KaufberatungFrauen-Rennräder - Fragen, die sich Radsportlerinnen vor dem Rad-Kauf stellen sollten

Jens Klötzer

 · 17.03.2021

Kaufberatung: Frauen-Rennräder - Fragen, die sich Radsportlerinnen vor dem Rad-Kauf stellen solltenFoto: Skyshot/Greber
Frauenräder Fuerteventura

Es gibt zwar noch Rennräder für Frauen, aber nur noch wenige mit eigenen Geometrien. Die gute Nachricht: Rennradlerinnen können im großen Markt der Unisex-Rennräder nach dem passenden Rad für sich suchen. TOUR sagt, worauf sie dabei achten müssen

1. Was kostet ein vernünftiges Rennrad?

Ab etwa 1.000 Euro bekommt man tadel­los funktionierende und haltbare Stra­ßenräder: stabile Marathonräder mit Alu­-Rahmen, Shimano­ Schaltungen mit ausreichender Übersetzung auch für steile Berge und meist sogar noch Fel­genbremsen. Vor allem große Marken bieten eine breite Palette an Rädern in allen Preisklassen mit ordentlichem Material: zum Beispiel Giant/Liv, Canyon, Rose oder Cube. Je höher die Ansprüche sind, desto höher wird der Preis: Räder mit modernen Scheiben­bremsen – also auch Gravelbikes – kosten ab 1.500 Euro, Modelle mit leichterem Carbonrahmen ab 2.000 Euro. Beson­ders Renntechnik kann richtig teuer werden: Ab 4.000 Euro beginnt die Welt der Aero­-Rahmen, Carbonfelgen und elektrischen Schaltungen. Wer alles will und obendrein noch ein richtig leichtes Rad, kann mehr als 10.000 Euro loswer­den. Der Versandkauf im Internet ist generell etwas günstiger als beim Händ­ler, dafür fehlt aber auch der direkte Ansprechpartner für Beratung und Service am Ort. Übrigens: Das Gerücht, dass Frauen­Rennräder generell teurer seien als Unisex­-Räder, stimmt nicht.

2. Wettkampf- oder Marathonrad, Gravelbike oder Aero-Renner: Was passt zu mir?

Die Entscheidung ist einfach: Es kommt darauf an, was frau mit dem Rad unter­nehmen möchte. Dementsprechend gibt es verschiedene Kategorien. Es gilt aber auch: Die Grenzen sind fließend. Natür­lich kann man mit einem Wettkampfrad, das einem gefällt, einfach nur Touren fahren – oder auf einem Marathonrad Rennen bestreiten, weil die Sitzposition gut passt.

  • Sportlich trainieren oder gar Rennen fahren: Dann ist das klassische Wettkampf­ Rennrad das richtige. Je nach Typ oder Strecke stehen leichte Allround­-Rennrä­der oder, für weitgehend flache Strecken, spezielle Aero­-Räder zur Wahl. Die Sitz­position ist lang und gestreckt, die Über­setzung schnell, die Reifen sind meist schmal. Nachteil: Die Räder sind oft teuer (ab 3.000 Euro) und mitunter ein­geschränkt alltagstauglich. Integrierte Lenker und Sattelstützen einzustellen oder zu tauschen, kann aufwendig und teuer werden. Interessant: Sportlich am­bitionierte Frauen fuhren meist Unisex­ Wettkampfräder, selbst als es noch viele Frauenräder in dieser Kategorie gab.
  • Touren fahren und reisen: Dafür wurden sogenannte Marathon­ oder Endurance­-Räder entwickelt. Dar­auf sitzt man etwas bequemer, weil auf­rechter, zudem bieten die meisten Räder etwas mehr Federkomfort. Breitere Rei­fen (28–30 Millimeter) machen die Räder sicherer und komfortabler, die kleineren Übersetzungen passen zu weniger trai­nierten Fahrerinnen bzw. steilen Anstie­gen. Die Preise liegen eher niedriger, und die Räder sind an den für die Sitzposi­tion entscheidenden Stellen wie Lenker, Vorbau, Sattelstütze leichter umzubauen.
  • Auch Wald- oder Schotterwege fahren: Das Gravelbike macht’s möglich. Mit Reifen ab 40 Millimetern Breite ist man auf der Straße und im Gelände sportlich unterwegs. Meist sitzt man ähnlich wie auf einem Endurance­-Rennrad oder noch aufrechter, die Übersetzungen sind noch kleiner und passen auch fürs Gelände. Beliebt sind auch Antribe mit einem einzelnen Kettenblatt, die sich viel einfacher bedienen lassen. Die sehr robusten Räder eignen sich auch wun­derbar als Alltags­- oder Reiserad, weil man oft Schutzbleche und Gepäckträger montieren kann. Nachteile: Der Speed auf der Straße ist wegen der Reifen und der Übersetzung begrenzt, und die Rä­der sind etwas schwerer.

3. Wie finde ich die richtige Größe?

Leider lassen sich die Größenangaben nur bedingt miteinander vergleichen. Manche Hersteller geben die Rahmen­größe in S, M und L an, andere in Zenti­metern. Wichtig ist, Probe zu sitzen oder zumindest die Geometrietabellen auf den Herstellerseiten zu studieren. Viel­leicht gibt es auch ein passendes eigenes Rad oder eines im Bekanntenkreis, an dem man sich orientieren kann?

