Julian Schultz
· 09.09.2025
Die vierte Generation des Diverge bleibt seinen Wurzeln treu. Specialized habe laut eigener Aussage “das Rad nicht neu erfunden”, schärft mit einigen technischen Neuerungen aber weiter den Charakter als abenteuertaugliches Geländerad. Zu den wichtigsten Updates zählen eine größere Reifenfreiheit von bis zu 50 Millimetern, ein voluminöseres Staufach im Unterrohr und die aktuellste Version des hauseigenen Federsystems unter dem Vorbau. Zudem passten die Kalifornier die Geometrie an, um das Diverge für eine große Zielgruppe attraktiv zu machen.
Das Motto “Smoother is faster”, das Specialized erstmals beim langstreckentauglichen Roubaix einführte, findet beim Diverge weiter Anwendung. Wie die jüngste Ausbaustufe des Marathonrads bekommt nun auch das Gravelbike das sogenannte Future Shock 3.0 spendiert. Die Federung unterhalb des Vorbaus soll einen Federweg von 20 Millimetern bieten. Auf dem TOUR-Prüfstand ermittelten wir für das S-Works Roubaix SL 8 zwar etwas weniger, gleichwohl sind die 15 Millimeter bei einer Prüflast von 40 Kilogramm sehr beeindruckend. In der Praxis reagiert das System vor allem bei groben Fahrbahnunebenheiten und bügelt diese glatt.
Die Top-Version namens Future Shock 3.3 bietet darüber hinaus zahlreiche Einstellmöglichkeiten, um den hydraulischen Stoßdämpfer an Untergrund und Fahrer- bzw. Systemgewicht anzupassen. Vor der Fahrt mit unterschiedlichen Federhärten und Vorspannscheiben, während der Fahrt per Drehregler am Vorbau. Einziger Haken: Den vollen Funktionsumfang bekommt man am Diverge nur bei den beiden teuersten Ausstattungsvarianten Pro und Pro LTD. Die Carbonmodelle Expert, Comp und Sport verzichten auf das Rädchen zur Einstellung der Druckstufe (Future Shock 3.2), die Alu-Plattformen E5 Comp und E5 Sport verzichten auf einen Hydraulikzylinder (Future Shock 3.3). Eine Lockout-Funktion, um das System komplett starr zu stellen, gibt es nicht.
Ergänzt wird die Federung am Heck durch eine nachgiebige Carbon-Sattelstütze, die laut Specialized einen maximalen Flex von 18 Millimetern erlaubt. Auch hier dient das S-Works Roubaix SL 8 aus unserem Test als Referenz, da sich beide Plattformen dieselbe Stütze der hauseigenen Komponentenmarke Roval teilen: So ergab die Komfortmessung bei einer standardisierten Sitzhöhe von 750 Millimetern und einem Prüfgewicht von 80 Kilogramm einen Flex von rund elf Millimetern. Ein sehr guter Wert, wie ihn auch aktuelle Modelle wie das Cannondale SuperX, Giant Revolt, Storck Grix.2 oder Trek Checkmate erreichen. Der Spitzenreiter in dieser Disziplin kommt bis dato ebenfalls von Specialized: Das Diverge STR gibt am Heck dank eines integrierten Dämpfers um bis zu 30 Millimeter nach.
Eine größere Reifenfreiheit rundet den Komfortansatz des neuen Diverge ab. Demnach lässt sich das Gravelbike mit bis zu 50 Millimeter breiten Gummis ausstatten. Specialized nennt ferner die Option, die Neuheit mit maximal 56 Millimeter breiten Walzen (2,2 Zoll) fahren zu können. Jedoch weisen die US-Amerikaner gleichzeitig daraufhin, dass mit diesem Setup der Freigang gemäß ISO-Norm von sechs Millimetern unterboten werde. Der nötige Platz für voluminöse Stollenreifen wird durch längere Kettenstreben mitsamt einer Aussparung geschaffen. Serienmäßig rollen die Modelle auf 45-Millimeter-Pneus aus eigener Herstellung.
Bei der Geometrie adaptieren die Kalifornier ihr Know-How aus dem MTB-Bereich, indem der Reach ab Rahmengröße 54 proportional länger wird. In Kombination mit einem kurzen Vorbau liege dadurch weniger Gewicht auf dem Vorderrad, wovon größere Fahrerinnen und Fahrer auf steilen Abfahrten oder bei schnellen Richtungswechseln profitieren sollen. Parallel dazu deuten ein flacherer Lenkwinkel, längerer Radstand und tieferes Tretlager auf eine hohe Spurtreue und ein unkompliziertes Handling auf ruppigem Terrain hin. Die Carbon- und Alu-Modelle basieren dabei auf der identischen Geometrie.
Bei der sogenannten SWAT-Technologie (Storage, Water, Air, Tools) hingegen unterscheiden sich beide Plattformen. Während das Diverge aus Carbon ein im Vergleich zum Vorgänger etwas größeres Staufach mit überarbeitetem Deckel auszeichnet, übernehmen die Versionen aus Alu das System des alten Modells. Laut Specialized sollte es “das erste und einzige Gravelbike aus Aluminium mit Stauraum im Unterrohr” sein. Kurz vor der offiziellen Vorstellung schlug Rose den US-Amerikanern jedoch ein Schnippchen und präsentierte mit dem Backroad AL ebenfalls ein Alu-Bike mit “Kofferraum”. Befestigungspunkte für Gepäckträger und Schutzbleche am Rahmen-Set sowie zusätzliche Montageösen an Ober- und Unterrohr runden beim Diverge den Charakter als abenteuertaugliches Gravelbike ab.
Durch Federung, Staufach und Gepäckoptionen grenzt sich das vielseitige Diverge gewichtsmäßig klar vom wettkampforientierten Crux des US-Herstellers ab. Das offizielle Gesamtgewicht von 8,0 bzw. 8,4 Kilogramm für die beiden Top-Modelle (Pro LTD, Pro) ist angesichts der genannten Zusatzfunktionen dennoch bemerkenswert. Im aktuellen Testjahr nimmt bislang das Cannondale SuperX 2 mit 8,4 Kilogramm den Platz als leichtestes Gravelbike bei TOUR ein. Für die einfacheren Ausstattungsvarianten mit Carbonrahmen (Expert, Comp, Sport) nennt Specialized Komplettradgewichte zwischen 8,9 und 9,8 Kilogramm. Das Diverge aus Aluminium (Comp, Sport) soll 10,6 bzw. 10,7 Kilogramm wiegen.
Der jüngste Spross im Portfolio von Specialized startet bei 2299 Euro mit Alu-Rahmen und 3499 Euro mit Carbon-Rahmen. Das Top-Modell schlägt mit 9999 Euro zu Buche. Elektronische Schaltgruppen von Shimano oder SRAM mitsamt UDH-Technologie sind an Räder ab 4499 Euro geschraubt, für einen Aufbau mit Carbonlaufrädern werden mindestens 6299 Euro fällig. Alle Versionen kommen mit Einfach-Antrieb und bergtauglichen Übersetzungen, können aber auch mit einer Zweifach-Kurbel samt Umwerfer nachgerüstet werden. Eine Tuning-Variante aus der S-Works-Abteilung bietet Specialized vorerst nicht an.