5 E-Gravelbikes im TestMit Motor-Power über Schotter - welches Konzept überzeugt?

Jens Klötzer

 · 21.09.2025

Cannondale Synapse Neo Allroad 1 / Bosch Performance Line SX (Mittelmotor) / 6999 Euro
Foto: Wolfgang Papp
​In den Bergen erfordern Graveltouren ein hohes Maß an Fitness. Mit E-Unterstützung lassen sich auch schwierige Strecken genießen, wenn das eine oder andere ­Körnchen Kraft fehlt. Wir haben fünf sehr unterschiedliche Konzepte von E-Gravelbikes getestet. Welches überzeugt am meisten?

​Epische Tagestouren bis in den Sonnenuntergang, tagelange Bikepacking-Abenteuer mit Lagerfeuer am Zelt, spektakuläre Ausblicke von den Kammwegen hoher Berge: Wer einschlägige Social-Media-Kanäle verfolgt, könnte täglich aufs Neue neidisch werden auf die Erlebnisse anderer Gravelbike-Enthusiasten.

Doch die Freiheit auf zwei Rädern ist in der Regel hart erkämpft. Niemand, der in Vollzeit einer Beschäftigung nachgeht, kleine Kinder aufzieht oder sich aus anderen Gründen nicht mehrmals pro Woche aufs Rad schwingen kann, schüttelt mal eben eine dreistellige Kilometerleistung oder eine Alpenüberquerung aus dem Ärmel. Für lange Touren und viele Höhenmeter sind gut trainierte Beine überlebenswichtige Voraussetzung, und die kann man sich bekanntermaßen nicht einfach kaufen.

Für einen großen Teil der Follower bleiben die Eindrücke am Bildschirm deshalb meist das, was sie bei den Betrachtenden auslösen sollen: ein Traum. Doch die Zeiten wandeln sich, mit neuen technischen Entwicklungen rücken auch bislang unerreichbare Träume immer näher.

Die 5 E-Gravelbikes im Einzeltest

Welches Konzept im Vergleich der E-Gravelbikes kann am meisten überzeugen?Foto: Wolfgang PappWelches Konzept im Vergleich der E-Gravelbikes kann am meisten überzeugen?

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E-Gravelbikes immer häufiger vertreten

In den vergangenen Jahren kamen eine ganze Reihe neuer Gravelbikes auf den Markt, die mit eingebautem Elektromotor samt Akku helfen sollen, eingangs beschriebene Träume auch weniger trainierten Menschen möglich zu machen.

Lange waren Elektromotoren und Rennradlenker eine eher schwierige Liaison, was vor allem an der juristisch vorgeschriebenen Unterstützungsbegrenzung bis 25 km/h liegt, aber auch am hohen Gewicht und einem klobigen, unsportlichen Erscheinungsbild. Die meisten Versuche, das Rennrad auch in Form eines Pedelecs zu etablieren, wurden schon nach wenigen Jahren Marktpräsenz wieder eingestampft.

Doch beim Gravelbike könnte es anders ­laufen. Inzwischen hat fast jeder größere Hersteller einen Geländerenner als Pedelec im Programm und vieles spricht dafür, dass sie mehr sind als eine bloße Mode­erscheinung.

Verschiedene Antriebskonzepte im Test

Der Trend stützt sich dabei auf mehrere parallele Entwicklungen: Zum einen trägt der Boom von leichten E-Mountainbikes dazu bei, dass die Antriebe zunehmend kleiner, leichter und leistungsfähiger werden. Der Branchenriese Bosch entwickelte beispielsweise mit dem neuen SX ein leichteres und kompakteres Aggregat speziell für sportive Bikes.

Auch Newcomer wie der deutsche Hersteller TQ haben mit extrem kompakten, aber leistungsfähigen Motoren weltweit Erfolg. Die Zeiten, als ein Pedelec mindestens 20 Kilogramm wog, sind damit vorbei und auch optisch lassen sich die Systeme wesentlich besser integrieren, ohne dass die sportliche Silhouette zu sehr darunter leidet.

Ein zweiter Grund für die höhere Akzeptanz ist, dass das Gravelbike längst nicht mehr als reines Sportgerät, sondern zunehmend als Freizeit-, Touren- und Alltagsrad wahrgenommen wird. Der Rennlenker spricht heute ein viel breiteres Publikum an, bei dem auch eine Motorunterstützung weniger verpönt ist als bei waschechten Sportlerinnen und Sportlern.

Für viele ist das Gravelbike im Nutzungsverhalten der Nachfolger des klassischen Trekkingbikes, und wer mit dem Rad täglich die Kellertreppe bewältigen muss, findet im Wortsinn tragbare Gewichte fast nur in der Gattung mit Rennlenker.

Nicht zuletzt ergibt der Motor am Gravelbike schlicht mehr Sinn als am Rennrad auf der Landstraße: Das Geschwindigkeitsniveau ist insgesamt niedriger. Auch sportliche Gravelbiker bewegen sich mehr in dem Bereich, in dem der Motor nützlich ist. Sie verbringen weniger Zeit mit Geschwindigkeiten, bei denen aus dem Rad nur noch ein sehr schweres, nicht unterstütztes Rennrad wird. Richtig eingesetzt schiebt der Motor das Gravelbike dann, wenn es besonders zäh wird: An steilen Anstiegen, im tiefen Sand oder wenn die Körner ausgehen.

Die 5 Konzepte sind für verschiedene Einsatzbereiche geeignet.Foto: Wolfgang PappDie 5 Konzepte sind für verschiedene Einsatzbereiche geeignet.

