Angesichts eines Sommers wie diesem mag man es eigentlich nicht wahrhaben, doch auch heuer trudelt die Straßensaison Mitte Oktober aus. Für viele Rennfahrer – auch Top-Straßenprofis – geht’s dann ins Gelände zum Querfeldeinsport und damit in die Nische, in die sich reinrassige Cyclocross-Räder zurückgezogen haben. Die wendigen Rennmaschinen mit vergleichsweise schmalen Reifen sind fast nur noch im Rennsport anzutreffen, weshalb auch nur noch wenige Hersteller den Aufwand betreiben und Crosser im Sortiment halten. Cervélo zum Beispiel kann fast nicht anders, ist der kanadische Hersteller doch Ausrüster von Wout van Aert, einem der weltbesten und erfolgreichsten Cross-Profis der Gegenwart. Das R5-CX des belgischen Alleskönners ist nahezu identisch mit unserem Testrad – und ein Paradebeispiel dafür, warum man ein Crossbike auch im Jahr 2023 nicht zum alten Eisen zählen sollte.
Ab der ersten Kurbelumdrehung macht das Cervélo deutlich, dass es in hohem Tempo über Schotter- und Waldwege bewegt werden will. Durch das geringe Gewicht, vergleichbar mit den leichtesten Race-Gravelbikes, beschleunigt das R5-CX spielerisch. Kurven lassen sich präzise und direkt ansteuern, sofern der Untergrund nicht zu ruppig oder lose ist. Dann bräuchte es vermutlich die Steuerkünste eines van Aert, um den Haftungsnachteil der vergleichsweise schmalen Crossreifen auszugleichen. Andererseits geht es mit den 33-Millimeter-Pneus auch auf Asphalt ordentlich vorwärts. Rahmen und Gabel lassen zudem ausreichend Luft, womit wohl auch bis zu 40 Millimeter passen dürften – das aktuelle Standardmaß an Gravelbikes. Mit etwas dickeren Reifen würden zudem weniger Stöße an Sattel und Lenker-Vorbau-Kombi rütteln.
Leichte Abzüge bekommt das Cervélo R5-CX, das an den Wettkampf-Allrounder R5 angelehnt ist, für das beschränkte Gangspektrum mit nur einem Kettenblatt; eine Zweifach-Kurbel ließe sich nachrüsten. Wer wie beim Gravelbike nach Anschraubpunkten für Taschen oder Schutzbleche sucht, sucht vergeblich. Das Cervélo ist ein schnörkelloses Spaßmobil. Unsere Ausstattungsvariante mit Force AXS und Laufrädern der Eigenmarke Reserve ist eine von zwei Versionen und kostet bereits 9699 Euro. Mit Red AXS wird es fünfstellig. So werden Crosser aus dem Hause Cervélo in den Wäldern der Republik wohl eine seltene Erscheinung bleiben.
Gesamtnote: 1,8
*Gewogene Gewichte. | **Herstellerangabe Testgröße fett. | ***Stack/Reach projiziertes senkrechtes/ waagerechtes Maß von Mitte Tretlager bis Oberkante Steuerrohr; STR (Stack to Reach) 1,36 bedeutet eine sehr gestreckte, 1,60 eine aufrechte Sitzposition. | ****Laufradgewichte inklusive Bereifung, Kassette, Schnellspanner/Steckachsen und ggf. Bremsscheiben. | *****Einzelnoten, die unterschiedlich gewichtet in die Gesamtnote einfließen, drucken wir aus Platzgründen nur zum Teil ab. Die Noten werden bis zur Endnote mit allen Nachkommastellen gerechnet; zur besseren Übersichtlichkeit geben wir aber alle Noten mit gerundeter Nachkommastelle an.