Jens Klötzer
· 16.04.2023
Die Schaltung prägt mit Bremsen und Antrieb als zusammengehöriges Ensemble Funktion und Qualität eines Rennrades. Im TOUR-Leitfaden klären wir, welche Ausstattung für persönliche Vorlieben, den Einsatzzweck - und nicht zuletzt für den Geldbeutel, Sinn ergibt. Hier: Elektronisch oder mechanisch schalten?
Die Frage beantwortet sich heute in erster Linie anhand des Budgets. Wer anspruchsvoll ist und ein Rennrad auf aktuellem Stand der Technik sucht, findet kaum noch Alternativen zur elektronischen Schaltung: Die führenden Anbieter Shimano und SRAM setzen bei den drei oberen Qualitätsstufen ausschließlich auf Stellmotoren und Funksignale statt auf den klassischen Bowdenzug.
Zu den verbliebenen mechanisch betätigten Schaltungen klafft bei beiden Herstellern derzeit eine große technologische und preisliche Lücke, weil von den mechanischen Elffach-Shimano-Gruppen Ultegra und 105, die offiziell noch im Programm einiger Radhersteller laufen, offenbar nur noch Restbestände verkauft werden.
Für den Nutzer haben E-Schaltungen klare Vorteile: Schalten auf Knopfdruck ist ungleich komfortabler als die Betätigung mechanischer Hebel. Die Gänge wechseln zuverlässig, besonders der vordere Umwerfer wechselt die Kettenblätter blitzschnell und narrensicher. Zudem verschleißt kein Bowdenzug – einmal korrekt justiert, funktioniert die Schaltung dauerhaft präzise.
Gerade an modernen Rädern mit im Lenker versteckten Leitungen ist die elektronische Übertragung sinnvoll, weil Bowdenzüge viel Reibung entwickeln, wenn sie verwinkelt verlegt werden. Den Schaltungen machen auch intensive Regenfahrten nichts aus, die Akkus halten komfortabel lange, viele Hundert (SRAM) bis mehrere Tausend Kilometer (Shimano und Campagnolo).
Mit den zugehörigen Apps können die Systeme zusätzlich angepasst werden. So wechselt beispielsweise der Umwerfer bei Bedarf automatisch das Kettenblatt, die Belegung der Tasten lässt sich anpassen, teilweise lassen sich auch Radcomputer damit bedienen. Auch verschiedene Auswertefunktionen (wie lange wurde welcher Gang gefahren?) beinhalten die Apps.
Optional erhältliche Zusatzschalter können nahezu in beliebiger Position am Lenker montiert werden. Die Funkübertragung der Rennrad-Schaltung – bei SRAM komplett, bei Shimano zwischen Griffen und Schaltwerk – umgeht die komplizierte Verlegung der Kabel.
Mechanische Schaltungen haben neben den günstigeren Preisen aber auch Vorteile. Ihre Funktionsweise ist transparent, Defekte sind selten und schnell behoben. Einzig Campagnolo bietet noch hochwertige Gruppen ohne Elektronik; manche High-End-Räder sind jedoch gar nicht mehr für die Montage von Schaltzügen vorgesehen.
Die Grundfunktionen – Schalten und Bremsen – beherrschen alle sehr gut, schlecht funktionierende Teile gibt es nicht. Die Unterschiede zwischen teuren und günstigeren Gruppen ähneln sich bei allen Wettbewerbern: Teurere Gruppen sind leichter, weil höherwertiges Material verwendet wird.
Die Top-Versionen aller drei Hersteller wiegen mit allen Teilen um die 2400 Gramm (mit Scheibenbremsen), kosten dafür aber auch zwischen 3000 und 4000 Euro. Eine günstige Gruppe kann bis zu ein Kilogramm schwerer sein, aber auch mehrere Tausend Euro günstiger. Auch die neuesten Technologien findet man nur in den teuren Ensembles: Elektronisches Schalten, integrierte Leistungsmessung oder die jüngsten Detailverbesserungen im Schalt- und Bremsverhalten gibt’s nur bei den teuren Top-Gruppen.
Nachteil: Auch die Folgekosten sind höher, weil Verschleiß- und Ersatzteile teurer sind.
Wer Geld sparen will, muss in erster Linie höheres Gewicht in Kauf nehmen. Wer zudem auf die Vorteile einer elektrischen Schaltung und das zwölfte Ritzel verzichtet, kann die Investition in ein neues Rad locker halbieren. Noch billiger – dafür wieder etwas leichter – geht’s noch mit der Felgenbremse, allerdings werden die Komplettrad-Angebote mit dieser Technik langsam rar.