Unbekannt
· 10.12.2015
Radtraining im Winter? Für schlechtes Wetter und Dunkelheit ist das Rennrad eigentlich nicht gemacht. Doch es gibt immer mehr gute Argumente gegen Ausreden: sieben Schlechtwetter Renner im Test.
Es ist ziemlich kalt, die Straßen sind ständig nass und schmutzig, zum Feierabend ist es längst stockdunkel; selbst die kurzen Wochenend-Tage wollen nicht so richtig hell werden – es ist schon nicht leicht, sich bei solchen Bedingungen überhaupt für eine Rennrad-Runde zu motivieren. Noch schwieriger wird’s ohne passende Ausrüstung. Dazu gehört nicht nur die richtige Bekleidung, auch das Fahrrad kann seinen Teil dazu beitragen, den widrigen Bedingungen im Winter zu trotzen. Doch für viele gehört zum Fahrspaß eben auch ein Rennlenker. Sportliche Radler, die dann nicht auf ein behäbiges Trekkingrad umsteigen wollen, waren noch vor wenigen Jahren mangels passender Angebote oft zum Basteln verdammt. Da wurden schmale, gebrechliche Schutzblech-Konstruktionen zwischen Rahmen und Reifen gezwängt und mit Schellen und Kabelbindern teils abenteuerlich befestigt. Reifenfreiheit war ein Fremdwort, und die Beleuchtung für die Feierabendrunde nervte wegen geringer Lichtstärke und ständig leeren Batterien.
KURZ & KNAPP
Die Testkandidaten sind zwar durch die Bank recht schwere Räder, aber funktional und im Preis-Leistungs-Verhältnis ohne Tadel. Sie unterscheiden sich vor allem im Umfang der Zusatzausstattung – vom minimalistischen Schutzblech-Renner bis zur Vollausstattung mit fester Beleuchtung und Gepäckträger – sowie bei Sitzposition und Preis. Allen gemein ist die eher robuste Ausrichtung mit Aluminiumrahmen und haltbaren, preiswerten Anbauteilen.
Den gesamten Artikel mit allen Testergebnissen dieser Winter-Rennräder finden Sie unten als PDF-Download:
• Bergamont Prime CX RD
• Cannondale Synapse Adventure Disc
• Canyon Inflite AL 9.0 S
• Centurion Crossfire 2000 EQ
• Cube Attain SL Disc
• Focus Mares AX Disc Commuter
• Rose Team DX Cross Randonneur 3000
Preiswert und robust
Zwar ist auf dem Zubehörmarkt die Entwicklung nicht stehengeblieben – inzwischen gibt es wirklich gute Akkuleuchten mit LED-Technik und eine Auswahl spezieller Nachrüst-Schutzbleche für Rennräder. Dennoch spricht vieles dafür, sich für eines der hier vorgestellten fertig ausgestatteten Räder zu entscheiden. Vor allem schonen sie die Nerven, denn um eine ordentliche Integration der zusätzlichen Anbauteile haben sich die Hersteller bereits Gedanken gemacht: Da klappert und schleift nichts am Reifen, Lichtanlagen mit Nabendynamo und Standlichtfunktion sind sauber integriert, die Gepäckträger stabil befestigt. Außerdem schonen sie den Geldbeutel: Die Räder sind mit Preisen zwischen 1.100 Euro für das Focus und 2.340 Euro für die Luxusvariante von Rose noch vergleichsweise preiswert; dank funktionaler und betont robuster Komponenten dürften sie zudem wenig Wartung erfordern und viele Jahre lang Spaß machen.
Die Anschaffung kann sich also durchaus lohnen, denn bei regelmäßigem Training auf feuchten, mit Salz gestreuten Straßen leiden Antrieb und Bremsen extrem – wer dabei seinen teuren Luxusrenner verschleißt, hat innerhalb eines Winters schnell größeren Schaden angerichtet.
Allen Kandidaten gemein ist ein robuster Aluminium-Rahmen, der – Cannondale ausgenommen – eigentlich fürs Crossrad konzipiert ist. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Rahmen und Gabeln bieten mindestens Platz für breite Straßenreifen und Schutzbleche; Scheibenbremsen – inzwischen Standard bei Cross-Rennrädern aller Preisklassen – sind für den Einsatz am Schlechtwetter-Rad besonders sinnvoll. Es liegt nahe, diese Bikes als ebenso preiswerte wie sportliche Pendlerrädler zu verwenden: Alle Räder sind dafür vorbereitet, ohne großen Aufwand Schutzbleche zu befestigen, teils sogar Gepäckträger oder Hinterbauständer.
Welche Ausstattung man für nötig hält, ist eine Frage des Anspruchs. Mancher fährt so selten bei Dunkelheit, dass eine ansteckbare Akku-Beleuchtung für den Notfall ausreicht; ein anderer pendelt täglich mit dem Schutzblech-Rennrad zur Arbeit und will nicht nur eine fest montierte Lichtanlage mit Nabendynamo, sondern auch einen Gepäckträger. So verschieden die Wünsche, so unterschiedlich interpretieren die Hersteller das Thema Winterrennrad: Unser Testfeld reicht von den lediglich mit Schutzblechen aufgerüsteten Modellen von Cannondale, Canyon, Centurion und Cube bis zu den voll ausgestatteten Alleskönnern von Bergamont und Rose. Focus liefert als einziger Anbieter serienmäßig batteriebetriebene Anstecklichter mit – allerdings entpuppten die sich als wenig praxistauglich. Angesichts des günstigen Preises für das Rad ist es aber verschmerzbar, zusätzlich ein besseres Licht anzuschaffen. Das Gros der Räder rollt auf etwas breiteren, robusten, profillosen Straßenreifen.
Unser Favorit auf nassen Radwegen mit Split und Laub ist der überbreite, aber geschmeidig rollende 30-Millimeter-Slick von Schwalbe auf dem Bergamont. Die Stollenreifen am Cannondale und Focus erlauben Ausflüge auf unbefestigte Wege, rollen auf der Straße aber eher zäh und verschleißen schnell. Die Umrüstung auf Straßenreifen ist natürlich möglich, im Gesamtkonzept erschiene uns das auch schlüssiger.
Neben der Ausstattung sollte auch die Sitzposition auf dem Rad ein Auswahlkriterium sein. Die Räder im Test bieten ein breites Spektrum, das insgesamt ein gutes Stück in Richtung Komfort verschoben ist. Während man auf dem Bergamont und Centurion noch halbwegs sportlich sitzt, fallen die Geometrien bei Cannondale, Canyon und Cube vergleichsweise aufrecht aus. Das kann im Stadtverkehr von Vorteil sein, weil man die Umgebung besser überblickt, ist aber nicht jedermanns Sache. Weniger wichtig: das Gewicht. Die scharfe Kalkulation und Auswahl bewährter und haltbarer Bauteile führt dazu, dass die Komplettradgewichte weit über dem liegen, was man typischerweise von einem Rennrad gewohnt ist. Zehn Kilo sind mit Zusatzausstattung keine Seltenheit, bei den günstigsten Modellen von Focus und Centurion schlägt der Zeiger sogar fast bis zur Zwölf-Kilo-Marke aus. Entsprechend fehlt den Rädern grundsätzlich eine gewisse Spritzigkeit. Allerdings ist das nur eine kleine Schwäche – denn bei schlechtem Wetter motiviert ein schweres, aber gut gerüstetes Rennrad definitiv stärker als ein leichtes, schlecht gerüstetes.
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