Jens Klötzer
· 10.04.2023
Man kann Rennräder auf ganz unterschiedliche Arten sammeln: fabrikeu, restauriert, in zeitgenössischem Zustand. TOUR zeigt zwei ausgewählte Beispiele.
Uli Schoberer sammelt italienische Retro-Rennräder der 1970er-Jahre. Sein Prinzip: Klassiker in makellosem und originalem Neuzustand.
Uli Schoberer ist Zahntechniker, was irgendwie gut zu seinem Verhältnis zu alten italienischen Rennrädern passt. Der 59-Jährige infizierte sich spät mit dem Virus für das zeit- und kostenintensive Hobby, als die flügge werdende Tochter einen kaputten Klassiker als Stadtrad anschleppte. “Obwohl ich schon immer Rennrad fuhr, haben mich Oldtimer vorher nie interessiert”, sagt er. Zehn Jahre später blitzen zig perfekt restaurierte Preziosen mit verchromten, gravierten und durchlöcherten Komponenten in einem laborsauberen Raum um die Wette. Schoberer beschränkt sich auf italienische High-End-Modelle der 70er-Jahre, “damit es nicht ausufert”, wie er sagt.
Alle seine Retro-Rennräder sind in ladenneuem Zustand, alles blinkt und blitzt, als wäre es gerade erst ausgepackt worden. Jedem Kratzer, jedem Anflug von Rost und jeder Gebrauchsspur an Felgen, Ritzeln oder Kettenblättern rückt Schoberer zu Leibe, am liebsten selbst und mit medizintechnischer Akribie. Um einen seiner Klassiker zu fahren, hält er extra einen “Draußen-Laufradsatz” vor, damit die Reifen nicht schmutzig werden. Schoberer sammelt nur neuwertige Klassiker; Räder, denen man die Nutzung ansieht, lehnt er ab. “Es gibt Ausnahmen, zum Beispiel Räder berühmter Sportler. Aber bei normalen Rädern ist Patina für mich immer ein Zeichen von schlechter Behandlung”, findet der Rad-Ästhet. Ein echtes Lieblingsstück kann er in seiner Sammlung nicht ausmachen, in jedem einzelnen stecke viel Herzblut, sagt er. Aber die meisten Emotionen weckte bei ihm bislang das gezeigte Pogliaghi.
Baujahr: ca. 1977
Besonderheiten: restauriert 2020, seither ungefahren. Vorbau, Sattelstütze, Schalthebel und Kettenblatt mit Pantografien
Ausstattung: Campagnolo Super Record, Titan-Tretlager, Everest-Alu-Zahnkranz, geschlitzte Kette, Fiamme-Ergal-Felgen
Pogliaghi ist für mich einer der größten Rahmenbauer seiner Zeit. Einen befreundeten Sammler musste ich mehr als ein Jahr überreden, bis er mir das Rad überließ, aber es hat sich gelohnt. Von allen Rädern, die ich habe, fährt sich dieses am schönsten. Ich kann nicht mal sagen, warum.
(Ulrich Schoberer)
Peter Hopf interessiert sich besonders für die Geschichten von Rädern und ihren Besitzern. Er sammelt Fahrräder in ihrem zeitgenössischen Zustand.
Für Peter Hopf gibt es nicht mehr viel, was ihn noch so begeistert, dass er’s nicht mehr hergeben würde. Der 62-Jährige verbrachte sein ganzes Berufsleben in der Fahrradbranche, als Händler, Vertreter und Berater. Im Karriereherbst beschloss er, seine Leidenschaft zum Geschäft zu machen: Er begann, mit alten Rädern, Komponenten und Zubehör zu handeln, was ihn schnell zu einer renommierten Adresse in der Sammlerszene machte. In seinen Räumen im oberbayerischen Murnau haben sich inzwischen etwa 50 mindestens sehenswerte Räder angesammelt, dazu Schränke voller Komponenten und Zubehör.
Dabei ging ihm schon alles Mögliche durch die Hände, was irgendwie selten, exklusiv und teuer war, von italienischem Stahl bis zu Titan aus den USA. “Ich hatte schon wirklich seltene Räder, musste aber lernen, mich auch mal von etwas zu trennen”, beschreibt er sein heutiges Verhältnis zu alten Rädern. Seine Exponate haben in der Regel Patina, sind aber gut gepflegt; Hopf schaut im Zweifel mehr auf Alltagstauglichkeit als auf Originalität. Für ihn sind Räder zum Fahren da, bekommen auch mal neue Reifen, Sättel oder Lenker. Er hat auch ein Auge für besonders originelle oder nützliche Retro-Rennräder, das alles hält die Investitionen in überschaubaren Grenzen.
Ihm fallen nur eine Handvoll Räder ein, bei denen es großer Überzeugungsarbeit bedürfte, damit er sie abgibt: Ein Eddy Merckx, mit dem seine Klassikerleidenschaft anfing, eines der ersten Mountainbikes von ca. 1980, oder das gezeigte Ganolo-Rennrad mit der kuriosen Rahmenform. “Zu jedem dieser Räder könnte ich einen halben Tag lang eine Geschichte erzählen”, sagt er. Das Ganolo gehörte dem Starnberger Wolfgang Pappel, ehemaliger Segelweltmeister. Pappel trainierte in seiner aktiven Zeit mit der deutschen Rad-Nationalmannschaft, weshalb der Rahmen in den damaligen Teamfarben lackiert ist.
Baujahr: ca. 1989, unrestauriert
Besonderheiten: Lackierung in den Farben der deutschen Nationalmannschaft, innen verlegte Kabel für Geschwindigkeits- und Trittfrequenzsensor
Ausstattung: Shimano Dura-Ace, Mavic-Naben und -Felgen, Tuning-Lager von Omas
Das Ganolo bedeutet mir viel. Es ist selten und skurril. Und mir liegen Räder am Herzen, bei denen mir die Menschen dahinter nahe sind. Mir geht’s weniger um den Wert, sondern um die Geschichte dahinter.
(Peter Hopf)