Shimano GRX Di2 im Fahrtest

Jens Klötzer

 · 29.07.2024

Viel Auflagefläche, guter Halt: Shimanos GRX-Hebel sind aufs Geländeradeln ausgelegt
Foto: Jens Klötzer
Die Gravel-Komponenten von Shimanos GRX bekommen ein zwölftes Ritzel, als funkschaltende Di2-Version soll sie auch anspruchsvolle Schotterradler begeistern. Ob das gelingt, klärt unser Fahrtest.

Shimano GRX Di2 - das Wichtigste in Kürze

Shimano macht mit der neuen GRX Di2 vieles richtig. Technisch ist sie auf der Höhe der Zeit und funktional ohne Tadel. Doch neue Akzente fürs Gravelbike, wie man sie von einem High-End-Produkt erwarten könnte, setzt die Gruppe nicht. Das schmale Angebot an Übersetzungen ist auf die breite Masse zugeschnitten, wird jedoch der wachsenden Vielfalt in der Gravel-Welt nicht gerecht. Vor allem die fehlende Option, mit nur einem Kettenblatt fahren zu können, dürfte viele Interessenten stören.


Shimano GRX Di2 - Hintergrund

Für Komponenten-Primus Shimano war die 2019 eingeführte GRX ein Selbstläufer. Mit der damals ersten ausgewiesenen Gravelbike-Schaltgruppe konnte man schließlich nicht viel falsch machen, wollte man einen der neuen Geländerenner ausstatten. Beinahe blind vertrauten Kunden und Hersteller darauf, dass der Konzern mit jahrzehntelanger Expertise bei Mountainbike- und Rennrad-Schaltungen schon das Beste beider Welten kombinieren und gewohnte Shimano-Qualität liefern würde. Entsprechend oft wurde die Gruppe in den verschiedenen Qualitätsstufen an Serienräder geschraubt. Egal ob als Einsteiger-Version mit nur zehn mechanisch betätigten Gängen oder mit Oberklasse-Flair als 2x11-Elektroschaltung: Mit dem Gravelbike-Boom gingen auch die dazu passenden Shimano-Komponenten weg wie geschnitten Brot.

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Die meisten Käufer waren mit der Gruppe auch zufrieden. Natürlich funktionierte die GRX – wie alle Shimano-Gruppen – mechanisch super. Doch anspruchsvolle Graveller, die nach etwas Exklusiverem suchten als nur einem sportiven Pendel- und Freizeitrad, dürften vom Shimano-Angebot eventuell enttäuscht gewesen sein, weil es sich vor allem auf günstige und mittlere Preisklassen fokussierte. Bei den Antrieben gerieten die Japaner gleich nach der Vorstellung in Rückstand. SRAM nutzte bei seiner fast zeitgleich präsentierten AXS zwölf statt elf Ritzel; die “XPLR” genannten Ableger der Rennrad-Gruppen bieten attraktive Optionen mit Einfach-Kettenblatt und Kassetten mit Ritzelgrößen bis in Mountainbike-Dimensionen.



Konkurrenz durch SRAM und Campagnolo

Die Antriebe ohne Umwerfer wurden durch SRAM vor allem an Gravelrädern populär – die Amerikaner erreichten bei hochpreisigen Bikes eine beachtliche Marktpräsenz, die Shimano eigentlich stören müsste. Campagnolo setzte noch eins drauf und stellte 2020 die Ekar vor, die zwar nicht elektronisch schaltet, aber mit 13 Ritzeln das bislang kompletteste Einfach-Getriebe fürs Gelände darstellt. Da konnte Shimano nicht mithalten: Als 1x11-Gruppe war die GRX ein eher schlechter Kompromiss, als preiswerte 1x10 im Gelände annähernd unbrauchbar, weil die Übersetzungsbandbreite zu schmal ist. Mit Campagnolo und SRAM lassen sich zudem deutlich leichtere (wenngleich teurere) Räder aufbauen. Bis zu 300 Gramm war ein ansonsten identisches GRX-Rad zwangsläufig schwerer, weil die Japaner auf eher robuste Bauart und viel Aluminium statt Carbon setzten. Ein konkurrenzfähiges High-End-Produkt fürs hochwertige Gravelbike fehlte den Japanern im Portfolio damit gänzlich.

