Vuelta-Showdown am TourmaletDer legendäre Pyrenäen-Pass im Portrait

So grandios kann die Aussicht sein ...
Foto: Getty Velo
Als erster Hochgebirgspass im Streckenplan der Tour de France schrieb der Col du Tourmalet Geschichte. Auch heute noch fasziniert der Pyrenäenriese Fahrer und Fans.

"Bin gut über den Tourmalet gekommen. Stop. Straße in gutem Zustand. Stop. Keine Schwierigkeiten für die Fahrer." Sätze, die mittlerweile legendär geworden sind und wie keine anderen für die Zeit stehen, in der die Tour de France die Berge entdeckte.

Das Telegramm mit diesen Worten schickte Alphonse Steinès 1910 an den Tour-Direktor Henri Desgrange, nachdem er bei der Inspektion des ruppigen Schotterwegs in den Schneewehen fast erfroren wäre. Nach dieser schmeichelhaften Darstellung der brutalen Tatsachen wurde der Col du Tourmalet (2115 m) der erste Hochgebirgspass im Streckenplan der Tour de France. Damals war er kaum befahrbar, und selbst heute ist eine entsprechende Bergübersetzung unabdingbar.

Der schnelle Weg zur Antwort auf Ihre Frage

Col du Tourmalet - oben wird’s steil

Beide Rampen ziehen mit einer Durchschnittssteigung von gut sieben Prozent nach oben. Es gibt keine Passagen zum Ausruhen. Je näher man der Passhöhe kommt, desto steiler bäumt sich der Asphalt auf. Die Zehn-Prozent-Marke wird allerdings selten touchiert. Meist quält man sich geradeaus auf recht breiter Straße bergan, die kargen Hänge links und rechts sind von Skiliften durchzogen. Die längst sichtbare Passlücke will und will nicht näher rücken. Gipfel der Geschmacklosigkeit ist auf der Ostrampe der Trabantenort La Mongie. Zwischen dessen Bausünden endeten bereits mehrere Bergetappen. Neuerdings gibt es aber einen Lichtblick: Auf der Westrampe wurde die alte Straße auf einem Teilstück für den öffentlichen Verkehr gesperrt und als “Voie Laurent Fignon” für Rennradfahrer und -fahrerinnen freigegeben. Deshalb am großen Liftparkplatz hinter Barèges unbedingt rechts halten. Auf einigen Kilometern kann man nun die Auffahrt mit ungestörtem Blick zum 2872 Meter hohen Pic du Midi de Bigorre genießen.

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Der Col du Tourmalet im Detail

Auf der Nordseite des Pyrenäenhauptkamms im Gebiet der historischen Provinz Bigorre, heute im Département Hautes-Pyrénées, liegt der Col du Tourmalet. Er zählt mit 2115 Metern Höhe zu den höchsten befahrbaren Pässen Europas und ist der höchste asphaltierte Pass der französischen Pyrenäen. Er erhebt sich majestätisch über die Region und bietet atemberaubende Ausblicke - sofern das Wetter mitspielt. Seit seiner Erstbefahrung 1910 in der Tour de France hat der Tourmalet eine reiche Radsportgeschichte.

Für Rennradfahrer ist er ein Symbol für Leidenschaft und Abenteuer. Und so zieht der Col du Tourmalet jedes Jahr zahlreiche Rennradfahrer aus der ganzen Welt an, die sich der Herausforderung stellen und die unvergleichliche Schönheit der umliegenden Natur genießen wollen. Wer noch nicht da war, hat die 2115 Meter hohe Passhöhe ganz sicher auf seiner Bucket-List stehen. Die steilen Anstiege und die unberechenbaren Wetterbedingungen machen die Fahrt anspruchsvoll, doch die atemberaubende Bergkulisse belohnt - außer es ist Nebel.

