Test 2016Rennräder aus Aluminium gegen Carbon-Renner - Rennrad-Duell: Aluminium gegen Carbon

Unbekannt

 · 30.04.2016

Test 2016: Rennräder aus Aluminium gegen Carbon-Renner - Rennrad-Duell: Aluminium gegen CarbonFoto: Daniel Kraus
Test 2016: Rennräder aus Aluminium gegen Carbon-Renner

Alu oder Carbon? Die Frage nach dem Rahmenmaterial ist nicht mehr neu, bringt viele kauflustige Rennradler aber immer noch hefitg ins Grübeln: Besserer Rahmen oder bessere Ausstattung?

Gut 15 Jahre ist es her, dass die Carbon-­Welle die Rennradwelt mit voller Wucht ­erfasst und durcheinander gewirbelt hat. Rennräder wurden seitdem leichter, komfortabler und aerodynamischer. Junge Firmen, die die Chancen der Faser früh erkannten, stiegen zu Branchengrößen auf. Traditionsmarken, die den Anschluss verpassten, ­verschwanden von der Bildfläche. Des einen Freud’, des anderen Leid: Während Carbon-räder heute den Markt dominieren, ging das Interesse an Alu-Rennern stark zurück. Dass sich dieser Trend noch einmal dreht, ist unwahrscheinlich. Bei Cube kostet das günstigste Carbonrad inzwischen 1.499 Euro, bei Canyon 1.399 Euro. Warum da noch ein Rad mit einem Rahmen aus Aluminium kaufen?

Den gesamten Testbericht dieser Rennräder finden Sie unten als Download:

Aluminium / Carbon
• CANNONDALE CAAD12 Disc Dura-Ace / SuperSix Evo Hi-Mod Ultegra
• CANYON Endurace AL 7.0 / Endurace CF 7.0
• CUBE Attain SL / Attain GTC
• RADON Ignite Ultegra Light / Sage Carbon
• STEVENS Aspin / Izoard
• STORCK Visioner G1 Ultegra / Visioner Comp Ultegra

Cannondale CAAD12 Disc Dura-Ace (Alu)
Foto: Daniel Kraus

Kostenvorteil für Alu

Wenn Sie bisher auch so gedacht haben, könnte es sein, dass Sie nach diesem Test ins Grübeln kommen. Zwar wird sich an der Dominanz von Carbonrahmen auf abseh­bare Zeit nichts ändern; doch ganz so hoffnungslos wie eingangs skizziert ist die Lage für Alu-Renner auch nicht. Vor allem zu Preisen um 2.000 Euro dürften Alu-Rahmen noch auf längere Sicht eine interessante Alter­native bleiben. Dafür spricht vor allem ihr immer noch drastischer Preisvorteil gegenüber ­Carbon. Um welche Größenordnung es dabei geht, verrät Frank Greifzu, Produktmanager bei Cube. "Ein Carbonrahmen wie der unseres Einsteigermodells Attain GTC kostet – wenn Entwicklung, Formenbau, Rohstoffe und Herstellungskosten eingerechnet werden – rund viermal mehr als ein Alu-Rahmen auf vergleichbarem Niveau", sagt er. Bei hochwertigen Carbonrahmen geht die Preisschere im Vergleich zu Alu sogar noch weiter auseinander.

Der Kostenvorteil von Aluminium zählt vor allem dann, wenn der Verkaufspreis ein sehr wichtiges ­Argument für ein Rad ist. Im Bereich runder Summen – Kaufleute nennen so ­etwas "Eckpreislage" – wie eben 2.000 Euro werden Räder nie mit Blick auf bestmögliche Technik konzipiert; Ausgangspunkt der Planung ist ein zuvor festgelegter Endpreis. Man kann sich das ungefähr vorstellen wie bei einem Abzählspiel. Schaltung und Bremsen kosten den Betrag X, die Laufräder den Betrag Y. Wenn am Ende alle Teile wie Lenker, Sattel, Reifen und so weiter feststehen, bleibt ein bestimmtes Budget für den Rahmen übrig. Wenn nun ein günstigerer Alu-Rahmen statt eines Carbonrahmens ­verbaut wird, hat der Hersteller in der Gesamtkal­kulation mehr Luft für eine ­höherwertige Ausstattung. Und mit einer besseren Komponenten-Gruppe oder leichteren Laufrädern ist der Alu-Renner unterm Strich meist das bessere Gesamtpaket, verglichen mit einem ähnlich teuren Carbonrad.

