Mehr SicherheitRLS-Technologie verspricht vierfach reduziertes Gehirnerschütterungsrisiko

TOUR Redaktion

 · 23.09.2025

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Foto: RLS
RLS-Technik für mehr Schutz vor Gehirnerschütterung
Eine neue Helmtechnologie namens Release Layer System (RLS) soll das Risiko von Gehirnerschütterungen beim Radfahren deutlich reduzieren. Die von Londoner Ingenieuren entwickelte Innovation wird erstmals in Helmen von Canyon Bicycles zum Einsatz kommen. Unabhängige Tests bestätigen eine durchschnittlich vierfache Risikoreduktion im Vergleich zu herkömmlichen Helmen. Die Technologie soll besonders vor den gefährlichen Rotationskräften schützen, die bei Stürzen auf das Gehirn einwirken.

Die von britischen Ingenieuren entwickelte Innovation soll das Risiko von Gehirnerschütterungen im Vergleich zu konventionellen Helmen auf ein Viertel reduzieren. Besonders relevant erscheint diese Entwicklung vor dem Hintergrund der stark zunehmenden E-Bike-Nutzung und der damit verbundenen Unfallzahlen. Die Inzidenz von Kopfverletzungen bei E-Bike-Unfällen war 2022 etwa 49-mal höher als noch 2017 – eine Wachstumsrate, die sogar die Gesamtzahl der E-Bike-Verletzungen übertrifft. Das RLS-System adressiert speziell die gefährlichen Rotationskräfte, die bei Stürzen auf das Gehirn einwirken und als Hauptursache für traumatische Hirnverletzungen gelten. Canyon Bicycles wird als erster Hersteller die Technologie in seinen Helmen implementieren. Der Canyon Deflectr Trail Helmet mit RLS-Technologie soll noch in diesem Herbst auf den Markt kommen und führt bereits die Virginia Tech Helmratings an.

Funktionsweise der RLS-Technologie

Das Release Layer System basiert auf einem dreistufigen Mechanismus, der innerhalb von Millisekunden nach einem Aufprall aktiviert wird. Im Inneren des Helms befinden sich RLS-Panels, die mit einer leichten Polycarbonat-Lagerschicht verbunden sind. Diese Konstruktion wird aktiv, sobald eine signifikante Aufprallkraft registriert wird. Im ersten Schritt ("React") reagiert die patentierte RLS-Klebeschicht sofort auf die spezifische Aufprallkraft, löst ihren Griff und ermöglicht den Lagern, sich zu drehen. Im zweiten Schritt ("Roll") kann sich das RLS-Panel nun in jede Richtung auf den leichten Polycarbonat-Lagern bewegen, um die Rotationsenergie vom Gehirn wegzuleiten. Im dritten Schritt ("Release") löst sich das Panel vollständig, um die Rotationsenergie weiter zu verteilen und so den Helmträger besser vor Erschütterungskräften zu schützen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Helmen, die hauptsächlich auf lineare Aufprallkräfte ausgerichtet sind, und anderen Technologien wie Mips, die auf der Innenseite des Helms angebracht sind und nur einen begrenzten Bewegungsspielraum bieten, arbeitet RLS mit frei beweglichen Panels an der Außenseite des Helms, um Rotationsbewegungen effektiver zu reduzieren.

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Wissenschaftliche Validierung und Entdeckung

Die Wirksamkeit der RLS-Technologie wurde durch unabhängige Tests am ICUBE der Universität Straßburg, einem weltweit führenden Forschungszentrum für Biomechanik, bestätigt. Die Untersuchungen ergaben, dass Helme mit dem Release Layer System die maximale Rotationsgeschwindigkeit je nach Aufprallstelle um durchschnittlich 56 bis 66 Prozent im Vergleich zu identischen Helmen ohne RLS reduzieren. Dies entspricht einer Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Hirnverletzungen um 68 bis 84 Prozent, gemessen an der Abbreviated Injury Scale - Level 2. Die Entdeckung dieser Technologie erfolgte nahezu zufällig durch Jamie Cook, den Gründer von RLS und ehemaligen Mitbegründer von HEXR, einem Unternehmen für 3D-gedruckte Helme. Cook beobachtete, dass sich bei einem Unfall die äußeren Schalen des 3D-gedruckten Helms eines Kollegen lösten, was die Rotationskräfte und damit das Risiko einer Gehirnerschütterung erheblich reduzierte. Daraufhin begann er mit seinem Forschungsteam, die effizientesten Methoden zur Freisetzung von Panels zu erforschen, was zur Verwendung kleiner, leichter Lager zwischen den Schalen führte.

Markteinführung und Zukunftsperspektiven

Der erste für Verbraucher erhältliche Helm mit RLS-Technologie wird der Canyon Deflectr Trail Helmet sein, der im Herbst 2025 auf den Markt kommen soll. Canyon Bicycles mit Sitz in Koblenz hat eng mit dem RLS-Team zusammengearbeitet, um die Technologie in ihren neuen Helm zu integrieren. Der Deflectr Trail Helm belegt bereits jetzt den ersten Platz in den Virginia Tech Helmratings (Stand: 23.09.2025). "RLS ist in erster Linie darauf ausgelegt, das zu schützen, was dich ausmacht", erklärt RLS-Gründer und CEO Jamie Cook. "Deine Erinnerungen, deine Persönlichkeit, deine Vorlieben und Abneigungen befinden sich alle im faszinierendsten Teil des Körpers – dem Gehirn – und RLS wurde entwickelt, um das Wichtigste zu schützen. Wir sind unglaublich aufgeregt, diese Technologie heute zu launchen, besonders mit unseren Launch-Partnern bei Canyon, da wir eine Leidenschaft für Sicherheit und disruptive Technologie teilen." In den kommenden Monaten will RLS weitere führende Marken und Partner bekannt geben, die die RLS-Technologie in ihre Produkte integrieren werden. Die Innovation könnte nicht nur für Radfahrerinnen und Radfahrer, sondern auch für Motorradfahrer und Sicherheitskräfte relevant sein und einen bedeutenden Beitrag zur Reduzierung von traumatischen Hirnverletzungen leisten.

Bedeutung für die Radsportbranche

Die Einführung der RLS-Technologie markiert einen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung von Schutzausrüstung für den Radsport. Während herkömmliche Helme primär für lineare Aufprallkräfte konzipiert sind, adressiert RLS gezielt die Rotationskräfte, die bei den meisten realen Unfällen auftreten und als Hauptursache für traumatische Hirnverletzungen gelten. Die Technologie unterscheidet sich von bestehenden Lösungen wie Mips dadurch, dass sie an der Außenseite des Helms ansetzt und durch das vollständige Lösen von Panels eine wesentlich effektivere Ableitung der Rotationsenergie ermöglicht. Mit der zunehmenden Verbreitung von E-Bikes und der damit einhergehenden Steigerung der Durchschnittsgeschwindigkeiten im Radverkehr gewinnt der Schutz vor schweren Kopfverletzungen zusätzlich an Bedeutung. Die Partnerschaft mit Canyon Bicycles, einem der führenden Fahrradhersteller in Europa, unterstreicht das Potenzial der RLS-Technologie, zum neuen Standard in der Helmproduktion zu werden. Sollten weitere namhafte Hersteller folgen, könnte dies einen Paradigmenwechsel in der Konstruktion von Fahrradhelmen einleiten und langfristig zur Reduzierung von unfallbedingten Hirnverletzungen im Radsport beitragen.

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