Shimano GRX Di2 - hohe Erwartungen

Ritzel mit maximal 36 Zähnen schafft das GRX- Di2-Schaltwerk. Der Betrieb mit nur einem Kettenblatt ist damit keine OptionFoto: Jens KlötzerRitzel mit maximal 36 Zähnen schafft das GRX- Di2-Schaltwerk. Der Betrieb mit nur einem Kettenblatt ist damit keine Option

Dass eine Neuauflage der GRX das Gefüge komplett auf den Kopf stellen würde, war zwar nicht zu erwarten. Dafür ist die Politik der Japaner aus Tradition zu konservativ. Dennoch waren die Erwartungen an eine neue GRX Di2 hoch – auch weil das Update der mechanischen GRX im Sommer vergangenen Jahres äußerst sparsam und wenig innovativ ausfiel. Zeitgleich mit der mechanischen 105-Straßengruppe bekam sie zwar ein zwölftes Ritzel, ein neues Schaltwerk und leicht veränderte Schaltgriffe spendiert, blieb ansonsten aber weitgehend unverändert. Als 1x12-Antrieb lässt sie sich theoretisch mit Komponenten aus dem Mountainbike-Regal konfigurieren, jedoch gibt es in der passenden XT-Gruppe nur zwei Ritzeloptionen (10 ‐45 und 10 ‐51), die wegen des kleineren Anfangsritzels einen Microspline-Freilauf erfordern, der nur für wenige Rennrad- bzw. Gravelbike-Laufräder überhaupt verfügbar ist. Das macht die Sache recht kompliziert.

Wie schlägt sich die Shimano GRX Di2 im Test?

Kraftvoll und feinfühlig: Die unveränderten Bremsen sind nach wie vor top, mit dem passenden Rad sind auch 180‑Millimeter-Scheiben möglichFoto: Jens KlötzerKraftvoll und feinfühlig: Die unveränderten Bremsen sind nach wie vor top, mit dem passenden Rad sind auch 180‑Millimeter-Scheiben möglich

Schon der erste Blick auf das neue Gravel-Flaggschiff des Marktführers zeigt, dass sich auch das Update der Elektronik-Gruppe auf ein vorsichtiges Facelift beschränkt. Es übernimmt die Bremsen und den Antriebsstrang der mechanischen Variante, lediglich Schaltbremshebel, Umwerfer und Schaltwerk sind wirklich neu. Wobei sich die Weiterentwicklung auch an diesen Komponenten in engen Grenzen hält, doch dazu später mehr.

In der Praxis kann man über die Funktion der Gruppe dennoch kaum meckern. Die Griffe sind jetzt wie bei den aktuellen Rennradgruppen per Funk mit den Schaltkomponenten verbunden, für die Knopfzellen verspricht Shimano eine Lebensdauer von bis zu vier Jahren. Form und Befestigung wurden etwas an die ausgestellten Lenkerenden typischer Gravelbike-Lenker angepasst, sodass der Übergang zum Lenker ergonomischer gestaltet ist und die Bremshebel weniger zur Seite abstehen. Ansonsten hat sich an den Kontaktpunkten wenig geändert.

Großflächige und rutschfeste Handauflage

Viel Auflagefläche, guter Halt: Shimanos GRX-Hebel sind aufs Geländeradeln ausgelegtFoto: Jens KlötzerViel Auflagefläche, guter Halt: Shimanos GRX-Hebel sind aufs Geländeradeln ausgelegt

Das angenehme Design der Schaltgriffe sucht nach wie vor seinesgleichen, besonders wenn die Hände auf den Griffkörpern ruhen. Die Handauflage ist großflächig und rutschfest; der kleine, steil aufragende vordere Griffhöcker gibt guten Halt. Gleichzeitig sind die Griffe sehr schlank, sodass auch kleine Hände gut zupacken können, wenn es ruppig wird. Auch auf den Bremshebeln finden die Finger eine breite Auflagefläche. Der weit oben angesetzte Drehpunkt des Bremshebels und die “Servo Wave” genannte Bremskraftunterstützung bewirken, dass auch in steilen Abfahrten nicht in den Unterlenker gewechselt werden muss, es steht auch in Extremsituationen genügend Bremskraft zur Verfügung. Ein frei belegbarer Zusatzknopf, der bisher unter dem Griffgummi auf der Oberseite des Höckers versteckt war, wanderte an die Innenseite des Hebels in Daumenreichweite. Um ihn mit einer Schaltfunktion zu belegen, ist er zu schwergängig, aber er eignet sich gut, um den Computer zu bedienen.