Wo die Grenze liegt, an der sich die Kostenvorteile von Alu und die technischen Vorteile von Carbon aufwiegen, lässt sich nicht pauschal sagen. Eine ungefähre Vorstellung vermittelt aber dieser Test, für den wir sechs Hersteller baten, uns je ein Alu- und Carbon-Modell zu schicken, die preislich oder ­zumindest technisch möglichst vergleichbar sein sollten. Das Preisspektrum der zwölf Kandidaten reicht von 1.200 Euro für das Alu-Modell Attain SL von Cube bis zu jeweils 4.000 Euro für die beiden Räder von Cannondale. Die sechs Paarungen erlauben aufschlussreiche Vergleiche. Dreimal ­enden die herstellerinternen Duelle unentschieden, davon zweimal mit leichten Gewichtsvorteilen für die Carbon­räder. In zwei Fällen haben die Alu-Räder die Nase vorn, einmal gewinnt Carbon deutlich.

Große Familienähnlichkeit

Am einfachsten vergleichen lassen sich die Cube-Modelle Attain GTC und Attain SL. Schon aus einem Meter Entfernung fällt es schwer, das Carbon- vom Alu-Rad zu unterscheiden. Geometrien, Rohrformen und die Ausstattungen bis hin zur Gabel sind fast identisch. Auch die Fahrtests offenbarten keinen signifikanten Unterschied. Am Ende trennen die Räder 300 Gramm und 300 Euro. Müssten wir zwischen beiden wählen, es wäre wohl das schwerere, dafür günstigere Alu-Modell. Den Ausschlag gibt das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis.
Nicht ganz so leicht fällt die Wahl bei Canyon. Hier unterscheiden sich die Räder nicht nur in den Werkstoffen. Das günstigere Endurace AL 7.0 hat eine höherwertige Ultegra-Gruppe, das 100 Euro teurere Endurace CF 7.0 "nur" eine 105. Die Gruppen sind aber funktional inzwischen so nah aneinander gerückt, dass es selbst erfahrenen Testern schwerfällt, einen Unterschied auszumachen. Die 200 Gramm Mehrgewicht der 105 macht der 400 Gramm leichtere Rahmen des Carbon-Modells locker wett. Im Fahrverhalten sind die Räder ebenfalls sehr ähnlich, der Carbonrahmen wirkt optisch moder­ner und die Sitzposition ist sportlicher. Bei der Endnote liegen die Räder wie die Cube-Modelle gleichauf. Aus ­optischen Gründen würden wir uns eher für die Carbon-Variante entscheiden.

Knappes Rennen

Ebenfalls extrem knapp ist das Rennen bei Radon – zumindest wenn man auf die Endnote schaut. Der Bonner Versender hat seine Modelle nahezu identisch ausgestattet. Trotzdem ist das Alu-Modell Ignite rund 100 Gramm leichter als sein ­Carbon-Pendant Sage, was sich vor allem mit der leichteren ­Gabel erklärt. Auch unter technischen Gesichtspunkten ist das Ignite das spannendere Rad. Sein 1.200 Gramm leichter Alu-Rahmen wirkt optisch zwar nicht supermodern, technisch aber ist er ­herausragend. Der Carbon-Hype der vergangenen Jahre hat dazu geführt, dass
es kaum noch echte High-End-Rahmen aus Aluminium gibt. Der Ignite ist insofern einer der letzten Vertreter seiner Art. ­Zudem widerlegt das Rad das Vorurteil, dass steife Alu-Rahmen per se schlechter federn als Carbonrahmen. Durch etwas breitere Reifen und eine hochwertige Carbon-Sattelstütze ­erschien uns das Ignite sogar ­minimal besser gedämpft. Da das Rad zudem leichter und günstiger ist, fällt das subjektive Urteil trotz gleicher Endnoten klar für das ­Ignite aus. Noch eindeutiger ist das Votum bei Stevens. Hier ist das Alu-­Aspin dem Carbon-­Izoard in jeder Hinsicht über­legen. 100 Euro günstiger, 200 Gramm leichter, bessere Gruppe, Top-Reifen – das Aspin ist ein sehr attraktives Rad, nicht nur für kühle Rechner. Dagegen wirkt das Izoard fast ein wenig blass. Einen Fehler kann man Stevens für das Modell zwar nicht ankreiden, doch ein echtes Highlight sucht man an dem Rad vergeblich. Klarer Sieg nach Punkten für das Alu-Modell.

