Unbekannt
· 10.04.2017
Nie war die Auswahl an Rennrädern größer als heute – die Vielfalt ist ebenso beeindruckend wie verwirrend. Kein Wunsch muss unerfüllt bleiben, aber die Entscheidung kann schwierig sein, gerade für Einsteiger. Ein Wegweiser durch den Angebots-Dschungel.
SUPER TYPEN
Vorbei die Zeiten, als sich Rennräder vor allem in Gewicht, Farbe und Preis unterschieden. Wer sich heute für ein Rennrad interessiert, muss sich erst mal darüber klar werden, was er damit machen will. Der Markt teilt sich in zwei Hauptkategorien: Räder für Rennen und komfortorientierte Modelle für ausgedehnte Touren. Aber: Die Grenzen sind fließend, und daneben gibt es noch die Spezialisten wie Zeitfahrräder, Cross-Rennräder und Gravelbikes. Ein Überblick über die wichtigsten Kategorien und Preise
WETTKAMPF
Urtypus des Rennrads. Entwickelt, um möglichst schnell zu fahren. Wichtigste Eigenschaften: leicht und fahrstabil. Erkennungszeichen: Der Sattel thront hoch über dem Lenker. Das zwingt den Fahrer in eine gebeugte, aerodynamische Sitzposition. Zielgruppe: Fahrer, die regelmäßig an Lizenz- oder Jedermann-Rennen teilnehmen. Der Markt bietet eine riesige Auswahl in allen Preisklassen. In vernünftiger Qualität im Fachhandel ab etwa 1.000 Euro, im Versandhandel ab 800 Euro. Nach oben fast kein Preis-Limit. Bis 1.500 Euro dominieren Modelle mit Alu-Rahmen, ab 2.000 Euro sind Carbonrahmen der Normalfall. Modelle mit Felgenbremsen sind die Regel, Scheibenbremsen noch selten.
AERO
Die jüngste Evolutionsstufe des Wettkampfrenners. Vorrangiges Entwicklungsziel: Gute Aerodynamik. Erkennungszeichen: Windschnittige Rahmen und Laufräder, Teile wie Lenker, Bremsen oder Sattelstützen sind ins System integriert und lassen sich oft nicht gegen andere Produkte tauschen. Zielgruppe: Fahrer, die jeden potenziellen Vorteil nutzen wollen. Im Profisport sind Aerorenner weit verbreitet. Aerodynamisch gute Modelle beginnen bei etwa 2.500 Euro; allerdings noch ohne schnelle Laufräder. Bei Top-Modellen ist der Preis oft fünfstellig.
ALLROUND
Sie besetzen die Lücke zwischen klassischen Wettkampfrennern und den Aero-Spezialisten: Moderne Allrounder mit aerodynamischen Attributen, die zugleich leicht und komfortabel sind. Ein interessanter Kompromiss für Fahrer, denen die Klassiker zu konventionell und die Aerorenner zu radikal sind.
LEICHTBAU
Zwar wird das Gewicht als relevanter Faktor im Wettkampf überbewertet, aber trotzdem ist es faszinierend, wenn Hersteller konstruktive Grenzen ausloten. Der Vial Evo des deutschen Herstellers AX Lightness wiegt 693 Gramm – damit ist er einer der leichtesten Rahmen auf dem Markt. Kompletträder mit diesem Rahmen mit Felgenbremsen wiegen teilweise weniger als fünf Kilo. Preis ab 10.000 Euro. Bei Rädern mit Scheibenbremsen geht es Gewicht etwas nach oben. Das Canyon Ultimate CF EVO 10.0 LTD wiegt 6,1 Kilo, kostet aber ebenfalls 10.000 Euro.
ZEITFAHREN
Das Terrain dieser Räder sind Wettkämpfe wie Triathlon oder Zeitfahren. Wenn der Fahrer allein gegen den Wind kämpft, zählt vor allem optimale Aerodynamik. Der Rahmen ist auf eine windschnittige Sitzposition ausgelegt. Unverzichtbar: Aero-Lenker mit Auflagen für die Unterarme und Aero-Laufräder. Einfache Modelle ab 2.500 Euro, im High-End-Bereich kaum Preislimits.
MARATHON
Rennrad und Fahrkomfort? Lange ein unauflösbarer Widerspruch. Mit den Marathonrennern hat sich das geändert. Hauptunterschied zu wettkampforientierten Modellen ist die aufrechtere Sitzposition. Viele Modelle erlauben zudem die Montage breiterer Reifen (28, teilweise sogar 32 Millimeter), die spürbar mehr Federkomfort bieten als schmale 23er oder 25er. Ein weiteres Merkmal ist eine breit abgestufte Übersetzung, die es auch weniger gut trainierten Fahrern erlaubt, lange und steile Anstiege mit Spaß zu erklimmen.
