Reifentests bei TOURFahren an der Haftgrenze

Robert Kühnen

 · 17.07.2023

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Foto: Robert Kühnen
Impressionen von der Strecke
TOUR prüft die Haftung und das Verhalten von Reifen auf einer bewässerten Kreisbahn und schürft dabei wertvolle Informationen. Ein Blick hinter die Kulissen beim TOUR-Reifentest.

Wie viel Grip hat ein Rennradreifen? Und wie findet man das am besten raus? Einfach nur fahren reicht nicht, denn damit bringt man die Reifen selten ans Limit und wenn, eher zufällig. Aber gerade der Grenzbereich und wie sich die Reifen dort verhalten, ist interessant. Denn wir wollen Reifen, die gutmütig die Limits anzeigen, einen weiten Grenzbereich haben und dabei natürlich möglichst viel Grip bieten.

Reifentest: So funktioniert der TOUR-Test

Eine Test-Methode geht so: immer schneller um eine Kurve brettern, bis die Reifen rutschen oder ausbrechen. Über viele Jahre war das sogar die gängige Testpraxis bei TOUR. Wir hatten dazu einen speziellen Reifen-Roller konstruiert, eine Art Tretroller für Rennrad-Bereifung, mit dem wir auf einsamen öffentlichen Straßen die Limits ausgereizt haben. Die Methode hatte Stärken und Schwächen. Die Stärke: Die Kurvenfahrt war real, keine Antriebskräfte wirkten, echter Untergrund verzahnte sich mit den Reifen. Die Schwäche: die Grenzsituation währte nur Bruchteile von Sekunden und das Verfahren war für die Tester äußerst belastend, denn man wusste nie, ob man mit heiler Haut durchkam. Gecrasht wurde viel und hart und selbst die beste Motorradkombi wurde nach einer Weile durchgescheuert.

Deshalb haben wir uns unsere aktuelle Testmethode bei den Reifenherstellern Michelin und Pirelli abgeschaut: Unser Bike für den Reifentest ist ein modifiziertes E-Bike von Merida mit Mahle-Nabenmotor. Das Bike beschleunigt auf Knopfdruck, die Höchstgeschwindigkeit lässt sich vorab programmieren. Wir fahren auf einer bewässerten Kreisbahn immer schneller, bis die Reifen Rückmeldung geben, dass die Haftungsgrenze erreicht ist. Wir zeichnen dabei die erreichte Geschwindigkeit auf, richten unser Augenmerk aber vor allem auf das Verhalten des Reifens im Grenzbereich. Denn die Gummis reagieren sehr verschieden. Manche Reifen sind gutmütig, ziehen sicher ihre Bahn und schieben kontrolliert über beide Reifen, andere hoppeln, manche aber rutschen unvermittelt weg, was natürlich ungünstig ist. Aus der erzielten Geschwindigkeit und dem Verhalten des Reifens bilden wir die Bewertung.

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Limit überschritten

Reifentest: Daten geben Aufschluss

Die subjektive Rückmeldung des Testfahrers lässt sich in der Regel auch am Datenschrieb belegen. Vertrauenswürdige Reifen kann der Fahrer stabil im Grenzbereich bewegen. Tückische Gummis hingegen sind an zappeligen Fahrtschrieben erkennbar, denn der Fahrer muss ständig regulierend eingreifen. Vorteil der Kreisbahn-Fahrt: Stürze sind seltener als mit dem Roller und der Grenzbereich lässt sich ausgiebiger erfahren, was die ganze Sache reproduzierbarer macht. Aber auch wenn die neue Reifentest-Methode nicht so verrückt ist wie die Rollerfahrt, ist sie dennoch belastend. Der Mann am Lenker braucht Mut, Nerven, viel Feingefühl und eine Prise Glück, dass der Reifen im Rutschen nicht nochmal Grip fasst, dann droht ein Highsider, ein katapultartiger Flug über den Lenker, den TOUR-Testleiter Jens Klötzer bei einer Fahrt auf dem Pirelli-Testgelände bei Mailand auch schon selbst erlebte. Die Sache ging glimpflich aus, aber ein Risiko bleibt.

Historischer TOUR-Rutschtest: so fing alles anFoto: Robert KühnenHistorischer TOUR-Rutschtest: so fing alles an

Haftungsvermögen variiert

Unsere Daten aus dem Reifentest verraten Ihnen, mit welchen Reifen Sie gutmütig unterwegs sind. Diese Gutmütigkeit ist wichtig, weil das Haftungsvermögen von Straßen stark variieren kann. Es gibt Strecken mit unglaublich viel Grip und rutschige Straßen. Bisweilen wechseln die Bedingungen schnell. Dies vorab sicher einzuschätzen, ist eine Kunst. Besonders rutschig sind Zonen, auf denen Autos bremsen oder beschleunigen. Ist weiches Gestein im Asphalt verbaut, wird die Straße regelrecht poliert und vor allem bei Nässe sehr rutschig.



Wir testen in unserem Reifentest ausschließlich bei Nässe, weil das Gripniveau guter Reifen bei Trockenheit sehr hoch ist und entsprechend auch das Verletzungsrisiko steigen würde.

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