts war ein neunter Platz 2013 sein bestes Ergebnis.

* Jasper Stuyven (Trek-Segafredo)

Jasper StuyvenFoto: Getty Velo
Jasper Stuyven

Nach Mads Pedersen die zweite Option von Trek-Segafredo. An Glanztagen, wie bei Mailand-San Remo 2021, kann Stuyven sogar Monumente gewinnen. Auf einen ähnlichen Coup am kommenden Sonntag deutet aktuell nicht viel hin. Rang zehn bei der Classicissima und bei Kuurne-Brüssel-Kuurne sind die besten Ergebnisse des Belgiers im Jahr 2023.

* Florian Vermeersch (Lotto-Dstny)

Florian VermeerschFoto: Getty Velo
Florian Vermeersch

Der Belgier war 2021 völlig überraschend Zweiter bei Paris-Roubaix und zeigte mit Rang zwölf bei der Flandern-Rundfahrt am vergangenen Sonntag, dass er in guter Verfassung ist. Der 24-Jährige kann ohne großen Druck drauf losfahren und ist erneut für eine Überraschung gut.

* Arnaud De Lie (Lotto-Dstny)

Arnaud De LieFoto: Getty Velo
Arnaud De Lie

Der 21-jährige Teamkollege von Vermeersch ist eines der größten Talente im Profi-Radsport, wurde nach einem fulminanten Saisonstart zuletzt aber zurück auf den Boden der Tatsachen geholt. Bei Mailand-San Remo musste De Lie erkennen, dass es bei Rennen, die länger als 200 Kilometer sind, noch nicht für ganz vorne reicht. Der junge Belgier sollte sein erstes Paris-Roubaix nutzen, um Erfahrung zu sammeln. Vielleicht fällt dabei ein Top-10-Ergebnis ab.

* Sep Vanmarcke (Israel-Premier Tech)

Sep VanmarckeFoto: Getty Velo
Sep Vanmarcke

Der Belgier war 2013 Zweiter bei Paris-Roubaix. Zehn Jahre später dürfte es mit 34 Jahren nicht mehr fürs Podium reichen, aber an einem Sahnetag kann Vanmarcke eine Spitzenplatzierung einfahren, wie er mit Platz drei bei Gent-Wevelgem erst jüngst bewiesen hat.

* Ivan Garcia Cortina (Movistar)

Ivan Garcia CortinaFoto: Getty Velo
Ivan Garcia Cortina

Ein Spanier bei Paris-Roubaix? Eine durchaus ungewöhnliche Kombination. Doch Garcia Cortina ist einer der wenigen Fahrer von der iberischen Halbinsel, die sich bei den Kopfsteinpflasterrennen gut zurechtfinden. Die Radsportwelt staunte nicht schlecht, als sein Teamkollege Matteo Jorgenson aus den USA und er beim E3 Harelbeke Rang vier und fünf einfuhren. Deshalb sollte man den Spanier am Sonntag zumindest als Außenseiter auf dem Zettel haben.


* Unsere Favoritenanalyse wurde am Donnerstag, 06.04., durchgeführt. Sollte ein Fahrer aus den unterschiedlichsten Gründen nicht am Start stehen, ist das hier nicht berücksichtigt.