FRAUEN
Eigentlich brauchen Frauen nicht unbedingt andere Rennräder als Männer. Sie brauchen aber oft kleinere Modelle und haben auch bei Bauteilen wie Sattel und Lenker meist besondere Wünsche. Vor allem kleine Fahrerinnen profitieren deshalb vom stark gewachsenen Angebot an Frauenrennrädern. Für sie steigt damit die Chance, ein optimal passendes Rad zu finden. Denn die Modelle sind oft in sehr kleinen Größen lieferbar.
GRAVEL
Ein Rad, das auf Asphalt ebenso wie auf Feld- und Schotterwegen eine gute Figur abgibt. Gravelbikes verhalten sich zum klassischen Cross-Rennrad wie das Marathon- zum Wettkampf-Rennrad. Man sitzt etwas aufrechter und bequemer. Gravelbikes haben immer Scheibenbremsen und bieten oft die Option, Schutzbleche nachzurüsten. Die Reifenbreite variiert zwischen 30 und 40 Millimetern. Preis Modelle mit Alu-Rahmen gibt es ab etwa 1.500 Euro
CROSS
Geländeversion des Rennrads mit maximal 33 Millimeter breiten Stollenreifen. Ursprünglich reines Wettkampfrad für spezielle Rundkurse; inzwischen auch als Winter- und Schlechtwetterrad beliebt. Modelle mit Scheibenbremsen sind heute fast die Regel. Felgenbremsen werden fast nur noch von Rennfahrern gefahren, die auf geringes Gewicht achten.
Das wichtigste Maß für die Sitzposition ist die Sitzhöhe, also der Abstand zwischen Tretlagermitte und Satteloberkante. Sie lässt sich anhand der Formel "Innenbeinlänge x 0,855" recht gut bestimmen. Schwieriger ist die Sitzlänge: Sie variiert mit den Körperproportionen, der individuellen Beweglichkeit und den gefahrenen Strecken(-längen). Rennfahrer bevorzugen Rahmen mit langem Oberrohr und montieren lange Vorbauten, weil sie flach und gestreckt sitzen wollen. Die meisten Hobbyfahrer hätten damit auf Dauer wenig Spaß. Ihnen bieten z. B. Marathonräder bei vergleichbarer Rahmenhöhe ein kürzeres Oberrohr und längeres Steuerrohr. Das erlaubt eine aufrechtere, bequemere Sitzposition. Die Grenze zwischen Renn- und Marathongeometrie ist fließend. Um die Unterscheidung zu erleichtern, arbeiten wir mit den Rahmenmaßen "Stack" und "Reach" sowie dem Quotienten aus beidem, genannt "STR". Stack bezeichnet den vertikalen Abstand der Oberkante des Steuerrohrs zum Tretlager. Es ist damit das Maß für die niedrigste Lenkerhöhe, die an diesem Rahmen möglich ist. Reach bezeichnet den horizontalen Abstand zwischen Steuerrohr und Tretlager; es charakterisiert die vordere Rahmenlänge und damit die Sitzlänge. Der Quotient aus "Stack" und "Reach" (STR) ist ein guter Indikator dafür, für welche Sitzposition ein Rahmen ausgelegt ist. Ein STR >1,5 zeigt eine Marathongeometrie an. Ein STR unter 1,4 bedeutet eine extreme Renngeometrie mit langem Oberrohr und tiefem Lenker. Bei den meisten wettkampforientierten Rädern liegt der STR zwischen 1,4 und 1,45.
SIND SIE LANGBEINER ODER SITZRIESE?