Ostseite Col du Tourmalet: Etwa 1,5 Kilometer vor der Passhöhe - keine Sicht am Nachmittag der 7. Etappe der Tour de France FemmesFoto: Sandra SchuberthOstseite Col du Tourmalet: Etwa 1,5 Kilometer vor der Passhöhe - keine Sicht am Nachmittag der 7. Etappe der Tour de France FemmesWenig vorher war die Aussicht noch eine andere. Hier der Blick von der Passhöhe in Richtung WestenFoto: Sandra SchuberthWenig vorher war die Aussicht noch eine andere. Hier der Blick von der Passhöhe in Richtung Westen

Warum heißt der Tourmalet Tourmalet?

Tourmalet heißt nichts anderes als „schlechter Weg“. Zu schlecht für Tour-Sieger Octave Lapize, der bei der Erstbefahrung 1910 sein Rad schob. Mittlerweile sind sowohl die Auffahrten von der Ostseite als auch von der Westseite aber asphaltiert und gut befahrbar.

Wann ist der Col du Tourmalet geöffnet?

Die Auffahrten zum Col du Tourmalet sind meist von Juni bis ­November geöffnet. Kurzfristige Sicherheitssperrungen sind aber stets möglich. Informieren Sie sich vorher unter www.infotrafic.com (Etat des cols).

Wie hoch ist der Col du Tourmalet?

2115 Meter: Mit dieser Höhe ist der Tourmalet die höchste Pass-Straße in den französischen Pyrenäen. Höchster Übergang des französisch-spanischen Grenzgebirges ist der Port d’Envalira mit 2407 Meter Höhe, der auf dem Gebiet des Zwergstaats Andorra liegt.

Von welcher Seite ist der Tourmalet schwerer?

Die Westrampe misst von Luz-Saint-Sauveur 18,3 Kilometer mit 7,7 Prozent Durchschnittssteigung. Von Sainte-Marie-de-Campan auf der Ostseite geht’s über 17,1 Kilometer und mit durchschnittlich 7,4 Prozent Steigung hinauf. Allerdings sind die steilsten Stücke unterhalb von La Mongie mit 10 Prozent etwas knackiger.

Die West- und Ostseite des Col Du Tourmalet im ProfilFoto: TOUR MagazinDie West- und Ostseite des Col Du Tourmalet im Profil

So ist die Auffahrt von der Westseite zum Col du Tourmalet

  • Startort: Luz-Saint-Sauveur (711 m), Parkmöglichkeiten im Zentrum beim Office de Tourisme
  • Asphaltqualität: gut
  • Schwierigkeit: schwer
  • Höhenmeter: 1404
  • Kilometer: 18,2

... und so ist die Ostseite

  • Startort: Sainte-Marie de Campan (850 m), Parkmöglichkeiten im Ortsbereich
  • Asphaltqualität: gut
  • Schwierigkeit: schwer
  • Höhenmeter: 1265
  • Kilometer: 17

Einkehrmöglichkeiten

  • Westseite: Restaurants/Bars in Barèges (Km 7,4)
  • Ostseite: Restaurants/Bars in La Mongie (Km 13)
  • Passhöhe: Bar „Relais du Col“

Sehenswertes

Westseite: Kurz hinter dem Wintersportort ­Barèges wurde die alte Straße für den Autoverkehr gesperrt, und dem zweimaligen Toursieger Laurent Fignon zu Ehren als „Voie Laurent Fignon“ für Radler reserviert.

Ostseite: In Ste-Marie-de-Campan stand einst die Schmiede, wo Eugène Christophe 1913 seine gebrochene Gabel eigenhändig reparierte – und die Tour de France nach vier Stunden fortsetzte (Gedenktafel im Ort).

Passhöhe: Jaques-Goddet-Denkmal (Mitgründer der Zeitschrift l’Équipe, die 1903 die Tour de France ins Leben rief). Im „Relais du Col“ kann man historische Tour de France-Reliquien bestaunen.

Anfahrt

Zur Westseite des Col du Tourmalet: Ab ­Toulouse A 64 Richtung Biarritz, Ausfahrt 12 ­(Tarbes Ouest), N 21 nach Lourdes, weiter auf der D 821/921 über Argelès-Gazost nach Luz-Saint-Sauveur.

