Gravelreifen im Vergleich10 Gravelreifen im Test-Duell - Grip und Speed in Kombination?

Robert Kühnen

 · 29.04.2025

Schnelläufer (Conti Terra Speed, links) oder Allrounder (Conti Terra Adventure)? Das hängt vom Einsatzzweck ab. Weniger Profil heißt: mehr Tempo und besseres Fahrgefühl auf der Straße
Foto: Robert Kühnen
Welcher Gravelreifen schafft den besten Kompromiss aus Grip und Speed? Wir haben 10 Gravelreifen im Paarvergleich. Leichtläufer, Allrounder, Klassiker. Wer bietet wo Vorteile? Das verrät unser Labor- und Fahrtest.

Ultimativer Leichtlauf oder lieber mehr Grip? Bei Geländereifen ist klar, dass bester Rollwiderstand und bester Grip nicht zusammen zu haben sind. Denn grobe Stollen, die im Gelände nun mal am besten beißen, bremsen leider auch. Beim Graveln geht’s aber, anders als beim Mountainbiken, primär um schnelles Fahren, auf überwiegend gemäßigtem Terrain, und weniger um Kontrolle. Entsprechend sind die Reifenprofile zarter als am Mountainbike, bis hin zum Semi­slick. Aber welches Profil taugt tatsächlich für welchen Zweck? Wo liegen die Grip-Grenzen? Wie sehr kompromittieren auch feine Stollen den gewünschten Leichtlauf? Wie schlagen sich die Gummis auf der Straße? Und: Welcher Reifen rollt auf Schotter am leichtesten? Continental, Maxxis, Pirelli, Schwalbe und Vittoria nehmen mit Reifen der 45-Milli­meter-­Klasse an unserem Gummi-Wett­streit teil, jeweils mit einem sehr schnellen und einem stärker profilierten Reifen.

Schnelläufer (Conti Terra Speed, links) oder Allrounder (Conti Terra Adventure)? Das hängt vom Einsatzzweck ab. Weniger Profil heißt: mehr Tempo und besseres Fahrgefühl auf der StraßeFoto: Robert KühnenSchnelläufer (Conti Terra Speed, links) oder Allrounder (Conti Terra Adventure)? Das hängt vom Einsatzzweck ab. Weniger Profil heißt: mehr Tempo und besseres Fahrgefühl auf der Straße

Weniger Druck als Tipp

Die Reifen erreichen auf den Testlauf­rädern mit 25 Millimetern Innenweite der Felgen durchweg die Nennmaße. Sie wiegen zwischen 502 und 598 Gramm. Wir testen die Reifen in Labor und freier Wildbahn im Tubeless-Set-up. Montage und Abdichtung sind kein Problem; die Reifen lassen sich alle von Hand montieren. Maxxis schneidert den Reifenfuß am weitesten, deshalb dürfte es schwierig sein, den Reifen ohne Luftstoß aus dem Kompressor in den Felgensitz zu treiben. Die Schwalbe-Pneus sind nur mit Mühe dicht zu ­bekommen. Andere Reifen sind sofort luftdicht und halten den Druck auch sehr gut. Wir montieren alle Reifen mit einem guten Schluck ­Latex-Dichtmilch. Als Druck wählen wir zunächst zwei Bar, passen im Gelände aber weiter nach unten an. Im Test-Set-up erweisen sich 1,7 Bar als optimal im Gelände für 80 Kilogramm Systemgewicht. Kein Witz: Schon Zehntel­-Bar-Schritte machen sich bemerkbar, wenn Wurzeln oder glatte ­Steine zu meistern sind. Ausprobieren! Fahrstil, Gewicht und die Innenweite der Felgen spielen eine Rolle dabei, den passenden Reifendruck zu finden. Mit 25 Millimetern Innenweite wird der Reifen bei 1,7 Bar noch hinreichend abgestützt, um Lenkbefehle umzusetzen. Auf der Straße lenkt es sich mit dem niedrigen Druck aber spürbar träge. Wer meist auf Asphalt fährt und keine Schlüsselstellen im Gelände zu meistern hat, wird den Druck entsprechend höher wählen. Den Reifen hart zu pumpen, ist aber unter keinen Umständen sinnvoll. Zwischen 1,6 und 2,5 Bar sind Gravelreifen passend beatmet – mit mehr Luft werden sie sogar auf der Straße unkomfortabel.

