Unbekannt
· 14.02.2014
Anyroad und Revolt 1 sind zwei neue, preiswerte Giant-Modelle für die Straße und leichtes Gelände. Wie gut sie das Beste aus zwei Fahrradwelten verbinden, klärt dieser Test.
Der 2-in-1-Trend hat jetzt auch die Rennradbranche erreicht: Die neuen Giant-Modelle Anyroad und Revolt 1 wollen die Anmutung eines schnellen Straßenrenners mit der Robustheit und Vielseitigkeit eines Geländerades verbinden. Die Zielgruppe könnten Einsteiger sein, denen eine reinrassige Rennmaschine zu filigran und unbequem erscheint, genauso aber auch Alltagsfahrer oder sportlich orientierte Radler, die ein unkompliziertes, komfortables Trainingsgerät für den schnellen Wechsel zwischen Asphalt und leichtem Gelände suchen.
Das Anyroad kostet 1.100 Euro, das Revolt 1 mit 1.199 Euro nur wenig mehr. Beide sind Zwitterwesen zwischen Renn- und Crossrad, beide basieren auf einem aufwendig gemachten, hochwertig verarbeiteten Aluminiumrahmen. Auch die Ausstattungen beider Räder sind zu 90 Prozent identisch. Nennenswerte Abweichungen gibt es nur bei den Sätteln und Stützen. Ansonsten stimmen alle wichtigen Bauteile – vom Lenker über die mechanischen Scheibenbremsen und 2 x 10-Antriebe bis zu den Laufrädern samt 32-Millimeter-Reifen – exakt überein. Das wirft die Frage nach der Abgrenzung der Modelle auf. Giant sieht die Stärken des Anyroad eher im Straßeneinsatz, während beim Revolt das Pendel mehr in Richtung leichtes Gelände ausschlagen soll. Richtig nachvollziehbar ist das aufgrund der gleichen Ausstattungen aber nicht. Vom unterschiedlichen Design der Rahmen abgesehen, liegt der wesentliche Unterschied darin, dass das Revolt einen 45 Millimeter längeren Radstand hat. Entsprechend läuft es ruhiger geradeaus, und es bietet mehr Platz zum Nachrüsten von Schutzblechen und Gepäckträger. Prinzipiell ist die Umrüstung zum sportlichen Alltags- oder Winterrenner aber auch beim Anyroad problemlos möglich. Entsprechende Gewinde an Gabel und Rahmen finden sich an beiden Modellen.
Crossen mit Komfort
Ein deutlicher Unterschied liegt in der Sitzposition: Das Revolt ist bereits ein sehr komfortables, das Anyroad jedoch ein extrem komfortables Rad. Auf dem Revolt sitzt man wie auf einem typischen Marathon-Renner à la Specialized Roubaix: relativ aufrecht, aber ohne Frage noch rennradmäßig. Beim Anyroad dagegen kommen sich Sattel und Lenker vertikal wie horizontal so nah wie bisher bei keinem anderen Rennrad. Die Sitzposition ist noch einmal deutlich aufrechter als beim Revolt. Damit spricht das Anyroad nicht zuletzt solche Fahrer an, die ihren Rennlenker immer oben greifen. Durch den hohen Lenker lässt sich auch die Unterlenkerposition, die mehr Kontrolle über das Rad erlaubt, bequem erreichen. Mit dieser Auslegung entzieht sich das Anyroad weitgehend den bekannten Rennradkategorien und begründet sein ganz eigenes Genre. Wenn man so will, ist es der erste Komfort-Crosser.
Lob verdienen beide Räder für ihren wertigen Gesamteindruck und die tadellose Funktion der mechanischen Bauteile. Schaltungen und Kurbeln tragen keine Gruppenbezeichnungen, entsprechen technisch aber der Rennradgruppe Tiagra, die unter der 105 an vierter Stelle in der Shimano-Hierarchie rangiert. Ihrem fehlenden Image zum Trotz überzeugt die Schaltung mit der Präzision, die man von Shimano kennt. Das Bedienkonzept der Schaltbremshebel mit den seitlich austretenden Schaltzügen entspricht dem Design, das bei der Top-Gruppe Dura Ace bis 2007 üblich war. Die Optik ist deshalb nicht mehr ganz up-to-date, doch ergonomisch lässt sich daran nicht viel aussetzen. Der Unterschied zu modernen Topgruppen beträgt Nuancen.
Richtig gut gemacht
Die mechanischen Scheibenbremsen von Avid harmonieren gut mit den Bremshebeln. Sie bringen allerdings das für diesen Bremsentyp typische Manko mit sich, dass die Beläge erst intensiv eingebremst werden müssen, bis die volle Bremskraft zur Verfügung steht. Die kleinen 140-Millimeter-Bremsscheiben am Vorderrad sind für den Einsatz auf flachen Strecken in Ordnung; wer auch längere oder steilere Abfahrten mit den Rädern fahren will, sollte tunlichst Scheiben mit wenigstens 160 Millimetern Durchmesser nachrüsten, um mehr Bremskraft zu haben und das Risiko hitzebedingter Bremsausfälle zu minimieren (siehe Test-Report in TOUR 11/2013->).