Die Grafik zeigt, wie sich die Proportionen des Menschen mit der Größe ändern. Größere Menschen haben im Durchschnitt längere Beine. Allerdings ist die Schwankungsbreite groß (dunklere Fläche). Aus der Grafik lässt sich für jede Körpergröße überprüfen, ob die Beine lang oder kurz ausfallen. Ablesebeispiel: Sie sind 178 cm groß und haben eine Schrittlänge von 76,5 cm. Ihr Proportionalitätsfaktor ist dann 76,5/178 = 0,43. Damit liegen Sie am Rand des Spektrums und sind ein Sitzriese
Die Auswahl an Rennradschaltungen ist riesig, drei Hersteller buhlen um die Gunst der Kunden. Neben dem Marktführer Shimano aus Japan bieten auch die Marke SRAM aus den USA und Campagnolo aus Italien ein breites Spektrum für jeden Anspruch und Geldbeutel. Am weitesten verbreitet sind mechanische Schaltsysteme, Nummer eins ist mit großem Abstand die Ultegra von Shimano. Mechanische Schaltungen sind unkompliziert, leicht und günstig. Vor allem bei teuren Rädern sind jedoch elektronische Schaltungen auf dem Vormarsch. Alle drei Hersteller bieten inzwischen entsprechende Systeme an. Bei der neuen eTap von SRAM werden die Schaltbefehle kabellos per Funk übertragen. Elektronische Schaltungen lohnen sich vor allem dann, wenn man die Möglichkeiten nutzt, die mechanische Schaltungen nicht bieten – zum Beispiel zusätzliche, an verschiedenen Lenkerpositionen montierbare Schaltknöpfe, wie bei Shimanos Di2 oder dem eTap-System von SRAM.
Einsteiger- und Marathonmodelle sind heutzutage meist mit sogenannten Kompaktkurbeln ausgestattet. Mit der Kettenblattabstufung 50/34 Zähne (hier an der 105-Kurbel von Shimano) bieten sie in Kombination mit einer Elffach-Kassette viele, breit abgestufte Gänge – ideal für weniger gut trainierte Fahrer, aber auch für lange und steile Anstiege.
Die Kettenblattabstufung 52/36 Zähne (hier die Force-Kurbel von SRAM) ist inzwischen sehr populär. In Verbindung mit einer Elffach-Kassette erhält man damit sehr viele, fein abgestufte Gänge, die für durchschnittlich bis gut trainierte Fahrer in den meisten Fällen ausreichen.
Die im Rennsport verbreitete Abstufung 53/39 Zähne wird an Serienrädern kaum noch verbaut.
ELF: DER NEUE STANDARD
Bei allen höherwertigen Gruppen der drei Hersteller Shimano, SRAM und Campagnolo sind Kassetten mit elf Ritzeln inzwischen Standard. Nur günstige Gruppen wie die Tiagra von Shimano oder die Apex von SRAM basieren noch auf zehn Ritzeln. Entscheiden muss man sich zwischen einer engen Abstufung mit kleinen Gangsprüngen (z. B. 11 bis 25 Zähne oder 11 bis 28 Zähne) oder einer breiter abgestuften Kassette (größtes Ritzel bis 32 Zähne). Hier sind die Unterschiede zwischen den Gängen etwas größer. Dafür bieten breiter abgestufte Kassetten auch Berggänge; in Verbindung mit einer Kompaktkurbel mit 50/34 Zähnen steht fast eine 1:1-Übersetzung zur Verfügung. Dafür ist allerdings ein Schaltwerk mit längerem Käfig erforderlich. Mit der Verbreitung von Elffach-Kassetten sind Dreifach-Kurbeln fast vom Markt verschwunden. Nur Shimano mit der Tiagra- und Campagnolo mit der Athena-Gruppe bieten derzeit noch Dreifach-Antriebe.
Felgen- oder Scheibenbremsen? Was nach einer einfachen Frage klingt, ist eine Grundsatzentscheidung. Scheibenbremsen erfordern spezielle Rahmen, Gabeln und Laufräder. Nachrüstbar sind sie nicht. Für sie sprechen vor allem bessere Bremseigenschaften bei Nässe. Eine schlechte Wahl sind Felgenbremsen deshalb aber nicht. Räder mit Felgenbremsen sind meist leichter, vor allem günstige Modelle macht die Scheibe deutlich schwerer. Außerdem sind Felgenbremsen wartungsfreundlicher. Vor allem bei hydraulischen Scheibenbremsen ist der Service meist ein Fall für den Händler.
FELGENBREMSE
Ausgereifter und ausgereizter Klassiker. Vorteile: geringes Gewicht, wartungsfreundlich. Nachteil gegenüber Scheibenbremsen: schlechtere Bremseigenschaften bei Nässe. Für die Performance wichtiger als die Gruppenzugehörigkeit sind Züge und Bremsbeläge. Laufen die Züge um viele Kurven, steigen die Bedienkräfte. Auch unterliegen Züge Witterungseinflüssen, die mit der Zeit die Funktion beeinträchtigen. Viele Optimierungsmöglichkeiten mit speziell auf bestimmte Felgen abgestimmten Belägen.