Die wichtigsten Maße:

  • Die (virtuelle) Oberrohrlänge, als grobe Orientierung für die Länge des Rades. Auch Sattelstütze, Vorbaulänge und Lenkerform beeinflussen die Sitzlänge.
  • Die Steuerrohrlänge als Indiz für die Min­desthöhe des Lenkers – also wie flach oder aufrecht man auf dem Rad sitzt. Zuverlässig funktioniert das aber nur bei Rädern mit Felgenbremsen. Bei Schei­ benbremsen kann die Steuerrohrlänge abweichen. Gerade Gravelbikes haben wegen der großen Reifenfreiheit kürzere Steuerrohre als bei Rennrädern üblich.
  • Die Maße Stack und Reach geben die Sitz­position recht genau an. Sie bezeichnen die Koordinaten der Steuerrohr­-Ober­kante vom Tretlager aus. Das Verhältnis gibt zudem an, wie aufrecht oder ge­streckt man auf dem Rad sitzt.
  • Darüber hinaus lassen sich Räder über die Anbauteile noch etwas anpassen. So kann über Sattelposition und Vorbau die Sitzlänge, über Zwischenringe unter dem Vorbau die Lenkerhöhe etwas variiert werden. Sinnvoll ist das aber nur in ei­nem Bereich von wenigen Zentimetern.

4. Worauf müssen kleinere Frauen beim Rennradkauf achten?

Die Rahmengrößen orientieren sich – außer bei speziellen Frauenrädern – an der Körpergrößenverteilung von Män­nern. Deshalb sind oft nur die Radgrö­ßen für 1,70 bis 1,90 Meter große Men­schen fein abgestuft. Außerdem werden in den mittleren Größen (54 bis 56) mehr Räder produziert. Für kleine Frauen kann es schwierig sein, ihr Wunschrad in passender Größe zu finden. Wichtig ist auch, wie stimmig Hersteller Räder in kleinen Größen entwickeln. Weil meist die gleichen Laufräder ver­wendet werden wie bei großen Größen, fallen sehr kleine Rahmen manchmal übermäßig lang aus, oder das Vorderrad ist so nahe am Rahmen, dass man beim Lenken leicht mit dem Fuß dagegen­ kommt. Tipp: Canyon und Rose bieten ausgewählte Modelle in kleinen Größen auch mit kleineren Laufrädern an.

5. Alle Rennräder sind auch Frauenräder – warum?

Studien wie auch unsere langjährigen Vergleiche mit vielen Testfahrerinnen zeigen, dass die Unterschiede in den Körperproportionen nicht so groß sind, dass Frauen spezielle Rahmen bräuch­ten. Nur die Vorlieben sind etwas anders verteilt. Viele Hobbyfahrerinnen sind weniger wettkampforientiert und sitzen lieber etwas aufrechter, weshalb sie Marathon-­Räder vorziehen. Sportliche Fahrerinnen kommen aber auch mit den Unisex­-Renngeräten wunderbar klar. Die Hersteller sind auch deshalb wieder davon abgekommen, spezielle Rahmen für Frauen anzubieten. Steht "Frau" auf einem aktuellen Rad, sind in der Regel nur Komponenten wie Sattel und Lenker an weibliche Bedürfnisse angepasst, und es ist anders lackiert. In manchen Fällen gibt es noch eine zusätzliche kleinste Größe, während die größten nicht angeboten werden. Darüber hinaus unterscheiden sich die Räder nicht von den Unisex-Pendants.

6. Welche Anbauteile sollte ich auf den Prüfstand stellen?

Für Frauen­-Modelle passen die Hersteller einige Komponenten an, um den weiblichen Bedürfnissen besser gerecht zu wer­den. So lassen sich auch ganz normale Rennräder umrüsten:

  • Sattel: Frauen haben oft einen größeren Sitzknochenabstand, daher sind Frauen­sättel breiter; manche weisen Mulden oder Löcher auf, um den Schambereich zu entlasten. Inzwischen bieten aber viele Hersteller Sättel in unterschiedlichen Breiten und wahlweise mit Mulden an.
  • Lenker: Er sollte schulterbreit sein, viele Frauen fahren deshalb gerne schmalere Lenker als jeweils für die Radgröße üb­lich (Standard­-Räder kommen meist mit 40 oder 42 cm breiten Lenkern). Es gibt auch Lenker mit geringerer Vorbiegung, damit lässt sich aufrechter sitzen.
  • Vorbau: Mit kürzerem Vorbau sitzt frau aufrechter und entspannter. Viele Gravel­bikes haben aber ohnehin schon sehr kurze Vorbauten.
  • Bremshebel: Bei den meisten modernen Schaltungen lassen sich die Bremshebel so verstellen, dass kleine Hände sie besser erreichen. Für Shimanos 105-­Gruppe gibt es auch spezielle Hebel (passend zu allen mechanischen Elffach­-Schaltungen von Shimano), die näher am Lenker sind.

Rennradbekleidung für Frauen - darauf müssen Sie achten