Es gibt zwar noch Rennräder für Frauen, aber nur noch wenige mit eigenen Geometrien. Die gute Nachricht: Rennradlerinnen können im großen Markt der Unisex-Rennräder nach dem passenden Rad für sich suchen. TOUR sagt, worauf sie dabei achten müssen
1. Was kostet ein vernünftiges Rennrad?
Ab etwa 1.000 Euro bekommt man tadellos funktionierende und haltbare Straßenräder: stabile Marathonräder mit Alu-Rahmen, Shimano Schaltungen mit ausreichender Übersetzung auch für steile Berge und meist sogar noch Felgenbremsen. Vor allem große Marken bieten eine breite Palette an Rädern in allen Preisklassen mit ordentlichem Material: zum Beispiel Giant/Liv, Canyon, Rose oder Cube. Je höher die Ansprüche sind, desto höher wird der Preis: Räder mit modernen Scheibenbremsen – also auch Gravelbikes – kosten ab 1.500 Euro, Modelle mit leichterem Carbonrahmen ab 2.000 Euro. Besonders Renntechnik kann richtig teuer werden: Ab 4.000 Euro beginnt die Welt der Aero-Rahmen, Carbonfelgen und elektrischen Schaltungen. Wer alles will und obendrein noch ein richtig leichtes Rad, kann mehr als 10.000 Euro loswerden. Der Versandkauf im Internet ist generell etwas günstiger als beim Händler, dafür fehlt aber auch der direkte Ansprechpartner für Beratung und Service am Ort. Übrigens: Das Gerücht, dass FrauenRennräder generell teurer seien als Unisex-Räder, stimmt nicht.
2. Wettkampf- oder Marathonrad, Gravelbike oder Aero-Renner: Was passt zu mir?
Die Entscheidung ist einfach: Es kommt darauf an, was frau mit dem Rad unternehmen möchte. Dementsprechend gibt es verschiedene Kategorien. Es gilt aber auch: Die Grenzen sind fließend. Natürlich kann man mit einem Wettkampfrad, das einem gefällt, einfach nur Touren fahren – oder auf einem Marathonrad Rennen bestreiten, weil die Sitzposition gut passt.
- Sportlich trainieren oder gar Rennen fahren: Dann ist das klassische Wettkampf Rennrad das richtige. Je nach Typ oder Strecke stehen leichte Allround-Rennräder oder, für weitgehend flache Strecken, spezielle Aero-Räder zur Wahl. Die Sitzposition ist lang und gestreckt, die Übersetzung schnell, die Reifen sind meist schmal. Nachteil: Die Räder sind oft teuer (ab 3.000 Euro) und mitunter eingeschränkt alltagstauglich. Integrierte Lenker und Sattelstützen einzustellen oder zu tauschen, kann aufwendig und teuer werden. Interessant: Sportlich ambitionierte Frauen fuhren meist Unisex Wettkampfräder, selbst als es noch viele Frauenräder in dieser Kategorie gab.
- Touren fahren und reisen: Dafür wurden sogenannte Marathon oder Endurance-Räder entwickelt. Darauf sitzt man etwas bequemer, weil aufrechter, zudem bieten die meisten Räder etwas mehr Federkomfort. Breitere Reifen (28–30 Millimeter) machen die Räder sicherer und komfortabler, die kleineren Übersetzungen passen zu weniger trainierten Fahrerinnen bzw. steilen Anstiegen. Die Preise liegen eher niedriger, und die Räder sind an den für die Sitzposition entscheidenden Stellen wie Lenker, Vorbau, Sattelstütze leichter umzubauen.
- Auch Wald- oder Schotterwege fahren: Das Gravelbike macht’s möglich. Mit Reifen ab 40 Millimetern Breite ist man auf der Straße und im Gelände sportlich unterwegs. Meist sitzt man ähnlich wie auf einem Endurance-Rennrad oder noch aufrechter, die Übersetzungen sind noch kleiner und passen auch fürs Gelände. Beliebt sind auch Antribe mit einem einzelnen Kettenblatt, die sich viel einfacher bedienen lassen. Die sehr robusten Räder eignen sich auch wunderbar als Alltags- oder Reiserad, weil man oft Schutzbleche und Gepäckträger montieren kann. Nachteile: Der Speed auf der Straße ist wegen der Reifen und der Übersetzung begrenzt, und die Räder sind etwas schwerer.
3. Wie finde ich die richtige Größe?
Leider lassen sich die Größenangaben nur bedingt miteinander vergleichen. Manche Hersteller geben die Rahmengröße in S, M und L an, andere in Zentimetern. Wichtig ist, Probe zu sitzen oder zumindest die Geometrietabellen auf den Herstellerseiten zu studieren. Vielleicht gibt es auch ein passendes eigenes Rad oder eines im Bekanntenkreis, an dem man sich orientieren kann?