DIRECT-MOUNT-BREMSEN
Eine neue Variante der Felgenbremse, die von Shimano forciert wird. Für die Montage sind spezielle Aufnahmen an Rahmen und Gabel erforderlich; daher nicht nachrüstbar. Vorteile haben Direct-Mount-Bremsen nicht; sie sind eher eine interessante Design-Variante. Keine gute Idee ist die Platzierung der hinteren Direct-Mount-Bremse hinter dem Tretlager. Meist schleifen bei dieser Variante die Beläge an der Felge, sobald der Fahrer aus dem Sattel geht.
SCHEIBENBREMSEN
Wer einmal bei Regen einen Alpenpass gefahren ist, dem leuchten die Argumente pro Disc – mehr und vor allem berechenbarere Bremskraft bei allen Witterungsbedingungen – sofort ein. Ein Problem neben dem höheren Gewicht und der komplizierteren Wartung ist, dass Scheibenbremsen für Rennräder von Shimano und SRAM nur für Bremsscheiben bis 160 Millimeter Durchmesser ausgelegt sind. Größere Scheiben lassen die Rahmen und Gabeln nicht zu. Für schwere Fahrer sind 160-Millimeter-Scheiben aber zu klein. Die hohen Temperaturen, die bei langen und steilen Abfahrten entstehen, können zum Totalausfall der Bremse führen. Von 140-Millimeter-Scheiben raten wir ab – außer bei sehr leichten Fahrern und Fahrerinnen.
Das beste Rad macht keinen Spaß, wenn der Sattel nicht passt. Viele Hersteller haben Vermessungssysteme entwickelt, mit denen man beim Händler eine Vorauswahl treffen kann; manche Händler stellen auch Sättel für Probefahrten zur Verfügung. Viele Sättel gibt es in unterschiedlichen Breiten, passend für verschiedene Sitzknochenabstände. Generell gilt: Weich gepolsterte Sättel sind meist nur auf den ersten Kilometern bequem; gute Sättel sind straff gepolstert und haben dafür eine flexible Satteldecke.
SHIMANO SPD-SL
Robust, bewährt, unkompliziert, weit verbreitet. Problemloser Ein- und Ausstieg. Für Anfänger sind Modelle mit geringer Federvorspannung für leichten Ein- und Ausstieg erhältlich. Relativ langlebige Platten mit passablen Laufeigenschaften. Gewichte und Qualität der Lagerung variieren mit dem Preis. Preise 45 Euro (SPD-SL PD-R540) bis 320 Euro (Dura-Ace PD-9000 mit Carbon-Körper)
SPEEDPLAY ZERO
Minimalistisches Pedal für Fortgeschrittene. Plattenmontage und Einstieg sind etwas komplizierter als bei den Konkurrenzsystemen. Dafür konkurrenzlos niedrige Bauhöhe, was als biomechanisch günstig gilt. Außerdem sehr langlebig. Preise Zero Chrome-Moly mit Stahlachse ca. 130 Euro; Zero Stainless mit Edelstahlachse ca. 170 Euro.
LOOK KÉO
Look aus Frankreich hat das Systempedal erfunden. Es gibt Platten mit hoher, mittlerer und ohne seitliche Drehfreiheit. Für Anfänger sind Modelle mit geringer Federvorspannung empfehlenswert. Mit den Platten unter den Schuhen kann man passabel laufen, sie sind aber verschleißanfällig. Preise ab 30 Euro (Kéo Easy) bis 250 Euro (Kéo Blade 2 mit Titanachse).
SHIMANO SPD PD-A520
Kein Gesetz schreibt Rennradlern Schuhe vor, mit denen man nicht laufen kann. Auch Mountainbike-Schuhe eignen sich zum Rennrad fahren. Für Rennradfahrer, die ihren eigenen Weg gehen wollen, bietet Shimano das Pedal SPD PD-A520. Optisch wirkt es wie ein Rennrad- pedal; der Mechanismus gleicht den SPD-MTB-Pedalen. Preis 55 Euro
Vieles neu beim Rennradreifen: Lange galt der 23 Millimeter breite Pneu als Maß der Dinge. Zuletzt wurden aber 25er immer beliebter. Wegen ihres größeren Volumens können sie mit etwas weniger Druck gefahren werden und sind deshalb komfortabler, ohne schwerer zu rollen. Mit dem Trend zu Marathonrennern werden 28 Millimeter breite Reifen immer beliebter. Allerdings passen die dicken Gummis nicht in jeden Rahmen. Neue Technik: Tubeless-Reifen. Reifen und Felge bilden ein geschlossenes System, bei dem kein Schlauch erforderlich ist. Die Reifen erfordern spezielle Felgen und werden mit einer Dichtflüssigkeit gegen Pannen montiert. Das erfordert eine spezielle Ausrüstung zur Montage und ist deshalb eher etwas Fortgeschrittene.