Jens Klötzer
· 19.04.2023
TOUR nimmt die drei großen Komponentenhersteller Shimano, SRAM und Campagnolo genauer unter die Lupe. Der italienische Hersteller Campagnolo spielt bei Kompletträdern kaum noch eine Rolle. Doch die Produkte sind technisch ausgereift, betörend edel – und eine interessante Alternative, wenn keine Elektronik ans Rad soll.
“Campa” nutzt besonders bei höherwertigen Teilen viel Carbon, was die Gruppen nicht nur leicht macht, sondern auch optisch attraktiv. Die Zwölffach-Gruppen sind makellos verarbeitet, schön ist, dass die Italiener ihrem hohen Designanspruch auch bei den günstigeren Gruppen treu bleiben. Eine Ausnahme ist die Elffach-Gruppe Centaur, deren Oberflächen und Details im Vergleich deutlich weniger wertig wirken.
Die Campagnolo-Griffkörper gelten als Handschmeichler, sie greifen sich perfekt, auch die Bremshebel sind ideal geformt. Campa-Fans schätzen die Bedienlogik mit getrennten Hebeln für Zeigefinger und Daumen. Kritik muss der Daumenhebel an der Innenseite einstecken, der aus dem Unterlenker für kleine Hände schwierig zu erreichen ist. Ausnahmen sind die elektronische EPS-Gruppe Super Record sowie das Gravel-Ensemble Ekar, bei denen der Knopf jeweils anders geformt ist.
Die Antriebskomponenten sind ausgereift und haltbar, sie laufen geräuscharm, die Gänge wechseln geschmeidig. Als einziger Hersteller bietet Campagnolo noch rein mechanisch arbeitende Gruppen mit zwölf Ritzeln. Besonders spannend ist die Chorus, die nur 250 Gramm mehr wiegt als das Top-Modell Super Record. Ebenfalls konkurrenzlos ist die Gravelgruppe Ekar, die mit 13 Ritzeln mehr abdecken kann als die 1x11- und 1x12-Antriebe der Wettbewerber; sie überzeugt auch im Langzeittest.
Die Leistung der Campa-Disc unterscheidet sich über die Gruppen hinweg kaum. Sie spricht sensibel an und ist kaum anfällig für Quietschgeräusche. Vergleichsweise massive Scheiben beugen Hitzeproblemen vor, unter den Rennradbremsen ist sie die standfesteste.
Campagnolo-Fahrer sind mit einer hohen Anfangsinvestition konfrontiert: Die Gruppen sind im Schnitt teurer als vergleichbare Produkte der Konkurrenz. Auch die Ersatzteilpreise sind auf den ersten Blick happig, eine Super-Record-Kassette kostet um 300 Euro. Auf lange Sicht kann sich die Investition aber lohnen: Die Komponenten halten vergleichsweise lange und lassen sich leicht reparieren, weil viele Einzelteile einzeln erhältlich sind – defekte Bauteile müssen also nicht komplett ausgetauscht werden.
Komponenten verschiedener Marken lassen sich in der Regel nicht miteinander kombinieren. Es gibt nur wenige Ausnahmen; so sind zum Beispiel die Antriebsteile der Zehnfach- und Elffach-Generationen von Shimano und SRAM austauschbar. Das kann interessant sein, weil Shimano-Verschleißteile preiswerter und besser verfügbar sind und in dieser Generation auch haltbarer.
Teile von einem Hersteller lassen sich innerhalb gewisser Grenzen über die Gruppen hinweg kombinieren. Ist die Anzahl der Ritzel auf den Kassetten identisch, passen die Teile auch mechanisch zueinander. So können beispielsweise Verschleißteile von günstigeren Gruppen genutzt werden, um Geld zu sparen. Aus höherwertigen Gruppen können zum Beispiel die Kurbeln das Gesamtgewicht etwas senken.
Auch die Übersetzung lässt sich mithilfe gruppenfremder Teile an die eigenen Bedürfnisse anpassen. So bieten preiswertere Gruppen oft bergtauglichere Kassetten oder Kettenblätter. Allerdings muss man die Kapazitätsgrenzen der Schaltwerke und Umwerfer beachten; Schaltwerke der teureren Schaltungen sind unter Umständen nicht für die großen Ritzel geeignet.