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Der sinnvolle Druck für 45 Millimeter breite Reifen liegt zwischen 1,6 und 2,5 BarFoto: Robert KühnenDer sinnvolle Druck für 45 Millimeter breite Reifen liegt zwischen 1,6 und 2,5 Bar

Grenzen des Grips

Unsere Teststrecke bietet: Schotter von fein bis grob, Erde, hängende Wurzelpassagen und Schlammlöcher, verteilt auf Anstiege und Abfahrten, Waldwege und Trails. Hinzu kommen Asphaltpassagen. Bewältigen lässt sich der Kurs mit allen Testreifen. Bisweilen dreht das Hinterrad durch, wenn ein sehr feines Profil montiert ist, aber absteigen mussten wir nie. Mit einem Profil, das die gesamte Lauf­fläche bedeckt, wird die Fahrt im Vergleich zum Semislick sicherer, vor allem auf weichen Böden, aber auch die Bremsleistung auf Schotter ist mit Stollen höher als ohne. Einen mindestens genauso ­großen Einfluss auf das Durchkommen im Gelände hat aber die Wahl des optimalen Drucks. Gefühlt rollen alle Reifen recht flott, wobei sich der Eindruck verfestigt, dass die Semislicks schneller sind. Die Messwerte aber zeigen, dass es durchaus gravierende Unterschiede gibt. Der beste Leichtläufer im Test ist der Schwalbe G-One RS Pro, der auf der Straße das Niveau sehr guter Rennradreifen erreicht, aber auch auf Schotter eine Macht ist. Faszinierend! Mehr Grip bei minimal schlechterem Rollwiderstand zeigt Continentals Terra Speed, der sich mit seinen feinen Stollen überall über­raschend souverän durchgräbt und auch rennt wie ein Rennradreifen. Der ebenfalls sehr spartanisch profilierte Maxxis Reaver erreicht nicht ganz dieses Leichtlauf-­Niveau, was an der Gummimischung liegen dürfte. Die stärker profilierten Reifen zeigen mehr Biss. Besonders souverän wühlt sich der Pirelli Cinturato Gravel S durch, dessen Profil Anleihen bei Mountainbike-Pneus nimmt. Dafür leistet er aber auch 50 Prozent mehr Rollwiderstand als der schnellste Schwalbe-Reifen. Der Rest des Feldes positioniert sich dazwischen. Auf der Straße sind alle Reifen gut fahrbar. Akustisch am auffälligsten singt das Profil des Schwalbe RX Pro, der aber trotzdem recht schnell läuft.

Fazit zum Gravelreifen-Test

Die besten Gravelreifen für gemischtes Terrain verfügen über wenig Profil und schnelle Gummimischungen. Damit sind auf hartem Untergrund phantastische Fahrleistungen dicht am Rennrad möglich. Aber auch ruppige Geländepassagen, für die man eventuell schon aufs Mountainbike wechseln möchte, lassen sich mit angepasster Geschwindigkeit noch bewältigen. In Sachen Leichtlauf und Abstimmung sind die Speed-Modelle von Conti und Schwalbe ganz vorne. Den Gesamt-Testsieg holt Continental mit dem Modell Terra Speed.

Rollwiderstand auf rauer Straße und auf Schotter, gemessen im TOUR-Labor und umgerechnet auf 90 Kilogramm Systemgewicht und 30 km/h. Kürzere Balken bedeuten geringeren Rollwiderstand bzw. leichteres Rollen.Foto: TOURRollwiderstand auf rauer Straße und auf Schotter, gemessen im TOUR-Labor und umgerechnet auf 90 Kilogramm Systemgewicht und 30 km/h. Kürzere Balken bedeuten geringeren Rollwiderstand bzw. leichteres Rollen.

So haben wir getestet

Alle Tests wurden unabhängig von Herstellern mit eigenen Verfahren durch­geführt. Hervorzuheben ist der Rollwiderstandstest auf ebenem Grund. Wir ­können auch auf Schotter messen und sehen, dass stärkeres Profil zusätzlich Kraft kostet. Als „Straße“ für den Rollwiderstandstest wählen wir einen rauen ­Belag, der mit Stollen interagiert und aufzeigt, welche Gummimischung effizient arbeitet.

Alle Tests wurden unabhängig von Herstellern mit eigenen Verfahren durch­geführt.Foto: Robert KühnenAlle Tests wurden unabhängig von Herstellern mit eigenen Verfahren durch­geführt.

Tester Robert Kühnen ist den Magazinen TOUR und BIKE seit Langem als Tester und Autor verbunden. Er hat maßgeblich an den Prüfständen mitgewirkt und auch den Rollwiderstandstest entwickelt. Der Ingenieur bietet auch Messungen für Industrie und Spitzensport an.

Die 5 Gravelreifen-Paare im Einzeltest

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