Emil HerzogDer aktuelle Junioren-Weltmeister im TOUR-Porträt

Andreas Kublik

 · 26.03.2023

Ein Hausbesuch bei Nachwuchsrennfahrer Emil Herzog
Foto: Baschi Bender

Der Klimawandel hat dem Radsport ein Riesentalent beschert: Weil es in seiner Heimat Allgäu immer weniger Schnee gibt, hat sich der aktuelle Junioren-Weltmeister Emil Herzog einst gegen den Ski-Langlauf und für den Job als Radprofi auf Mountainbike und Rennrad entschieden - mit glänzenden Perspektiven.

Ein Haubesuch bei Emil Herzog

Ein weißer Wintermantel legt sich über die Hügelkuppen des westlichen Allgäus und die Höhenzüge des nahen ­Bregenzer Waldes. Aber der Mantel bekommt gerade die ersten Flecken. Es tropft und fließt, der Grund frisst sich in langsam größer werdenden braungrünen Löchern durch die Schneedecke. Die Natur an der Grenze zwischen Bayern und Vorarlberg ist dabei, das Winterkleid abzulegen - und das kurz vor Weihnachten 2022.

Zwischen Hochwinter und Frühjahr, Schneetreiben und Tauwetter, eisigem Wind und milder Föhnluft, liegen in den Zeiten des Klimawandels manchmal nur ein paar Stunden. Selbst an den kürzesten Tagen des Jahres schmilzt die tief stehende Sonne die glitzernde Glasur ratzfatz von den Wiesen und Wäldern - sehr zum Leidwesen von Emil Herzog. Der 18-jährige Allgäuer liebt die Berge - und er liebt den Schnee. Als Kind ist er direkt hinter dem Elternhaus in Simmerberg an zwei kleinen Skiliften mit seinen Freunden durch den Wald gerast und über selbst gebaute Schanzen geflogen.

Emil Herzog entschied sich einst gegen den Ski-Langlauf und für den Job als Radprofi für MTB und RennradFoto: Baschi Bender
Emil Herzog entschied sich einst gegen den Ski-Langlauf und für den Job als Radprofi für MTB und Rennrad

Sichtbarer Klimawandel

“Früher haben sie den Skilift bei 35 Zentimetern Schneehöhe eröffnet, jetzt schon bei 20 Zentimetern”, erläutert der sportbegeisterte Herzog. Und dennoch häufen sich die Tage und Winter gänzlich ohne Skibetrieb. Den Lift braucht Herzog mittlerweile nicht mehr - er stemmt sich lieber mit Muskelkraft bergwärts. Egal ob mit Langlauf- oder Tourenski, Mountainbike oder Rennrad. Aber auch die lokale Loipe, die die Gemeindeverwaltung von Weiler-Simmerberg bei ausreichender Unterlage unweit von Herzogs Elternhaus präparieren lässt, gibt es immer seltener.

“Ich mag Schnee. Es ist schon schade, dass es kaum noch welchen gibt”, klagt der junge Sportler, während er die Besucher über die Straßen seiner Heimat führt, auf denen tief im Winter das Schmelzwasser in Bächen rinnt. Sichtbarer Klimawandel.

Junioren-Weltmeister Emil Herzog

Und so hat sich Emil Herzog den Traum vom Beruf als Sportler nicht auf Schnee, sondern auf Asphalt erfüllt. Mit dem höchsten denkbaren Abschluss in der Radsportschule: Junioren-Weltmeister. Auf den Runden um die australische Küstenstadt Wollongong holte er im vergangenen September das Regenbogen­trikot im Straßenrennen - kurz nachdem er bei der Mountainbike-WM eine Medaille ­wegen eines platten Reifens knapp verpasst hatte.

Mit diesen Zeugnissen gilt der Blondschopf aus dem tiefsten Süden Deutschlands als eines der begehrtesten Radsport-Talente auf dem Markt - die weltbesten Profi-Teams und die bekanntesten Managementagenturen standen Schlange, um den Teenager unter Vertrag zu nehmen, so ist zu hören. Und dass es so gekommen ist, hat eben auch zu einem guten Teil mit dem Schneemangel im Allgäu, mit dem Klimawandel zu tun.

Emil Herzog: Ski oder Rad? Hauptsache Berge

Es hätte auch anders kommen können, denn in der Klasse U16 war Herzog Deutscher Meister im Skilanglauf, deklassierte dort die Konkurrenz regelmäßig mit raumgreifenden Skatingschritten und kräftigen Stockschüben. Es war zu Beginn des Jahres 2020, nach einem wieder einmal schneearmen Winter, als sich Herzog quasi selbst vor die Wahl stellte, wohin und über welchen Bodenbelag sein Weg führen soll.

