Test RennradhelmeTeuer gegen günstig - 7 Rennradhelm-Paare im Vergleichstest

Matthias Borchers

 · 31.08.2025

Safety first - Rennradhelme im Test
Foto: Getty Images
Auf dem Asphalt und im Crashtest zeigt sich, welche Helme die größten Sicherheitsreserven bieten. Sieben Hersteller von Abus bis Uvex schickten jeweils ein günstiges und ein Top-Modell zu Preisen zwischen 100 und 300 Euro ins Test-Rennen. Eine Erkenntnis vorweg: Alle Helme sind viel besser, als die Norm es verlangt – doch einige bieten ein kleines Sicherheitsplus, unabhängig vom Preis. Hinweis: Dieser Artikel erschien erstmals am 19.05.2025 und wurde am 31.08.2025 aktualisiert.

Der Spruch „Wer billig kauft, kauft zweimal!“ bedeutet, dass günstige Produkte oft von minderer Qualität sind und schneller ­kaputtgehen, oder nicht die gewünschten Eigenschaften aufweisen. Übertragen auf einen Fahrradhelm könnte das fatale Folgen haben. Dann nämlich, wenn der Helm seine Funktion nicht erfüllt, beim Sturz vom Kopf rutscht oder gar beim kleinsten Aufschlag zerbröselt. Damit genau das nicht passiert, dürfen lediglich solche Helme in den Verkauf gelangen, die vorab die gültige Normprüfung (DIN EN 1078) bestanden haben. Die dafür zugelassenen Testmaschinen überprüfen im Wesentlichen aber nur, ob der Helm den Norm-Anforderungen hinsichtlich der Aufschlagdämpfung der Helmschale und der Haltbarkeit von Riemen und Verschlüssen genügt. Die Prüfmethode ist in die Jahre gekommen, da sie die Wirksamkeit von Sicherheitssystemen, wie beispielsweise dem Rotationsschutz Mips, nicht prüfen kann. Sie definiert lediglich Mindeststandards fernab dessen, was moderne Helme leisten und ist daher kein guter Gradmesser für die tatsächliche Schutzfunktion.

Alle Rennradhelme im TOUR-Test

Kurz & Knapp

Fast alle Hersteller ­statten ihre Helme mittlerweile mit dem Rota­tionsschutz Mips aus. Im Test war das Modell Estro Mips von MET für 140 Euro der günstigste Helm. Der Test auf dem TOUR-Prüfstand zeigt eindrucksvoll, dass alle Helme, egal ob teuer oder günstig, mit diesem System den besten Schutz vor einer Gehirnerschütterung bieten.

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Fallbeispiele

Um die Helmsicherheit praxisgerecht zu prüfen, testen wir seit 2020 alle Helme auf unserem eigenen Prüfstand, der alle relevanten, resultierenden Kräfte beim Aufschlag des Prüfkopfs mit Helm auf eine schräge ­Fläche aufzeichnet. Damit lässt sich auch Wirkung und Qualität des Mips-Systems erfassen. Beim aktuellen Test wollten wir – unter anderem – herausfinden, ob die teureren Top-Modelle einen besseren Schutz bieten als die günstigeren Helme. Sieben Hersteller sind unserer Test-Einaldung mit jeweils einem teureren und einem günstigeren Modell gefolgt. So viel sei vorab verraten: Ein höherer Preis bedeutet nicht automatisch mehr Sicherheit. Und: Der höhere Preis ist auch nicht zwangsläufig gekoppelt mit besserer Ausstattung wie beispielsweise einstell­baren Y-Gurten (die den Sitz unterhalb der Ohren verbessern) oder einem höhenverstellbaren Kopfring, der die Passform verbessert und meistens auch das Durchfädeln eines Zopfes zwischen Helmschale und Weitenverstellung möglich macht. Beim Verschluss dominiert das Steckschloss, einstellbare Ratschenverschlüsse sind selten, ein Helm im Test verfügt über ein magnetisches Gurtschloss. Die Möglichkeit, die Radbrille mit sicherem Halt in den Helm zu stecken, Reflexstreifen oder ein Transportbeutel sind willkommene Zugaben bei der Ausstattung, jedoch im Vergleich zum vergangenen Test seltener geworden. Ersatzpolster oder solche in unterschiedlichen Stärken, um den Helm individuell anzupassen, sucht man heute vergebens im Karton. Eine kundenfreundliche Unfall­-Ersatzregelung bietet nur ein einziger Hersteller.

Helm kaputt, Kopf heil: Beim POC Omne Air Mips hat die ­Helmschale die Aufschlagenergie bis zum Bruch effektiv absorbiert.Foto: Matthias BorchersHelm kaputt, Kopf heil: Beim POC Omne Air Mips hat die ­Helmschale die Aufschlagenergie bis zum Bruch effektiv absorbiert.

Leicht ist Out

Die Zeiten, in denen die Top-Helme immer auch die Leichtesten im Sortiment waren, sind passé. Das Mehrgewicht der aktuellen Helmgeneration resultiert einerseits aus dem zusätzlich integrierten Mips-System und/oder einer aus aerodynamischen Gründen geschlossenen Helmschale mit weniger Luftschlitzen, um dem Fahrtwind weniger Widerstand zu bieten. Der mit 223 Gramm leichteste Helm im Test ist im Umkehrschluss folglich ein klassisch anmutendes Modell ohne Rotationsschutz und mit vielen Luftschlitzen. Im Hinblick auf die Belüftung muss die moderne Bauart mit weniger Luftschlitzen aber übrigens kein Nachteil sein. Selbst bei den als „Aerohelm“ deklarierten Modellen entstand bei unserem ­Praxistest unter der Schale kein Hitzestau.