Zur Ostrampe vom Col du Tourmalet: Via Toulouse wie zur Westseite, ab Tarbes auf der D 935 über Bagnères-de-Bigorre nach ­Ste-Marie-de-Campan.


Touren rund um den Col du Tourmalet

Die Absperrgitter sind nicht immer zu finden auf den letzten Metern der Ost-Auffahrt zum Col du Tourmalet. Hier sichern sie die letzten Meter für die Bergankunft der Tour de France Femmes 2023.Foto: Sandra SchuberthDie Absperrgitter sind nicht immer zu finden auf den letzten Metern der Ost-Auffahrt zum Col du Tourmalet. Hier sichern sie die letzten Meter für die Bergankunft der Tour de France Femmes 2023.

Rauf und runter ist das eine, aber eine Tourmalet-Rundfahrt ist doch viel schöner als den gleichen Weg wieder zurück zu fahren. Außerdem bietet die Region rund um den Col du Tourmalet noch weitere Rennradziele. Wir stellen fünf Touren vor.

Von Luz Saint Sauveur aus lassen sich zahlreiche Bergziele erreichen. Neben zwei klassischen TdF-Bergankünften, die in eher tristen Skistationen enden, sind die Aufstiege zum Cirque Troumouse und zur Port de Boucharo landschaftlich schön. Da vergisst man sogar den schlechten Straßenbelag.

Tour 1: Tourmalet-Rundfahrt

Diese Tourmalet-Runde vermeidet weit­gehend große Straßen in den Tälern. Sehr schön sind der idyllische Abschnitt zwischen Bagnères und Lourdes und kurz vor dem Ziel die Schlucht Gorge de Luz.

Von Luz-St-Sauveur über den Col du Tourmalet hinab nach Ste-Marie-de-Campan und ­Bagnères-de-Bigorre. In Pouzac links (D 26) via Neuilh, Arrodets und Juncalas, zur D 13, der man links folgt nach Ger, Ayros-Arbouix und Préchac. Von dort zum Start.

  • 97 Kilometer, 1950 Höhenmeter

Tour 2: Bergankunft Hautacam & Col du Tramassel

Die Tour-de-France-Bergankunft (18. Etappe der Tour de France 2022) auf der Strecke von Lourdes Hautacam liegt auf 1520 Metern. Auf unserer Tour müssen Sie aber keine 143,2 Kilometer abspulen. Von Luz Saint Sauveur geht’s nach Argelès-Gazost. Von dort klettert man auf 15,9 Kilometern ganze 1200 Höhenmeter. Wer will, nimmt noch den Col de Tramassel (1615 m) mit. Dann geht es zurück zum Start - man muss nicht komplett den gleichen Weg fahren.

  • Luz Saint Sauveur -Argelès-Gazost - Hautacam-Lourdes: 59 Kilometer, 1800 Höhenmeter
  • Plus Col de Tramassel (von Hautacam zurück, rechts abbiegen und weiter hinauf): 61 Kilometer, 1900 Höhenmeter

Tour 3: Kurz und knackig

Luz Ardiden liegt in 1715 Meter Höhe. Von Luz-St-Sauveur aus sind es 14,5 Kilometer und 1000 Höhenmeter. Wer will, kann an in einem anderen Ort starten und die Tour so verlängern

Tour 4: Col des Tentes & Port de Boucharo

Der Port de Boucharo (2270 m) ist ein unbekannter Pass an der spanischen Grenze. Nur die französische Seite ist asphal­tiert. Von Luz-St-Sauveur nach Gavarnie, dann zum Col des ­Tentes. Macht zusammen 31,6 Kilometer und 1800 Höhenmeter - und dann gehts das Ganze wieder zurück zum Start.