Der Allgäuer lebt gern in der Natur, mit der Natur - letztlich auch von der Natur. “In Norwegen wäre ich vielleicht Langläufer geworden”, sagt er, der als größtes sportliches Vorbild keinen Radprofi nennt, sondern den exaltierten norwegischen Langlaufstar Petter Northug. Dessen skandinavische Heimat gilt als schneesicherer als das Allgäu. Diese Tatsache entschied letztlich über den Werdegang des jungen Mannes, der mittlerweile als weltweit bester Radsportler des Geburtsjahrgangs 2004 gelten darf.

Das Multitalent aus dem Allgäu trainiert, wann immer halbwegs möglich, im FreienFoto: Baschi Bender
Das Multitalent aus dem Allgäu trainiert, wann immer halbwegs möglich, im Freien

“Beim Langlaufen war einfach ätzend, dass es immer weniger Schnee gab. Der Aufwand fürs Training war zu groß”, erläutert Herzog einen der Gründe, ganz auf Radsport zu setzen. Statt regelmäßig eine Stunde zur eintönigen Ein-Kilometer-­Nacht­loipe in Oberstdorf zum Langlauftraining zu pendeln, setzte er sich lieber vor der Haustür aufs Rennrad oder Mountainbike. Dabei hätte er sich auch eine Karriere im Langlauf-Weltcup der Männer zugetraut. Aber die Natur und die Umstände wollten es anders.

Emil Herzog: Ein Öko als Vater

Vielleicht hat seine Entscheidung auch ein wenig damit zu tun, dass Emil Herzog aus einem speziellen Elternhaus stammt. “Unser Papa ist ein Wahnsinnsöko”, sagt Mutter Nicole und ergänzt: “Er hat uns schon vor Jahren vom Klimawandel erzählt - jetzt hören wir davon täglich in den Nachrichten.” Papa Jacques, gebürtiger Franzose, fährt die zehn Kilometer Arbeitsweg über die Hügel des Allgäus fast immer mit dem Fahrrad, bei Wind und Wetter, nur manchmal mit dem Bus. Sein Beitrag zum Klimaschutz.

Die Kinder, Emil und seine Geschwister Charlotte (16) und Karl (14), sollen möglichst viel mit dem Zug statt mit dem Auto fahren. Und so musste Emil für den Sport oft Fahrgemeinschaften organisieren, die Eltern wollten sich nicht einspannen lassen. “Wir haben ihn zur Selbstständigkeit erzogen”, sagt Nicole Herzog. Und zu Umweltbewusstsein. Als der Erstgeborene jüngst erstmals in seinem Leben privat flog, kurz nach seinem 18. Geburtstag, ins Trainingslager nach Mallorca, bestand der Papa darauf, dass der Spross dafür einen Ausgleich für die CO2-Emissionen bezahlen musste, 16 Euro. Zu wenig, findet der vormalige Erziehungsberechtigte.

Emil Herzog isst gerne - und freut sich über Fleischgerichte, die es zu Hause nur einmal pro Woche gibtFoto: Baschi Bender
Emil Herzog isst gerne - und freut sich über Fleischgerichte, die es zu Hause nur einmal pro Woche gibt

Seinen Sohn zur WM nach Australien zu begleiten wäre ihm nicht in den Sinn gekommen. Eine Radsport-WM in Australien auszurichten, obwohl die überwiegende Mehrheit der Radsportler in Europa lebt: Das sieht er, anders als der Radsportverband, nicht als Teil einer klugen Globalisierungsstrategie, sondern bewertet es als unsinnig bis verantwortungslos. Aber der Senior weiß auch: “Emil ist Teil eines Systems.” Denn der Profi-Radsport ist mit vielen Dienstreisen per Flugzeug und großem Begleittross aus Verbrennerfahrzeugen alles andere als klimaneutral, und ein Athlet muss sich damit arrangieren.

Zudem arbeitet Jacques Herzog als Ingenieur in der wenig klimafreundlichen Luftfahrt­industrie und gelangt aus diesem Grund selbst als radelnder Öko-­Aktivist irgendwann ans Ende seiner Argumente. Aber im Hause Herzog ist man durchaus zufrieden, dass der Nachwuchs an einem naturnahen und klimaschonenden Lebenswandel Gefallen gefunden hat. Ein Auto hat Emil Herzog nicht, obwohl er im hintersten Winkel der Republik wohnt. Einen Zugang zu einer Online-Trainingsplattform hat er auch nicht - eine Ausnahme unter jungen Ausdauersportlern.