Super Schaltverhalten

Das Schaltverhalten ist vorn wie hinten wie erwartet super, allerdings geht der Umwerfer recht laut zu Werke. Das jaulende Motorengeräusch erinnert an die ersten Di2-Generationen, die aktuellen Rennrad-Umwerfer arbeiten da deutlich dezenter – und tragen auch optisch weniger auf. Am Hinterrad arbeitet das neue Schaltwerk schnell und präzise. Der bewährte Dämpfer verhindert zuverlässig, dass die Kette bei Erschütterungen schlägt. Die Übersetzung mit zwei Kettenblättern vorn und 11-36-Kassette – fertigungstechnisch auf 105-Niveau – dürfte für die meisten Anwendungen gut passen. Untersetzungen für die Berge sind ebenso an Bord wie schnelle Gänge, und als Zwölffach-Paket ist das Getriebe angenehm fein abgestuft. Doch wer individuelle Ansprüche an sein Gravelbike-Getriebe hat, schaut bei der GRX Di2 in die Röhre.

Kein Betrieb mit Einfach-Kurbel

Ohne geht’s nicht: Für die Verwendung mit nur einem Kettenblatt ist die GRX Di2 nicht vorgesehenFoto: Jens KlötzerOhne geht’s nicht: Für die Verwendung mit nur einem Kettenblatt ist die GRX Di2 nicht vorgesehen

Denn anders als beim mechanischen Pendant ist das Schaltwerk nicht dafür vorgesehen, Ritzel mit mehr als 36 Zähnen zu bewältigen. Auch zur Zweifach-Kurbel mit 48/31 Zähnen gibt es keine Alternative. Der Betrieb mit Einfach-Kurbel ohne Umwerfer scheidet damit aus. Wer will, kann noch die etwas sportlichere 11-34-Abstufung aus den Rennrad-Gruppen fahren, doch andere Alternativen gibt es nicht. Abenteurer mit Gepäck, die an steilen Anstiegen extrem leichte Gänge brauchen, hat Shimano mit der GRX Di2 nicht im Blick.

Fazit zur Shimano GRX Di2

Das und die fehlende Einfach-Option könnten Shimano Kundschaft kosten, denn die simple Bedienung dieser Antriebe ist für viele Fahrer inzwischen ein Kaufargument. Auch die Möglichkeit breiter Reifen wird damit eingeschränkt: Mit maximal 47 Millimetern dürfte das Gros der Schotterbiker gut graveln können; wer aber grobes Geläuf und breitere Pneus fahren will, wird zwangsläufig zur Konkurrenz abwandern. Dennoch ist sicher: Auch die GRX Di2 wird wieder viele Käufer finden. Vor allem attraktive Komplettrad-Angebote werden zur Verbreitung beitragen, die je nach Marke um 5000 Euro liegen und damit vergleichbar sind mit Rädern mit SRAM Force. Die wird dann nur wählen, wer keinen Umwerfer möchte.

Passende Laufräder und Pedale

Zur Abrundung der Schaltgruppe führt Shimano mit der Zwölffach-Generation der GRX passende Laufräder und SPD-Pedale ins ProgrammFoto: ShimanoZur Abrundung der Schaltgruppe führt Shimano mit der Zwölffach-Generation der GRX passende Laufräder und SPD-Pedale ins Programm

Zur Abrundung der Schaltgruppe führt Shimano mit der Zwölffach-Generation der GRX passende Laufräder und SPD-Pedale ins Programm. Der RX880-Laufradsatz kommt mit 32 Millimeter flachen Carbonfelgen bei 25 Millimetern Innenbreite; Shimano empfiehlt Reifen zwischen 32 und 50 Millimetern Breite. Laut Hersteller liegt das Gewicht bei knapp 1400 Gramm. Besonderheit ist der schnell austauschbare Freilaufkörper; es gibt den klassischen HG-Standard sowie einen Microspline-Freilauf, der die Montage von XT-Mountainbike-Kassetten erlaubt. Als Verkaufspreis werden 1649 Euro aufgerufen. Das zugehörige GRX-SPD-Pedal ist keine Neuheit, sondern das Mountainbike-Pedal aus Shimanos XT-Gruppe im passenden Design. Das Paar wiegt 342 Gramm zum Preis von 135 Euro.

Shimano-GRXFoto: Shimano

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