EinzeltestCanyon Inflite AL 8.0 S

Unbekannt

 · 10.01.2014

Einzeltest: Canyon Inflite AL 8.0 SFoto: Markus Greber
Canyon Inflite AL 8.0 S

Mit der Ausstattungsvariante 8.0 S soll der neue Canyon-Crosser Inflite AL zum praktischen Winterrenner werden. Allerdings fehlt der Idee die letzte Konsequenz.

Es gibt sicher Schöneres, als bei trübem, nass­kaltem Wetter Rennrad zu fahren. Dennoch wollen viele Radsportler auch im Winter nicht darauf verzichten. Sei es, um die Form mit regelmäßigem Training bis ins Frühjahr zu retten, oder aus der Überzeugung, auf den täglichen Wegen ein schnelles und trotzdem umweltfreundliches Verkehrsmittel zu nutzen. Erfahrene Winterradler wissen, dass ein Rennrad für diesen Zweck vor allem viel einstecken können muss. Nässe, Split und Streusalz verschleißen die Komponenten im Zeitraffer, die widrigen Bedingungen fordern Antrieb, Bremsen und Reifen. ­Feste Schutzbleche, Reflektoren und Licht sind zudem überaus nützliches Zubehör. Passende Räder von der Stange gibt es kaum, die meisten Winterradler bauen sich ihren Schlechtwetterrenner letztlich selbst – was eine ­gewisse Muße voraussetzt. Canyon will mit dem Inflite AL 8.0 S nun eine fahrfertige Alternative bieten.

Zwei in einem

Das Rad fußt auf dem brandneuen Alu-Crossrahmen der Koblenzer, der dem Zeitgeist entsprechend mit Scheibenbremsen daherkommt. Mit recht preiswerten Anbauteilen ist es gleichzeitig die günstigste Version des Modells fürs Grobe. Der grau eloxierte Alu-Rahmen eignet sich für den Aufbau, denn er bietet genügend Platz für 28 Millimeter breite Straßenreifen samt der optionalen, speziell für dieses Rad konfektionierten Longboard-Schutzbleche von SKS. Diese reichen weit nach unten und schützen Antrieb, Füße, Rücken und Hintermann wirksam vor straßendreckdurchsetztem Spritzwasser. Dank der geschickten Befestigung kommen sich die Streben nicht mit der Scheibenbremse ins Gehege – ein Problem an vielen anderen Rädern. Erhältlich sind die effektiven Schützer gegen einen fairen Aufpreis von 35 Euro. Ohne das ­Zu­behör unterscheidet sich das Rad von einem Crosser ­jedoch lediglich durch die Reifen, was ein wenig den Sinn des 1.299 Euro teuren Grund­angebots in Frage stellt. Zwar wäre die sonstige Ausstattung uneingeschränkt geländetauglich: Mit wenigen Handgriffen lässt sich das Canyon zum Crossrad umrüsten – Schutz­bleche weg und Stollenreifen drauf, fertig. Das erweitert einerseits das Einsatzspektrum, ist aber andererseits schade, denn eine ­zu­verlässige Lichtanlage mit Naben­dynamo wäre konsequenter gewesen. So muss man auf Anstecklichter zurückgreifen und immer an aufgeladene Akkus denken.

  Speziell gebogene Streben der Schutzbleche werden an den Innenseiten von Gabelscheiden und Sitzstreben befestigt.Foto: Markus Greber
Speziell gebogene Streben der Schutzbleche werden an den Innenseiten von Gabelscheiden und Sitzstreben befestigt.

Bis auf das hohe Rahmengewicht, das durch die leichte Disc-Gabel relativiert wird, leistet sich das Rahmen-Set bei den Messwerten kaum Schwächen. Der Rahmen ist überaus stabil gebaut und verfügt über jede Menge ­Sicherheitsreserven. Allerdings könnte das Rad etwas komfortabler sein – die einfache VCLS-Stütze bietet nicht die Nachgiebigkeit der Basalt- oder gar der innovativen VCLS-­2.0-Stütze aus gleichem Haus. Die Crossone-Laufräder von Mavic mit Continentals 4Season-Reifen, Shimanos 105-Gruppe und die Alu-Anbauteile sind im besten Sinne ­robuste Begleiter. Sie versprechen eine hohe Laufleistung, und die Verschleißteile sind verhältnismäßig günstig. Gebremst wird am Testrad mit Avids BB7-Bremsen – eine Übergangslösung, bis Shimanos CX77 lieferbar ist. Beide sind eine gute Wahl, die Brems­leistung mechanischer Scheibenbremsen ist weitgehend unabhängig vom Wetter und die Wartung vergleichsweise simpel. Allerdings treibt die zweckmäßige Ausstattung auch das Gewicht des Rades in die Höhe, schon ohne Pedale und Schutzbleche wiegt unser Testrad mehr als neun Kilo.