Training ist draußen

Er arrangiert sich mit den Umständen, mit der Natur - auch im Training. “Ich hasse es, auf der Rolle zu fahren”, sagt er mit Blick auf den schneebedeckten Garten mit den Obstbäumen vor dem Terrassenfenster seines Elternhauses am oberen Ortsrand von Simmerberg. “Ich fahre auch bei zwei Grad und Schneeregen Rad. Wann immer es geht draußen”, sagt er und schwingt sich bei ungemütlichen ­Bedingungen aufs Rennrad, für eine kurze Fotorunde ohne Handschuhe und Überschuhe durchs Schmelzwasser.

Und noch immer versucht er, große Teile seines Wintertrainings auf Schnee zu absolvieren, wann immer möglich und vertretbar. Auch an diesem Tag, an dem er eine kurze Skitour aufs Riedberger Horn macht, für die Gäste von TOUR. Ausnahmsweise kurz.

Emil Herzog liebt es, sich im Winter die Kondition bei Skitouren in seiner Heimat zu holenFoto: Baschi Bender
Emil Herzog liebt es, sich im Winter die Kondition bei Skitouren in seiner Heimat zu holen

Unter 3000 Höhen­metern ist eine Skitour für ihn keine Skitour - oder kein richtiges Training. Und er scheut auch nicht davor zurück, sich bergab durch 50 Grad steile Rinnen am Hochgrat zu kämpfen, Nervenkitzel dank Absturzgefahr inklusive. Die Kombination aus Wintersport und Radsport ist seine persönliche Work-Life-Balance.

Emil Herzog: One-Man-Show bei der WM

Mit seinem durchaus speziellen Weg hat es Emil Herzog weit gebracht - das durfte die Welt Ende September 2022 während der Liveübertragung der Straßen-Weltmeisterschaft aus Australien sehen.

Selbst Experten verblüffte er während seiner bisher sichtbarsten Talentprobe: Als erfolgreichster Junior der vergangenen Saison und als genau beobachteter Top-Favorit war er in den wichtigsten Wettbewerb des Jahres gegangen, hatte ungünstige Konstellationen im Rennverlauf immer wieder selbst bereinigt, war schließlich im Finale zum führenden Portugiesen Antonio Morgado nach vorne gestoßen.



Und klärte dann ganz cool bei voller Fahrt die Fronten. “Ich habe ihm gesagt: Wenn er um den Titel sprinten will, muss er auch von vorne fahren”, erzählt er von dem Moment, der weltweit via TV zu hören war und der wirkte, als würde er mit dem einzig verbliebenen Rivalen über den WM-Titel verhandeln - ehe er den vermeintlich schwächelnden Konkurrenten in einem atemraubenden, extrem langen Sprint um den WM-Titel um Haaresbreite besiegte.

Emil Herzog besiegt Antonio Morgado um Haaresbreite in AustralienFoto: Getty Velo
Emil Herzog besiegt Antonio Morgado um Haaresbreite in Australien

“Brutaler Ehrgeiz”, benennt Stefan Schubert die wichtigste Eigenschaft des jungen Mannes, der einst als Zwölf­jähriger in seinem Radladen stand und sich nach Unterstützung für einen Start in der Mountainbike-Bundesliga erkundigte. Wenn Herzog stürzt, rappelt er sich auf und versucht, wieder zur Spitze vorzustoßen. Je länger Schubert über seinen einstigen Schützling spricht, desto mehr wird klar: Er ist längst ein Fan.

Ausreden suche er nie, selbst berechtigte Begründungen für einen Misserfolg höre man kaum von ihm, ergänzt sein Förderer. “Er wird nicht ­nervös, kann seine Möglichkeiten einschätzen, traut sich, etwas vor der Gruppe zu sagen und ist als Leader anerkannt”, betont Christian Schrot, der ihn zuletzt beim Junioren-Team Auto Eder für den Profisport vorbereitete. Herzog könnte dem Radsport viel geben. “Der Sport hat ihm viel Selbstbewusstsein gegeben”, hat Vater Jacques bei seinem Ältesten beobachtet.

Gute Zukunftsprognosen?