Sicher ist Sicher

In puncto Schutzfunktion liefert der Crashtest ein eindeutiges Ergebnis: Ein in den Helm integrierter Rota­tionsschutz wie Mips mindert das Risiko von Hirnverletzungen. Das belegen unsere Messwerte. Mips-Helme bieten also ein Sicherheitsplus gegenüber Helmen ohne dieses Ausstattungsmerkmal. Und die gute Nachricht: Die halb so teuren Modelle schützen genauso gut wie die Top-Helme.

Die 7 Rennradhelm-Paare im Einzeltest


Die Ergebnisse im Überblick

ModellNote
Abus Game Changer 2.02,3
Abus Stormchaser ACE1,9
Cratoni C-Zero Mips1,9
Cratoni Gravoq 2,3
Giro Eclipse Spherical2,0
Giro Cielo Mips2,1
MET Manta Tadej Pogačar 2,0
MET Estro Mips1,7
POC Ventral Mips1,7
POC Omne Air Mips2,0
Specialized S-Works Evade2,0
Specialized Search Mips2,1
Uvex Surge Aero Mips1,7
Uvex Rise2,6

So testet TOUR

Alle Rennradhelme mussten sich einem Labortest unterziehen.Foto: Robert KühnenAlle Rennradhelme mussten sich einem Labortest unterziehen.

Sicherheit (50 Prozent)

Spezielle Sicherheitssysteme – Mips & Co. – sollen messbar das Risiko von Kopfverletzungen senken, indem sie beim schrägen Aufprall auftretende Rota­tionskräfte verringern. Die bestehende Prüfnorm für Helme EN 1078 kann diese Szenarien nicht abbilden. Um die aktuelle Helmgeneration realitätsnah zu prüfen, haben wir in Eigenregie einen Helmprüfstand entwickelt und uns dabei an den in der Wissenschaft und von forschenden Herstellern eingesetzten Methoden orientiert. Für den Test wird der Helm auf einen 4,9 Kilogramm schweren Prüfkopf aus Aluminium angepasst. Helm und Kopf werden beim simulierten Sturz auf einem Schlitten geführt und treffen mit 21 km/h auf eine im Winkel von 45 Grad geneigte Stahlfläche auf. Schleifpapier in 40er-Körnung imitiert die Rauheit des Untergrunds – damit gehen wir analog zu den Prüfeinrichtungen Virginia Tech, Folksam und anderen Forschungseinrichtungen vor. Der Schlitten saust an der Auflagefläche vorbei und gibt den Helm frei, der nach dem Aufprall wegspringt. Ein Sechs-Achsen-Sensor im Prüfkopf zeichnet Beschleunigung und Drehraten um die drei Achsen im Raum beim Aufprall und in der sich anschließenden Flugphase auf. Im ersten Anlauf trifft der Helm frontal auf, im zweiten seitlich. Die Beschleunigung werten wir nach dem größten resultierenden Wert aus – je niedriger desto besser. Angegeben wird der Mittelwert aus vier Messungen. Die Kopfrota­tion rechnen wir um zum BrIC-Kriterium (Brain Injury Criterion), das aussagt, wie schädlich die Bewegung für das Gehirn ist. Diese Methode ist in der Wissenschaft verbreitet und ermöglicht über den sogenannten AIS-Code Aussagen zur Wahrscheinlichkeit einer Gehirnerschütterung.

Anpassung (20 Prozent)

Hierbei bewerten wir die Ausführung und Einstellbarkeit des Kopfrings sowie den Verlauf, Sitz und den Verschluss des Gurtsystems.

Kühlung (15 Prozent)

Die Belüftung testen wir mit einem starken Gebläse, das die Strömung auf bis zu 30 km/h beschleunigt. Der erhitzte, behelmte Kopf wird der Strömung ausgesetzt, und wir ermitteln die Kühlleistung.

Gewicht (15 Prozent)

Auf das Gewicht reagiert der Kopf besonders sensibel. 50 Gramm mehr oder weniger ­machen einen deutlichen Unterschied. Unser Test zeigt: Mehr Gewicht bedeutet nicht automatisch besseren Schutz.

Messwerte aus dem Labor

Risiko einer Gehirnerschütterung in Prozent

Risiko einer Gehirnerschütterung in ProzentFoto: TOUR MagazinRisiko einer Gehirnerschütterung in Prozent

Das Diagramm zeigt die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Radler bei dem von uns simulierten Sturzszenario eine mittlere Gehirnerschütterung erleiden würde. Diese lässt sich aus den gemessenen Drehbewegungen (BrIC, Brain Injury Criterion) errechnen. Der Zusammenhang zwischen BrIC und der Wahrscheinlichkeit einer Gehirnerschütterung (nach AIS-Code) ist nicht linear. Für die Bewertung bietet sich daher eher die Wahrscheinlichkeit an. Das Risiko für eine Gehirnerschütterung liegt zwischen 8 und 31 Prozent und beträgt im Mittel knapp 13,3 Prozent. Das Risiko, mit einem Helm ohne Mips eine Gehirnerschütterung zu erleiden, liegt laut unserem Test bei durchschnittlich 27,5 Prozent.

Beschleunigung in g

Beschleunigung in gFoto: TOUR MagazinBeschleunigung in g

Alle Helme im Test bleiben bei den Beschleunigungswerten, also den Kräften, die bei einem Aufprall noch auf den Kopf wirken, weit unterhalb der ­ Norm (250 g). Die Spanne reicht jedoch von 90,4 g (Uvex Surge Aero Mips) bis ­ zu 130,6 g (Uvex Rise) und zeigt, dass die Helme durchaus unterschiedlich gut schützen. Ein Zusammenhang zwischen reduzierter Rotationsbeschleunigung und guter Stoßdämpfung ist nach allen Tests nicht eindeutig feststellbar.

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