Kurz nach der Vorstellung des neuen Wettkampfrads Tarmac legt Specialized mit einem neuen Marathonrad nach und konzipiert das Roubaix SL8 als vielseitiges Allroad-Bike. Per Definition soll die Neuheit damit alle Straßen unter die Reifen nehmen und die Vorzüge eines langstreckentauglichen Marathonrads und geländegängigen Gravelbikes vereinen. Dieser Ansatz ist nicht neu. Viele andere Hersteller bieten bereits vergleichbare Konzepte an, wie unser Test von Allroad-Bikes in TOUR 10/2023 zeigt. Dennoch versprechen die Kalifornier für ihre Interpretation eines modernen Marathonrads ein “himmlisches Fahrgefühl”.
Schon beim ersten Roubaix aus dem Jahr 2003 schrieb Specialized das Thema Komfort groß und verpasste dem Ur-Modell Dämpfungselemente in Form von Elastomerkissen in Sitzstreben, Sattelstütze und Gabel. Die Federwirkung ließ sich zwar nicht sinnvoll nachweisen, doch der Weg war bereitet. Seit der Einführung des sogenannten Future-Shock-Systems, eine integrierte Federung zwischen Vorbau und Steuerrohr, im Jahr 2016 setzt das Marathonrad aus Morgan Hill Maßstäbe und verdient sich in TOUR Bestnoten beim Komfort.
Das neue Roubaix ist mit Future Shock 3.0 ausgestattet, das im Vergleich zur Vorgängerversion 2.0 mehr Einstellmöglichkeiten bietet. Es werden drei unterschiedliche Federn (Weich, Mittel, Hart) angeboten, von denen jede mit bis zu fünf Unterlegscheiben vorgespannt werden kann. Dadurch soll das Roubaix an das jeweilige Terrain und das Fahrergewicht angepasst werden können. Laut Specialized sei der Wechsel für jeden Hobbyschrauber möglich, der auch einen Vorbau tauschen kann.
Neben den konstruktiven Einstellmöglichkeiten gibt es bei den Top-Modellen (S-Works, Pro) weiter die Möglichkeit, das hydraulische Future-Shock-System während der Fahrt mithilfe eines Drehrädchens zu blockieren. Bei den Mittelklasse- (Expert, Comp) und Basismodellen (Sport, Base) ist dies nicht möglich.
“Als ich Paris-Roubaix zum ersten Mal ohne Dämpfer gefahren bin, hatte ich eine Woche lang geschwollene Finger”, sagt Peter Sagan, der 2018 in der “Hölle des Nordens” triumphierte. “Mit Future Shock merkt man gar nicht mehr, dass man auf Kopfsteinpflaster fährt”, ergänzt der slowakische TotalEnergies-Profi, der nach dieser Saison seine erfolgreiche Karriere als Straßenradprofi beenden wird.
Für mehr Komfort spendieren die US-Amerikaner dem neuen Roubaix außerdem eine riesige Reifenfreiheit. Bis zu 40-Millimeter-Schlappen - bis vor ein paar Jahren das Standardmaß an Gravelbikes - passen durch Rahmen und Gabel. In der siebten Generation war bereits bei 33 Millimetern Schluss. Serienmäßig rollt das SL8 auf 32 Millimeter breiten Pneus. Mit Schutzblechen gibt Specialized das Rahmen-Set für 35-Millimeter-Reifen frei. Am Heck erhöht die tief geklemmte Sattelstütze mit langem Auszug den Fahrkomfort.
Die Rahmengeometrie ließen die Kalifornier im Vergleich zum Vorgänger nahezu unverändert. Lediglich der Radstand wurde etwas verlängert, damit man im Einsatz mit Breitreifen nicht mit den Schuhen am Vorderrad anstößt. Dadurch dürfte das Roubaix noch laufruhiger sein. Die rückenschonende Sitzposition unterstreicht das Komfortkonzept zusätzlich.
Gewichtsmäßig soll die neue Version des Specialized Roubaix ebenfalls auf dem Niveau des SL7 liegen. Das Carbon-Lay-up ist ans Leichtbau-Modell Aethos angelehnt und soll eine Ersparnis von 50 Gramm für den Rahmen bringen. Das leichteste Komplettrad (S-Works SL8) bringt in Rahmengröße 56 und hochwertiger Carbonqualität 7,3 Kilogramm auf die Waage, so Specialized. Die einfache Basisversion ist rund 2,2 Kilogramm schwerer.
Zu guter Letzt nahm sich die Entwicklungsabteilung aus Morgan Hill - natürlich - auch der Aerodynamik an und optimierte Unterrohr, Steuerrohr und Sitzstreben. Dadurch soll das SL8 um vier Watt schneller sein. Bei einer Tretleistung von drei Watt/Kilogramm sei man auf einem 100-Kilometer-Kurs damit elf Sekunden schneller am Ziel. Für die meisten Hobbyfahrer und Langstreckenspezialisten dürfte dieser Benefit sicher weniger ausschlaggebend sein als der Komfort.
Das neue Marathonrad, pardon, Allroad-Bike der Kalifornier wird in sieben Ausstattungsvarianten angeboten. Die Speerspitze stellt das S-Works-Modell mit SRAM Red AXS und leichtem Carbon-Laufradsatz der Eigenmarke Roval dar, mit 14.000 Euro ist dieses allerdings genauso teuer wie das kürzlich vorgestellte Tarmac SL8 und kommt nur für ein kaufkräftiges Publikum infrage. Auch die 9000 Euro teure Pro-Version mit Force AXS bewegt sich leider auf dem Niveau von Wettkampfrädern. Preislich attraktiver wird es ab der Expert-Variante, die für 6500 Euro erhältlich ist. Doch sowohl dieses Modell als auch die Versionen darunter (Comp, Sport, Basis) sind vergleichsweise schwer.
Die neue, mechanische 105 von Shimano mit 2x12-Antrieb ist scheinbar so neu, dass Specialized noch kein Produktfoto zu der Ausstattungsvariante vorliegen hat.