Wie klein lässt sich ein Rennrad mit modernen Komponenten bauen? Auf diese Frage versucht Giant mit dem neuen Kinder-Rennrad Seek eine Antwort zu geben. Das Kinderfahrrad, das sich mit unterschiedlicher Bereifung als Straßenrenner oder Gravelbike für leichte Feldwege nutzen lässt, soll für Kinder von 130 bis 150 Zentimetern Körpergröße passen und ist mit elektronischer Schaltung und hydraulischen Scheibenbremsen auf dem neusten Stand der Technik. In der mehr als 3.000 Euro teuren Top-Variante - allein die gezeigte Lackierung kostet 300 Euro Aufpreis - rollt es sogar auf Aero-Felgen aus Carbon. Giant setzt beim Seek auf einen Aluminiumrahmen in Einheitsgröße, der auf Laufrädern im 27,5-Zoll-Maß (650B) aufbaut. Er fällt durch sein stark abfallendes Oberrohr auf, das fast geradlinig in die Kettenstreben übergeht und so eine möglichst geringe Überstandshöhe bietet. Neben Rahmen und Laufrädern verkleinert Giant am Seek aber auch etliche weitere kritische Komponenten. Der eigens entwickelte Lenker ist 32 Zentimeter schmal und verfügt über einen Reach, der kaum der Rede wert ist. Die Kurbelarme sind nur 130 Millimeter kurz, und selbst die Bedienhebel der elektronisch schaltenden Vistar-Gruppe von TRP sind eine speziell für das Seek entwickelte Miniaturausgabe: Die Griffkörper sind deutlich kürzer und haben weniger Umfang, die Griffweite der Bremshebel wurde um mehr als ein Drittel reduziert.
Die erste Bewährungsprobe für das Mini-Giant ist eine Fahrerin, die mit 1,23 Metern Körpergröße eigentlich noch deutlich zu klein für das Rad wäre, es aber unbedingt probieren möchte. Klar, in dem Alter ist ein Rennlenker völliges Neuland, doch wo es bremst und schaltet, ist dank „Knöpfchenschaltung“ kinderleicht im Wortsinn - und schnell verinnerlicht. Das Aufsteigen ist anfangs noch die größte Hürde, weil das Rad allein durch die Laufräder ungewohnt hoch ist. Aber als das nach wenigen Versuchen problemlos klappt, ist es verblüffend, wie schnell und wie spielerisch völlig Rennrad-unerfahrene Kinder mit dem Seek zurechtkommen. Schon die Sechsjährige sitzt bequem und kommt ohne Verrenkungen an die Bremshebel, von Unsicherheit ist trotz der schmalen Reifen keine Spur. Die kleine Übersetzung ist vielleicht sogar etwas zu gut gemeint, in der Ebene wird meist der zweitgrößte Gang gefahren. Auf so steile Berge, die den kleinsten Gang nötig machen würden, sollte man Kinder in dem Alter noch nicht ansetzen. Ein etwas größeres Kettenblatt wäre spätestens dann sinnvoll, wenn die Kinder größer und leistungsfähiger werden.
Die Fahrt auf dem ungewohnt leichten und vor allem leicht rollenden Flitzer zaubert jedenfalls ein dauerhaftes Grinsen ins Gesicht. Wie sich das anfühlen muss, dürften alle Erwachsenen nachvollziehen können, die sich an ihre erste Fahrt mit einem leichten, hochwertigen Rennrad erinnern können. Nicht verschweigen sollte man die geometrischen Kompromisse, die der Rahmenbau mit den immer noch verhältnismäßig großen Laufrädern erfordert. Neben der schieren Höhe kann es außerdem passieren, dass die Fußspitze trotz der kurzen Kurbeln beim Fahren enger Kurven an den Vorderreifen gerät. Gerade mit der mitgelieferten 35 Millimeter breiten Gravel-Bereifung wird das kritisch, die aber ist für den Einstieg überaus sinnvoll. Für die Kids sind das erfahrungsgemäß kleinere Übel: Daran kann man sich gewöhnen und es üben. An zu lange Rahmen, zu große Lenker oder zu mächtige Hebel aber nicht, denn damit macht das Fahren keinen Spaß.
Nach den Tests mit drei Kindern um 130 Zentimeter darf man das Fazit ziehen, dass Giant beim Seek sehr vieles richtig macht, der Zuschnitt auf kleine Körpermaße ist extrem gut gemacht und derzeit konkurrenzlos. Und wir müssen eingestehen, dass hydraulische Scheibenbremsen, elektrische Schaltungen und leichte Carbonfelgen zwar für erwachsene Rennfahrer entwickelt, aber letztlich für Kinder ein noch größerer Segen sind – das Seek macht ihnen definitiv Lust auf mehr Kilometer. Mehr als 3.000 Euro für ein Kinderfahrrad ist die Kehrseite; in den Genuss dieses Rades dürften nur die Sprösslinge wirklich reicher Eltern kommen. Auch gebraucht wird das Rad nur selten zu haben sein. Die Einstiegsversion Seek 2, die mit Alufelgen, Microshift Zehnfach-Schaltung und rund einem Kilo mehr Gewicht kommt, ist mit 1.799 Euro immer noch teuer. Immerhin, dank genügend Sattelstützenauszug ist es realistisch, dass das Rad tatsächlich bis 1,50 Meter und damit mehrere Jahre passt. Gegebenenfalls muss später ein längerer Vorbau montiert werden, der sich aber leicht wechseln lässt.
überzeugendes Geometriekonzept, hochwertige und kindgerechte Komponenten
sehr teuer