Waren bei den bisherigen Paarungen die Modelle einander konzeptionell recht ähnlich, ­liegen die Fälle bei Cannondale und Storck anders. Das CAAD12 Disc Dura-Ace von Cannondale hat uns schon deshalb interessiert, weil es mit 3.999 Euro das womöglich teuerste Serienrennrad mit Alu-Rahmen ist, das es noch gibt. Der Zusatz Dura-Ace verspricht zudem, dass es sich um ein Rad mit High-End-Anspruch handelt. Als Gegenstück wählten wir das SuperSix Evo Hi-Mod, ebenfalls für 3.999 Euro. Hier hat die US-Marke ­ihren superleichten High-End-Rahmen mit einer relativ einfachen, aber soliden Ausstattung kombiniert. Ein Mix, der auf ­den ersten Blick ­wenig schlüssig erscheint. Wer vor allem auf den Rahmen des SuperSix Evo Hi-Mod spekuliert, kann bei dieser Variante aber durchaus auf seine Kosten kommen, da das Rad eine gute Basis für spätere Nachrüstungen mit höherwertigen Komponenten ist. Dagegen erwies sich das Alu-Rad als Enttäuschung. Die teure ­Dura-Ace-Schaltgruppe bringt keinen funktionalen Vorteil ­gegenüber einer Ultegra- oder 105-Gruppe. Schwere Laufräder, ein unangenehm zu greifender Lenker und Scheibenbremsen, die gegenüber guten Felgenbremsen keine Vorteile bieten, dämpfen den Fahrspaß hingegen merklich. Angesichts der mittel­prächtigen Endnote erscheinen 4.000 Euro für das Komplettrad überteuert.

Ebenfalls weit auseinander liegen die beiden Storck-Modelle. Die Idee bei diesem Duell war, das teuerste Alu-Rad dem günstigsten Carbonrenner der hessischen Marke gegenüberzustellen. Bei einem Premium-Anbieter wie Storck führt das dazu, dass die Räder trotz nahezu identischer Ausstattungen ­exakt 1.000 Euro auseinander liegen. Das Carbongerät Visioner Comp ist ein solides, für den Preis von 2.999 Euro nicht besonders leichtes Rad mit sportlicher Auslegung, das sich sehr gut fährt. Sein Alu-Pendant Visioner G1 für 1.999 Euro erinnert dagegen nicht
nur formal an die große Zeit der Storck-Alu-Rahmen um die Jahrtausendwende, als ­Modelle wie der ­legendäre Scenario Pro zum besten zählten, was der Markt hergab. Damit ist das toll ­verarbeitete Rad ein Klassiker; im Vergleich mit modernen Carbonrädern fährt es sich aber relativ hart, und auch die Geometrie mit dem vergleichsweise hoch positionierten Tretlager ist nicht jedermanns Sache.

Schwere Wahl

Solche Vergleiche sind naturgemäß eine ­Momentaufnahme. Vor einigen Jahren hätten bei vergleichbaren Paarungen meist noch die Alu-Räder die Nase vorn gehabt. Die sechs Paarungen zeigen aber, dass es auch auf ­Einsteiger-Niveau inzwischen attraktive Carbonmodelle gibt, die preislich nicht zu weit weg von vergleichbaren Rädern mit ­Alu-Rahmen sind. Die Wahl zwischen den Werkstoffen wird damit für scharfe Rechner in Zukunft noch schwerer. Modelle wie ­Radons Ignite oder das Stevens Aspin sind aber ein deutlicher Beleg, dass Alu noch längst nicht zum alten Eisen zählt.

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