Darüber hinaus zeigen beide Räder individuelle Details, die auch deutlich teureren Modellen gut stehen würden. Am Anyroad gefallen die Zusatzbremshebel am Oberlenker, die gut auf das Übersetzungsverhältnis der Bremsen abgestimmt sind. Interessant sind auch die T-förmigen Enden der Hebel. Damit lässt sich von fast allen Positionen am Oberlenker ohne Umgreifen bremsen. Das Revolt verfügt über einen gut gemachten Kunststoff-Schmutzfänger am Unterrohr, der Rad und Fahrer schützt, zugleich die Züge abdeckt und die Optik aufräumt.
Beide Modelle überzeugen mit hohem Fahrkomfort. Dafür sind wesentlich die gut dämpfenden 32-Millimeter-Reifen verantwortlich, die auf Asphalt leicht rollen und auf Forstwegen und Schotterstraßen dank der Schulterstollen gut greifen. Daneben tragen auch bequeme Sättel und ausgezeichnet flexende Carbonstützen zur angenehmen Dämpfung bei. Vor allem den etwas breiteren Sattel am Anyroad empfanden wir selbst nach einer 90-Kilometer-Runde noch als richtige Wohltat.
Am Ende des Vergleichs steht die Erkenntnis, dass auch Räder dieser Preisklasse richtig Spaß machen können, wenn sie gut gemacht sind. Das vergleichsweise hohe Gewicht – mit Pedalen je knapp elf Kilo – lässt sich zwar nicht wegdiskutieren. Doch Wettkämpfe dürften für diese Räder kaum auf der Agenda stehen. Für alle anderen Einsätze zählen andere Qualitäten. Hier lassen beide Modelle kaum Wünsche offen.
GIANT ANYROAD
Preis Komplettrad 1.099 Euro
Gewicht 10,5 Kilo
Bezug/Info www.giant-bicycles.de
Rahmengrößen** S, M, ML, L, XL
Sitz-/Lenkwinkel 73,5°/72,5°
Sitz-/Ober-/Steuerrohr 515/545/199 mm plus 15 mm Steuersatzkappe
Radstand/Nachlauf 1.025/58 mm
Stack/Reach/STR*** 612/364 mm/1,68
AUSSTATTUNG
Lenklager FSA, oben 1-1/8, unten 1-1/4 Zoll
Bremsen Avid BB7
Schaltung/Tretlager Shimano (48/34 Z., BSA)
Laufräder/Reifen Giant S-X2/Giant PR-X2 32C
Lenker/Vorbau Giant Connect
Sattel/-stütze Giant/Giant Carbon (30,9 mm)
MESSWERTE & EINZELNOTEN
Gewicht Komplettrad 10,5 kg (o. Pedale)
Gewicht Rahmen/Gabel/Steuerlager**** 1.658/685/73 g
Normiertes Gewicht Rahmen-Set***** 2.512 g: 5,0
Lenkkopfsteifigkeit 95 Nm/°: 1,3
Seitensteifigkeit Gabel 52 N/mm: 1,3
Tretlagersteifigkeit 70 N/mm: 1,0
Komfort Rahmen 126 N/mm: 1,3
Komfort Gabel 89 N/mm: 4,0
GIANT REVOLT 1
Preis Komplettrad 1.199 Euro
Gewicht 10,6 Kilo
Bezug/Info www.giant-bicycles.de
Rahmengrößen** S, M, L, XL
Sitz-/Lenkwinkel 73,5°/71°
Sitz-/Ober-/Steuerrohr 490/565/170 mm plus 15 mm Steuersatzkappe
Radstand/Nachlauf 1.070/68 mm
Stack/Reach/STR*** 604/390 mm/1,55
AUSSTATTUNG
Lenklager FSA, oben 1-1/8, unten 1-1/4 Zoll
Bremsen Avid BB7
Schaltung/Tretlager Shimano (48/34 Z., BSA)
Laufräder/Reifen Giant S-X2/Giant PR-X2 32C
Lenker/Vorbau Giant Connect
Sattel/-stütze Giant/Giant Carbon (27,2 mm)
MESSWERTE & EINZELNOTEN
Gewicht Komplettrad 10,6 kg (o. Pedale)
Gewicht Rahmen/Gabel/Steuerlager**** 1.606/640/73 g
Normiertes Gewicht Rahmen-Set***** 2.370 g: 4,7
Lenkkopfsteifigkeit 79 Nm/°: 3,0
Seitensteifigkeit Gabel 51 N/mm: 1,3
Tretlagersteifigkeit 56 N/mm: 1,7
Komfort Rahmen 87 N/mm: 1,0
Komfort Gabel 89 N/mm: 4,0
* In die Gesamtnote gehen das Rahmen-Set mit 40 Prozent, die Ausstattung mit 60 Prozent ein. In diese Bewertung fließen Einzelnoten ein, die wir aus Platzgründen nur zum Teil abdrucken. Die Noten werden bis zur Endnote mit allen Nachkommastellen gerechnet; zur besseren Übersichtlichkeit geben wir aber alle Noten mit gerundeter Nachkommastelle an.
** Hersteller-angaben; Testgröße fett.
*** Stack/Reach: projiziertes senkrechtes/waagerechtes Maß von Mitte Tretlager bis Oberkante Steuerrohr; STR (Stack to Reach): 1,36 bedeutet eine sehr gestreckte, 1,60 eine aufrechte Sitzposition.
**** Gewogene Gewichte.
***** Bereinigtes Gewicht für Rahmengröße 57 cm und Gabelschaftlänge 225 mm.