  • 31,4 Kilometer, 2100 Höhenmeter

Tour 5: Cirque de Troumouse

Serpentinenreicher Anstieg zum 2103 Meter hoch gelegenen Felsenkessel Cirque de Troumouse. Von Luz-St-Sauveur nach Gèdre (D 921), dann: Cirque de Troumouse. 28 Kilometer, 1600 Höhenmeter. Mit Rückfahrt sehen die Tourdaten dann so aus:

  • 57 Kilometer, 1800 Höhenmeter

Der Col du Tourmalet und die Tour de France

1974: Das Jahr der bisher einzigen Bergankunft auf der Passhöhe des Tourmalet, der damals von der Ostseite befahren wurde. Es gewann Jean-Pierre Danguillaume, der im selben Jahr positiv auf Amphetamine getestet wurde. In den Jahren 1970, 2002 und 2004 gab es Bergankünfte in der Skistation La Mongie, die an der Ostrampe des Tourmalet rund fünf Kilometer unterhalb der Passhöhe liegt. Die Sieger: Bernard Thévenet, Lance Armstrong, Ivan Basso.

85 +1 Mal war die Passhöhe des Tourmalet schon Teil der Tour de France

85 +1 ist die Zahl der Auffahrten auf den Tourmalet während der Tour de France – seit der ersten Passage 1910. Er ist damit der am häufigsten im Rennen überquerte Pass. Und warum +1? Weil er 2023 Teil der Tour de France Femmes war. Die siebte Etappe endete mit einer Bergankunft im dichten Nebel. Demi Vollering (NL), die später auch die Gesamtsiegerin wurde, konnte diese Etappe für sich entscheiden.

Noch ein Kilometer zum ZielFoto: Sandra SchuberthNoch ein Kilometer zum Ziel

Premiere 1910 mit 500 Francs Sonderprämie

Bei der Premiere 1910 ist der spätere Tour-Sieger Octave Lapize als Erster auf der Passhöhe. Doch nur einer schafft den Tourmalet, ohne einen Fuß auf den Boden zu setzen: der Zweitplatzierte Gustave Garrigou. Er erhält dafür 500 Francs Sonderprämie. Im Jahr darauf gewinnt Garrigou die Tour, muss aber am Galibier in den Alpen absteigen.

14 Kilometer schieben - bergab

Diese Legende ist so skurril, dass sie bei jeder Tourmalet-Überquerung erzählt wird: Eugène Christophe hatte bei der Tour 1913 als Zweiter die Passhöhe passiert, als ihm in der Abfahrt die Gabel brach. Der Franzose musste 14 Kilometer zu Fuß vom Tourmalet absteigen. Nach stundenlanger Reparatur in einer Schmiede in Sainte-Marie-de-Campan bekam er eine Strafminute aufgebrummt, weil ein Junge beim Reparieren den Blasebalg betätigt hatte. Fremde Hilfe war strikt verboten. Im Gesamtklassement belegte der Pechvogel am Ende den siebten Rang. Christophe war zwar 1919 der erste Träger des neu eingeführten Gelben Trikots – die Tour gewann er jedoch nie.

Souvenir Jacques Goddet

In der Nähe der Passhöhe steht ein Denkmal für Jacques Goddet, den im Jahr 2000 verstorbenen Sportjournalisten und langjährigen Direktor der Tour de France. An seinem Gedenkstein wird das „Souvenir Jacques Goddet“ ausgelobt. Das Souvenir Jacques Goddet ist seit 2001, also seit dem Jahr nach seinem Tod, als Sonderwertung Teil der Tour de France. Der Fahrer, der die Bergwertung als erstes erreicht, bekommt die Prämie von 5000 Euro. Übrigens: In Jahren, in denen die Tour de France dem Col du Tourmalet keinen Besuch abstattet, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder findet die Sonderwertung nicht statt, oder sie wird an einem anderen Pyrenäen-Pass vergeben.

Der Col du Tourmalet und die Vuelta a Espana

2023 macht die Spanien-Rundfahrt auf der 13. Etappe Station auf dem Pyrenäen-Riesen. Von Formigal in Spanien, geht es über den Portalet über die Grenze nach Frankreich. Nach Aubisque und Spandelles wartet von Luz-Saint-Saveur die Auffahrt auf den gefürchteten Col du Tourmalet.

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