Fazit: Alleskönner gibt es nicht

Wer nun mit einem elektrifizierten Gravelbike liebäugelt, sollte dennoch nicht einfach drauflos kaufen, sondern ­etwas tiefer in die Thematik einsteigen. Denn wie sich bei unseren Testfahrten mit fünf verschiedenen Bikes herausstellte, unterscheiden sich die Konzepte der Anbieter deutlich und bedienen sehr verschiedene Ansprüche.

Das betrifft nicht nur die Räder selbst, die in Ausstattung, Sitzposition und Fahrverhalten so unterschiedlich ausfallen können wie die schier unendliche Vielfalt ohne Motor. Ob das Rad für Reisen mit Gepäck, als Alltagsvehikel mit Licht und Schutzblechen oder nur für Tagesausflüge eingesetzt werden soll, spielt eine gewichtige Rolle, denn nicht alle sind für alles gut geeignet.

Auch die jeweiligen Antriebe haben ihre Vor- und Nachteile: Zwischen dem minimalistischen Hinterrad-Nabenmotor von Mahle mit sanfter Unterstützung und kleinem Akku und dem äußerst potenten, gleichwohl deutlich schwereren System von Bosch liegen fahrdynamisch Welten. Das gilt auch für Optik und Fahrverhalten: Trotz der leichteren und eleganter integrierten Technik sieht man manchen Bikes ihr Wesen immer noch deutlich an.

Auch fährt sich ein Gravelbike mit 14 Kilogramm Gewicht und ohne Motorunterstützung schlicht nicht so „natürlich“, wie es vielleicht der Hersteller in der Werbung verspricht: Es sind andere Fahrzeuge, was man auch daran merkt, dass eine Nummer größer bei Reifen (Scott) oder Bremsscheiben (Cube) an diesen Rädern plötzlich überaus durchdacht wirkt.

Die neuesten technischen Entwicklungen mögen die E-Gravelbikes sinnvoller und brauchbarer machen als noch vor einigen Jahren. So leichtfüßig wie Räder ohne Motor fahren sie sich indes noch lange nicht. Aber man wird ja auch noch träumen dürfen.

E-Bike-Motoren für Rennräder und Gravelbikes im Überblick

​Der Antrieb prägt Charakter und Fähigkeiten des Bikes – und die können sehr unterschiedlich ­ausfallen. Die verbreiteten Hersteller und ihre Motoren im Überblick.

​Mahle X20: 250 Watt/23 Newtonmeter

​Mahle X20: 250 Watt/23 NewtonmeterFoto: Wolfgang Papp​Mahle X20: 250 Watt/23 Newtonmeter

Der in Spanien entwickelte Hinterrad-Motor X35 prägte über Jahre den Markt elektrifizierter Rennräder. Der neuere X20 (im Bild) ist kleiner und leichter. Er bietet für den Gravel-Einsatz ausreichend Drehmoment, das dem der führenden Mittelmotoren ebenbürtig sein soll. Radgewichte von elf Kilogramm sind möglich. Drei Unterstützungsstufen, eine vierte lässt sich per App programmieren. Der schlanke Akku (meist 242 Wh) ist für lange Bergtouren knapp. Marken: Bianchi, Merida, Orbea, Rose, Storck, Simplon

​TQ HPR 60: 350 Watt/60 Newtonmeter

​TQ HPR 60: 350 Watt/60 NewtonmeterFoto: Wolfgang Papp​TQ HPR 60: 350 Watt/60 Newtonmeter

Dem Unternehmen aus Seefeld bei München gelang mit dem Tret­lager-Motor HPR 50 der Durchbruch auf dem Bike-Markt: Klein, leicht und kraftvoll, dabei extrem leise und mit einem natürlichen Fahrgefühl. Der brandneue HPR 60 ist noch nicht in vielen Bikes ­verbaut, er bietet etwas mehr Leistung und Drehmoment und ist weniger hitzeanfällig. Meist in Kombination mit einem 320Wh-Akku als guter Kompromiss zwischen Gewicht und Reichweite. Marken: BMC, Scott, Trek

​Specialized SL 1.2: 320 Watt/50 Newtonmeter

​Specialized SL 1.2: 320 Watt/50 NewtonmeterFoto: Wolfgang Papp​Specialized SL 1.2: 320 Watt/50 Newtonmeter

Als Specialized vor zwei Jahren die aktuelle Generation des Turbo Creo vorstellte, schickte die US-Marke auch einen neuen Mittelmotor ins Rennen. Der Specialized 1.2 SL findet sich auch in Mountain- und Trekkingbikes der Kalifornier, an Fremdherstellern dafür nicht. ­Stärken sind das sehr harmonische Fahrgefühl und die geringe Geräusch­entwicklung, im Gegensatz zu vielen anderen sind Über­hitzungsprobleme an langen, steilen Anstiegen auch kein Thema. Der Akku mit 320 Wh gehört bei Gravelbikes zum Mittelfeld.

​Bosch Performance Line SX: 600 Watt/55 Newtonmeter

​Bosch Performance Line SX: 600 Watt/55 NewtonmeterFoto: Wolfgang Papp​Bosch Performance Line SX: 600 Watt/55 Newtonmeter

Der potenteste unter den so genannten Light-Motoren: Die Leistungsdaten des Marktführers sind nicht nur auf dem Papier eine Wucht. Mit dem Turbo-Modus ist auch an steilen Anstiegen kaum Eigenleistung nötig. Zusammen mit dem großen 400Wh-Akku sind damit auch die längsten Touren möglich. Nachteile sind ein deut­lich hörbares Fahrgeräusch und das recht hohe Gewicht: Mit mindestens 13 Kilo muss man beim Komplettrad rechnen. Marken: Bulls, Cannondale, Canyon, Corratec, Cube, KTM

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