Multitalent mit Schwächen

Für ein Trainingsrad ist das Gewicht zwar zweitrangig und auch gelegentliche Ausflüge ins Gelände bereiten trotzdem Spaß – für ein Wettkampfgerät fehlt dem Rad aber die Spritzigkeit. Auch auf der Straße fährt sich das Inflite, bedingt durch das hohe Laufradgewicht und die Geometrie mit viel Nachlauf, sehr gutmütig bis träge, was sich für den Einsatzzweck aber gar nicht so verkehrt anfühlt. Die Sitzposition fällt neutral und nicht zu sportlich aus, was ebenso zum Konzept passt. Unterm Strich ist das Canyon Inflite vor allem vielseitig – ein Rad, mit dem sich wirklich viel anfangen lässt. Das heißt leider nicht, dass es alles richtig gut kann. Für ein richtiges Winter­rad fehlen Licht und Reflektoren, für ein Reiserad die Gepäckträger-Ösen, für Crosswettkämpfe ist es etwas zu schwer. Wer aber einen preiswerten Kompromiss für viele Gelegenheiten bei wenig Umbauaufwand sucht, kann mit dem Inflite AL 8.0 S ziemlich günstig glücklich werden.

Preis Komplettrad 1.334 Euro
Gewicht 9,5 Kilo

Bezug/Info www.canyon.com

Rahmengrößen** 50, 53, 56, 58, 60, 62 cm
Sitz-/Lenkwinkel 74°/71,5°
Sitz-/Ober-/Steuerrohr 575/560/159 mm plus 18 mm Steuersatzkappe
Radstand/Nachlauf 1.030/63 mm
Stack/Reach/STR*** 587/391 mm/1,50

AUSSTATTUNG
Lenklager Acros Ai-70, oben 1-1/4, unten 1-1/2 Zoll
Bremsen Avid BB7 Road
Schaltung/Tretlager Shimano 105 (50/34 Z., Press-Fit)
Laufräder/Reifen Mavic Crossone Disc/Continental Grand Prix 4Season (28 Millimeter)
Lenker/Vorbau Ritchey Comp Logic Curve/Ritchey WCS
Sattel/-stütze Selle Italia X1/Canyon VCLS (27,2 mm)

MESSWERTE & EINZELNOTEN
Gewicht Komplettrad 9,1 kg (o. Pedale)
Gewicht Rahmen/Gabel/Steuerlager**** 1.528/462/59 g
Normiertes Gewicht Rahmen-Set***** 2.049: 4,0
Lenkkopfsteifigkeit 118 Nm/°: 1,0
Seitensteifigkeit Gabel 49 N/mm:  1,7
Tretlagersteifigkeit 64 N/mm:  1,0
Komfort Rahmen 178 N/mm: 2,0
Komfort Gabel 88 N/mm: 4,0

Foto: TOUR Magazin
Foto: TOUR Magazin

* In die Gesamtnote gehen das Rahmen-Set mit 40 Prozent, die Ausstattung mit 60 Prozent ein. In diese Bewertung fließen Einzelnoten ein, die wir aus Platzgründen nur zum Teil abdrucken. Die Noten werden bis zur Endnote mit allen Nachkommastellen gerechnet; zur besseren Übersichtlichkeit geben wir aber alle Noten mit gerundeter Nachkommastelle an.
** Herstellerangaben; Testgröße fett.
*** Stack/Reach: projiziertes senkrechtes/waagerechtes Maß von Mitte Tretlager bis Oberkante Steuerrohr;
STR (Stack to Reach): 1,36 bedeutet eine sehr gestreckte, 1,60 eine aufrechte Sitzposition.
**** Gewogene Gewichte.
***** Bereinigtes Gewicht für Rahmengröße 57 cm und Gabelschaftlänge 225 mm.

  Das Inflite AL als Crossrad gibt es auch mit Shimanos Ultegra – und kostet 1.699 Euro.Foto: Markus Greber
Das Inflite AL als Crossrad gibt es auch mit Shimanos Ultegra – und kostet 1.699 Euro.