Unbekannt
· 31.07.2015
Man muss nicht trainieren wie ein Profi, um ein Rad zu fahren, das aussieht wie das Arbeitsgerät eines Berufsradfahrers. Wir haben fünf solcher Team-Replikas gefahren und getestet.
Vielleicht hätten wir uns die Labormessungen bei den fünf Rädern in diesem Vergleich sparen können – denn es geht um sogenannte Team-Replikas: Rennräder, die den Originalen der Profis mal mehr, mal weniger detailgetreu nachempfunden sind.
Diese Team Replikas haben wir getestet (den gesamten Artikel als PDF-Download finden Sie unten):
• Cannondale CAAD10 Ultegra 2
• Canyon Endurace AL 7.0 Team
• Canyon Aeroad CF SLX 9.0
• Giant Propel Advanced SL Team
• Scott Addict Team Issue Di2
Wer sich für ein solches Rad entscheidet, für den ist es vermutlich nicht so wichtig, wie schwer oder steif der Renner im Vergleich zur Konkurrenz ist. Eine Team-Replika kauft man vor allem, um damit seine Leidenschaft für einen Lieblingsfahrer, ein bestimmtes Team oder den Profiradsport im Allgemeinen zu zeigen.
Neu ist das Phänomen nicht. Seit seinen Anfängen war der Radsport immer eine Bühne für die Radhersteller, auf der sie ihre Produkte der Öffentlichkeit präsentieren konnten. Vor allem die Räder der Sieger übten auf Fans immer eine besondere Faszination aus. Nicht nur, dass sie ihre technische Klasse im harten Renneinsatz bewiesen hatten; ihnen haftete zugleich der Ruhm der Stars an, der oft sogar das wichtigere Verkaufsargument war. Denn technisch unterschieden sich die Räder der Sieger lange Zeit nur marginal. Wer aber mit dem Rad eines Tour-de-France-Siegers fuhr, schloss zumindest schon mal optisch zu seinem Idol auf. Bereits vor dem zweiten Weltkrieg waren vor allem die Marken der großen Champions auch bei den Amateurrennfahrern angesagt.
Aus dieser Zeit datieren auch die ersten Ideen der Hersteller, Rädern ein Markenimage zu verpassen. Das bis heute berühmteste Beispiel für eine Firmenfarbe im Radsport lieferte die italienische Marke Bianchi. Bereits in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts siegte Costante Girardengo auf hellblau lackierten Rädern der Marke. Zur Kultfarbe wurde der Farbton Celeste aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als Fausto Coppi zum ersten Superstar des Radsports aufstieg. Für Tausende Fans war ein celeste-farbenes Bianchi fortan der Traum ihrer schlaflosen Nächte. Wenn man so will, handelte es sich bei diesen Modellen, die Bianchi im radsportverrückten Italien schon damals in großen Stückzahlen verkaufen konnte, um die ersten Team-Replikas. Alleine stand Bianchi mit dieser Art der Verkaufsförderung aber nicht da. Auch andere bekannte Marken jener Epoche nutzten ungewöhnliche Lackierungen als Mittel zur Abgrenzung, etwa Wilier Triestina (Kupfer) oder Mercier (Pink). Schwer vorstellbar, dass sich diese Farben in nennenswerten Stückzahlen hätten verkaufen lassen, hätten sie sich nicht mit Stars wie Fiorenzo Magni oder Raymond Poulidor verbinden lassen.
1977, als Didi Thurau bei der Tour de France zwei Wochen im Gelben Trikot fuhr und damit eine hierzulande nie dagewesene Radsportbegeisterung entfachte, schwappte das Phänomen auch nach Deutschland über. Plötzlich wollte jeder Radsport-Fan ein rot-schwarz-gelbes Rad der britischen Marke Raleigh haben, wie Thurau es fuhr. Und als der Frankfurter bald darauf das Team wechselte und fortan auf einem Gios unterwegs war, schossen die Verkaufszahlen der italienischen Marke in die Höhe. Selbstredend, dass die meisten dieser Räder dunkelblau waren – wie jenes von Thurau.
ZWEISCHNEIDIGES SCHWERT
Nun ist gegen eine enge Verbindung von Stars und Fans grundsätzlich nichts einzuwenden. Viele Sportarten leben maßgeblich von der Begeisterung ihres Publikums. Man muss hier nur an die Legionen von Fußball-Fans denken, die jedes Wochenende in den Trikots ihrer Vereine in die Stadien pilgern. Wer sich allzu sehr mit einem Star oder einer Mannschaft identifiziert, riskiert allerdings, in Mithaftung genommen zu werden, sobald Erfolge ausbleiben oder – noch schlimmer – das Image einer Sportart abstürzt. So erging es vielen Radsport-Fans, die sich an den Erfolgen von Jan Ullrich, Erik Zabel und deren Kollegen vom Team Telekom berauschten. Plötzlich war gefühlt jeder dritte Hobbyrennradler in einem magentafarbenen Telekom-Trikot unterwegs. Nicht wenige Fans gingen noch weiter und legten sich ein magentafarbenes Rad von Ullrichs Ausrüster Pinarello zu, der damals Rekordumsätze schrieb. Als die Radsportbegeisterung dann nach den Doping-Enthüllungen implodierte, der Sport in eine tiefe Krise schlidderte und Ullrich vom Helden zur tragischen Figur wurde, riskierten Hobbyfahrer, die weiter im Telekom-Look ihrem Sport nachgingen, an jeder Bushaltestelle als EPO-Konsumenten verunglimpft zu werden.
Zum Glück haben sich die Zeiten inzwischen wieder entspannt. Dass der Radsport heute völlig dopingfrei ist, daran glauben zwar nur unverbesserliche Optimisten. Dass die zahlreichen Bemühungen um eine Lösung der Problematik Früchte getragen haben und auch ehrliche Fahrer wieder Siegchancen haben, darf aber als sicher gelten. Damit ist auch die Grundlage gelegt, dass man sich wieder an den Erfolgen von jungen Fahrern wie Marcel Kittel und John Degenkolb freuen darf. Ob man dafür gleich so weit gehen muss, sich eine Team-Replika zu kaufen, ist natürlich noch immer eine sehr individuelle Entscheidung. Außer Frage steht allerdings, dass viele dieser Lookalikes mit ihren aufwendigen Lackierungen echte Hingucker sind. Umso besser, wenn dann auch noch
die technischen Werte stimmen.
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