Jens Klötzer
· 17.04.2023
TOUR nimmt die drei großen Komponentenhersteller Shimano, SRAM und Campagnolo genauer unter die Lupe. Die US-Marke SRAM mit Entwicklungsabteilung in Schweinfurt überrascht immer wieder mit unkonventionellen Lösungen. SRAM setzte früh auf Scheibenbremse und elektronische Schaltungen, viele der Vorstöße ahmte die Konkurrenz nach. Die Offensivstrategie führt aber auch zu mancher Schwäche im Detail.
Ecken und Kanten prägen das Design der Produkte, die Amerikaner nutzen dabei viele unterschiedliche Materialien und kontrastierende Oberflächen. Im Vergleich wirken die Teile oft wuchtiger als die der Wettbewerber. Die Unterschiede zwischen den Gruppen sind recht groß: Während bei der Top-Gruppe Red alle Register gezogen werden, ist der Konstruktionsaufwand bei Force und Rival deutlich geringer, was sich in großen Gewichtsunterschieden niederschlägt.
Nur ein großes Schaltpaddel auf jeder Lenkerseite macht die Bedienung der elektronischen Schaltungen simpel und intuitiv. Die recht großen Griffkörper von Red und Force finden viele Menschen mit kleinen Händen nicht optimal; die jüngste Generation der Rival (Bild unten) wurde etwas schlanker und handfreundlicher. Die Hebel der mechanischen Schaltungen wirken für heutige Verhältnisse schwergängig; ihre Entwicklung wird seit Jahren nicht mehr vorangetrieben.
Wenn alles passt, laufen die Antriebe von SRAM einwandfrei. Kleine Störfaktoren können das Fahrvergnügen aber schnell verleiden. Die elektronischen Umwerfer sind diffizil einzustellen, besonders jener der Force neigt zu Kettenabwürfen, wenn er nicht exakt justiert ist. Die Force-Kassette fiel anfangs auch mit Laufgeräuschen auf. Die Einfach-Antriebe mahlen bei kurzem Radstand gerne, wenn in den äußeren Gängen die Kette stark schräg läuft. Beachten muss man die von traditionellen Übersetzungen abweichenden Zähnezahlen der elektronischen Schaltungen: Weil Ritzel und Kettenblätter hier ganzheitlich verkleinert wurden und der schnellste Gang nur zehn Zähne hat, muss man die Zähnezahlen “umrechnen”. Insgesamt sind aber mehr Optionen möglich als bei anderen Herstellern.
Bis auf das Gewicht unterscheiden sich die Bremsanlagen der einzelnen Gruppen nicht spürbar im Handling. Die Stahlscheiben vertragen viel Hitze, das Ansprechverhalten ist gut, aber nicht ganz so sensibel wie bei der Konkurrenz. Bei Nässe neigen die Bremsen zum Quietschen, und die Beläge verschleißen recht schnell. Das Entlüften ist dafür unproblematisch.
Der Fokus auf die Funkschaltung macht die Gruppen von SRAM vergleichsweise teuer. Gut sind die große Vielfalt an Übersetzungen und die Kompatibilität der Produkte: Innerhalb der elektronischen AXS-Umgebung kann fast alles miteinander kombiniert werden; so lassen sich maßgeschneiderte Antriebe realisieren. Das Angebot an Zubehör wie Leistungsmessern, Zusatz- und Zeitfahrschaltern ist groß. Kritikwürdig ist die wenig kundenfreundliche Ersatzteilpolitik: Einzelne Ritzel können nicht getauscht werden, bei einem verbogenen Schaltwerkskäfig ist ein neues Schaltwerk fällig, Zusatzschalter mit fest verbautem Akku müssen nach Ablauf der Batteriezeit ausgetauscht werden – solche Beispiele ziehen sich durch die ganze Produktpalette.
Komponenten verschiedener Marken lassen sich in der Regel nicht miteinander kombinieren. Es gibt nur wenige Ausnahmen; so sind zum Beispiel die Antriebsteile der Zehnfach- und Elffach-Generationen von Shimano und SRAM austauschbar. Das kann interessant sein, weil Shimano-Verschleißteile preiswerter und besser verfügbar sind und in dieser Generation auch haltbarer.
Teile von einem Hersteller lassen sich innerhalb gewisser Grenzen über die Gruppen hinweg kombinieren. Ist die Anzahl der Ritzel auf den Kassetten identisch, passen die Teile auch mechanisch zueinander. So können beispielsweise Verschleißteile von günstigeren Gruppen genutzt werden, um Geld zu sparen. Aus höherwertigen Gruppen können zum Beispiel die Kurbeln das Gesamtgewicht etwas senken.
Auch die Übersetzung lässt sich mithilfe gruppenfremder Teile an die eigenen Bedürfnisse anpassen. So bieten preiswertere Gruppen oft bergtauglichere Kassetten oder Kettenblätter. Allerdings muss man die Kapazitätsgrenzen der Schaltwerke und Umwerfer beachten; Schaltwerke der teureren Schaltungen sind unter Umständen nicht für die großen Ritzel geeignet.