Tatsächlich ist Herzog junior wohl sehr klar in dem, was er tut - auch wenn er auf Beobachter immer mal wieder gedankenverloren und zerstreut wirkt, mit dem Smartphone auf virtuelle Reisen geht, aus denen man ihn in die Realität zurückholen muss. “Er wirkt unbedarft. Er ist einfach der Bub von nebenan”, sagt Schrot, der schon viele Talente kommen und gehen gesehen hat, aber wenige wie seinen jüngsten Top-Absolventen. “Es ist außergewöhnlich, wie vielseitig er ist. Ein richtiger Athlet, muskulös, aber auch schwerer als viele Radsportler. Und er zeigt eine Robustheit, die ihn für seinen Gewichtsbereich erstaunlich gut klettern lässt”, sagt der Trainingswissenschaftler.

Beim Zeitfahren bei der WM 2022 in Australien holte Emil Herzog die Bronzemedaille in der JuniorenklasseFoto: Getty Velo
Beim Zeitfahren bei der WM 2022 in Australien holte Emil Herzog die Bronzemedaille in der Juniorenklasse

“Emil ist ein guter Techniker, gerade bei nassen Bedingungen”, betont Schrot weiter - mutig attackiert Herzog gerne in Abfahrten hinein, rast hart am Limit bergab, liest die Rennen richtig, fährt aggressiv, offensiv, unterhaltsam.

Alles richtig gemacht?

Während sich die Radsportkenner mit günstigen Zukunftsprognosen für den Sohn überbieten, rauft sich ­Mutter Nicole, Grundschullehrerin, die Haare bei der Überlegung, ob sie mit ihrem Mann alles richtig entschieden hat. Erst ließen sie den Sohn das Gymnasium, dann zuletzt die Ausbildung bei der Polizei abbrechen. Und als Erziehungsberechtigte haben sie die Verträge für den Sohn unterschrieben, die ihn zum Profisportler ohne Berufsausbildung machen.

Dabei ist - das lehrt die Vergangenheit - ein WM-Titel bei den Junioren keine Jobgarantie im Profiradsport. Das zeigen die Geschichten der zwei Vorgänger im deutschen Nationaltrikot: Holger Loew, Titelträger 1996, konnte sich nach gesundheitlichen Problemen nie als Profi durchsetzen; Jonas Bokeloh, Überraschungsweltmeister des Jahres 2014, galt nicht als herausragendes Talent seiner Altersklasse und beendete seine Radsportkarriere im Frühjahr 2019 - ohne je wirklich Radprofi geworden zu sein.

Emil Herzog: Der Jahrgangsbeste

Doch Herzog, das ist aus der Szene eindeutig zu vernehmen, ist ein anderes Kaliber. Im Jahr 2022 war Herzog der beste Radsportler seiner Altersklasse. In seiner Saison­bilanz standen Gesamtsiege bei vier der wichtigsten Junioren-Etappenrennen (Cottbuser Junioren-Etappenfahrt, Friedensfahrt, Valromey-Tour und GP Rüebliland), dazu Siege bei den hochkarätig besetzten Eintagesrennen GP Primavera und GP West Bohemia, sowie EM-Bronze im Einzelzeitfahren plus zweimal Edelmetall bei der WM: Vor dem Gold im Straßenrennen hatte er Bronze im Kampf gegen die Uhr geholt. Die Ausbeute aus gerade einmal 28 Renntagen.

Emil Herzog sieht vom Wohnzimmer seines Elternhauses auf die Hügel des AllgäusFoto: Baschi Bender
Emil Herzog sieht vom Wohnzimmer seines Elternhauses auf die Hügel des Allgäus

Karriere mit Bedacht

Herzog weiß, was er kann und was er auf dem Markt wert ist. “Für das Mindestgehalt fahre ich nicht”, sagt er. Ein selbstbewusster Satz für einen Berufsanfänger, die im Peloton oft mit dem minimalen Einstiegsgehalt von 32.000 Euro abgespeist werden. Herzogs Zukunft als Radprofi im Trikot von Bora-Hansgrohe gilt ab 2024 als gesichert. Aber der Shootingstar plant seine Karriere mit Bedacht: Bevor er sich auf die ganz große Bühne wagt, gönnt sich der Allgäuer Aufsteiger in dieser Saison noch ein Übergangsjahr in der U23-Klasse.

Er startet für das angesehene US-amerikanische Nachwuchsteam Hagens Berman Axeon, geführt von Axel Merckx. “Ich wollte nicht direkt den Sprung in die World-Tour machen”, erläutert der Junioren-Weltmeister. Der junge Rennfahrer weiß: Das hat in den vergangenen Jahren nur ein 18-Jähriger wirklich ­geschafft - Supertalent Evenepoel feierte als extrem frühreifer Debütant auf Anhieb erste Profisiege.