- Die (virtuelle) Oberrohrlänge, als grobe Orientierung für die Länge des Rades. Auch Sattelstütze, Vorbaulänge und Lenkerform beeinflussen die Sitzlänge.
- Die Steuerrohrlänge als Indiz für die Mindesthöhe des Lenkers – also wie flach oder aufrecht man auf dem Rad sitzt. Zuverlässig funktioniert das aber nur bei Rädern mit Felgenbremsen. Bei Schei benbremsen kann die Steuerrohrlänge abweichen. Gerade Gravelbikes haben wegen der großen Reifenfreiheit kürzere Steuerrohre als bei Rennrädern üblich.
- Die Maße Stack und Reach geben die Sitzposition recht genau an. Sie bezeichnen die Koordinaten der Steuerrohr-Oberkante vom Tretlager aus. Das Verhältnis gibt zudem an, wie aufrecht oder gestreckt man auf dem Rad sitzt.
- Darüber hinaus lassen sich Räder über die Anbauteile noch etwas anpassen. So kann über Sattelposition und Vorbau die Sitzlänge, über Zwischenringe unter dem Vorbau die Lenkerhöhe etwas variiert werden. Sinnvoll ist das aber nur in einem Bereich von wenigen Zentimetern.
4. Worauf müssen kleinere Frauen beim Rennradkauf achten?
Die Rahmengrößen orientieren sich – außer bei speziellen Frauenrädern – an der Körpergrößenverteilung von Männern. Deshalb sind oft nur die Radgrößen für 1,70 bis 1,90 Meter große Menschen fein abgestuft. Außerdem werden in den mittleren Größen (54 bis 56) mehr Räder produziert. Für kleine Frauen kann es schwierig sein, ihr Wunschrad in passender Größe zu finden. Wichtig ist auch, wie stimmig Hersteller Räder in kleinen Größen entwickeln. Weil meist die gleichen Laufräder verwendet werden wie bei großen Größen, fallen sehr kleine Rahmen manchmal übermäßig lang aus, oder das Vorderrad ist so nahe am Rahmen, dass man beim Lenken leicht mit dem Fuß dagegen kommt. Tipp: Canyon und Rose bieten ausgewählte Modelle in kleinen Größen auch mit kleineren Laufrädern an.
5. Alle Rennräder sind auch Frauenräder – warum?
Studien wie auch unsere langjährigen Vergleiche mit vielen Testfahrerinnen zeigen, dass die Unterschiede in den Körperproportionen nicht so groß sind, dass Frauen spezielle Rahmen bräuchten. Nur die Vorlieben sind etwas anders verteilt. Viele Hobbyfahrerinnen sind weniger wettkampforientiert und sitzen lieber etwas aufrechter, weshalb sie Marathon-Räder vorziehen. Sportliche Fahrerinnen kommen aber auch mit den Unisex-Renngeräten wunderbar klar. Die Hersteller sind auch deshalb wieder davon abgekommen, spezielle Rahmen für Frauen anzubieten. Steht "Frau" auf einem aktuellen Rad, sind in der Regel nur Komponenten wie Sattel und Lenker an weibliche Bedürfnisse angepasst, und es ist anders lackiert. In manchen Fällen gibt es noch eine zusätzliche kleinste Größe, während die größten nicht angeboten werden. Darüber hinaus unterscheiden sich die Räder nicht von den Unisex-Pendants.
6. Welche Anbauteile sollte ich auf den Prüfstand stellen?
Für Frauen-Modelle passen die Hersteller einige Komponenten an, um den weiblichen Bedürfnissen besser gerecht zu werden. So lassen sich auch ganz normale Rennräder umrüsten:
- Sattel: Frauen haben oft einen größeren Sitzknochenabstand, daher sind Frauensättel breiter; manche weisen Mulden oder Löcher auf, um den Schambereich zu entlasten. Inzwischen bieten aber viele Hersteller Sättel in unterschiedlichen Breiten und wahlweise mit Mulden an.
- Lenker: Er sollte schulterbreit sein, viele Frauen fahren deshalb gerne schmalere Lenker als jeweils für die Radgröße üblich (Standard-Räder kommen meist mit 40 oder 42 cm breiten Lenkern). Es gibt auch Lenker mit geringerer Vorbiegung, damit lässt sich aufrechter sitzen.
- Vorbau: Mit kürzerem Vorbau sitzt frau aufrechter und entspannter. Viele Gravelbikes haben aber ohnehin schon sehr kurze Vorbauten.
- Bremshebel: Bei den meisten modernen Schaltungen lassen sich die Bremshebel so verstellen, dass kleine Hände sie besser erreichen. Für Shimanos 105-Gruppe gibt es auch spezielle Hebel (passend zu allen mechanischen Elffach-Schaltungen von Shimano), die näher am Lenker sind.