Dennoch ist Teamchef Ralph Denk, bei der Bewertung von selbstbewussten Talenten eher zurückhaltend, erwartungsfroh, was die gemeinsame Zukunft angeht. “Vielleicht haben wir schon den nächsten Tom Pidcock”, sagt er. Der Brite hat sich als erfolgreicher Alleskönner in allen Radgattungen entpuppt.

Talentförderung bei Bora-Hansgrohe

Gezielte Nachwuchsarbeit und Talentförderung haben Tradition beim Profi-Team Bora-Hansgrohe. Nur ist das vielen lange gar nicht aufgefallen. Als Ralph Denk zur Saison 2010 die deutschen Medien damit überraschte, in den Wirren der kaum verjährten Dopingskandale eine Radsportmannschaft auf die Beine zu stellen, die das ehrgeizige Ziel einer Tour-de-France-Teilnahme hatte, lächelte mancher skeptisch. Längst ist das Ziel erreicht. Doch während das Scheinwerferlicht auf die Stars um Peter Sagan fiel, ackerte man im Hintergrund an der Zukunft des Radsports.

Headscout

Christian Schrot, promovierter Sportwissenschaftler, nennt sich bei Deutschlands einzigem Weltklasse-Rennstall “Head­scout” und leitet das Junioren-Team Auto Eder, das bereits seit 2007 im Hintergrund Nachwuchsfahrer fördert. Zunächst, als Mannschaft des bayerischen Radsportverbandes, vor allem Rennfahrer aus dem Freistaat.

Seit zwei Jahren ist das Team international ausgerichtet und so engagiert, dass es den hoch talentierten Belgier Cian Uijtdebroeks nach Bayern locken konnte, der in den heimischen Medien immer wieder mal mit Supertalent Remco Evenepoel verglichen wird. Uijtdebroeks gewann im vergangenen Jahr im Trikot des belgischen Nationalteams die Tour de l’Avenir, auch Tour de France für Rennfahrer bis 23 Jahre genannt.

Förderer Christian Schrot mit Emil HerzogFoto: Tharovsky
Förderer Christian Schrot mit Emil Herzog

Zwei Teams als Partner

Während der Belgier gleich von den Junioren zu den Profis von Bora-Hansgrohe wechselte, hat man für seine Nachfolger eine Lücke im Nachwuchskonzept geschlossen. Der Schritt vom hauseigenen Junioren-Team zur World-Tour­-Mannschaft wird erleichtert - mit einem geplanten Zwischenstopp in der U23-Klasse.

Ralph Denk hat dazu Kooperationsvereinbarungen mit zwei Rennställen geschlossen, die dank drittklassiger UCI-Continental-Lizenz ein gutes internationales Rennprogramm anbieten können und sich zuletzt um die Nachwuchsarbeit verdient gemacht haben: Beim Lotto-Kern Haus-Team, in Koblenz zu Hause, bekommen zunächst der sprintstarke Este Romet Pajur und Allrounder Mathieu Kockelmann aus Luxemburg ein zusätzliches Lehrjahr, in dem sie weiter vom Bora-Trainerteam betreut werden.

Tauziehen um die Hochveranlagten

Beim Team Tirol, das viele bergige Rennen in Italien bestreitet, sollen die österreichischen Talente ­Alexander Hajek und Marco Schrettl weiter ­reifen - für alle ist langfristig die Übernahme in den Profikader von Bora-Hansgrohe geplant. Emil Herzog, aktuell das größte Talent aus der U19-Förderung durch Auto Eder und Bora, hatte sich schon zuvor für ein Jahr beim US-Nachwuchsteam Hagens Berman Axeon verdingt, soll aber einen ähnlichen Weg gehen.



“Diese Generation hat nicht mehr Talent, sie ist nur früher leistungsfähig”, betont Nachwuchsförderer Schrot. Und dennoch haben die jungen Rennfahrer Defizite, die man vor dem Sprung zu den Profis beheben will. Insgesamt müssen die Top-Teams viel früher hinschauen und in das Tauziehen um die Hochveranlagten einsteigen - damit sich nicht wiederholt, was 2020 passierte: Damals schnappte das niederländische World-Tour-Team DSM den bei Auto Eder groß gewordenen Marco Brenner weg. Der hätte im Nachhinein aufgrund seiner Anlaufschwierigkeiten vielleicht diesen Weg bevorzugt.