Sie gelten als robust, kommen mit wartungsfreundlicher Technik und sind bereits für relativ kleines Geld erhältlich: Rennräder mit Alu-Rahmen.
Trotz dieser Vorzüge sind die Modelle aus dem Leichtmetall stetig auf dem Rückzug. Der größte Kritikpunkt inmitten des Carbon-Zeitalters ist das höhere Gewicht.
Im Schnitt bringt ein Alu-Rahmen etwa 700 Gramm mehr auf die Waage als ein Rahmen aus Carbon. Einfache Anbauteile lassen das Komplettradgewicht eines modernen Alu-Rennrads nicht selten über neun Kilo schnellen. Das stärkste Argument für die Räder aus dem Leichtmetall ist dafür der Preis: Keines kostet mehr als 2500 Euro.
Wir befinden uns im Jahre 2023 nach Christus. Der gesamte Rennradmarkt ist von Carbonrennrädern besetzt. Der gesamte Markt? Nein! Fast alle großen Hersteller hören nicht auf, weiterhin Räder mit Aluminiumrahmen zu produzieren ... Mehr als 20 Jahre nach dem Beginn der großen Carbonwelle und angesichts der heutigen Dominanz der Räder mit Kohlefaserrahmen steht allerdings eine zentrale Frage im Raum: Auf welchem technischen Stand sind die aus dem Leichtmetall verschweißten Konstruktionen – und können sie mit den immer günstiger werdenden Rahmen aus Carbon konkurrieren? Wir machen den Test mit acht aktuellen Alu-Rädern zwischen 1500 und 2500 Euro.
Der Vergleich mit dem gallischen Dorf, das sich in der Comicreihe „Asterix“ mit allen Mitteln gegen die römische Besatzungsmacht wehrt, mag etwas überspitzt sein. Doch die Vorherrschaft der Carbonrenner ist kaum weniger erdrückend als die einstige Übermacht der Römer im heutigen Frankreich. Speziell im Segment der Wettkampfräder bestimmt Kohlefaser die Portfolios.
Ist man auf der Suche nach einem sportlich konzipierten Rennrad aus Aluminium, kommen nur noch wenige Modelle infrage. Die überwiegende Mehrheit der Alu-Räder – nicht nur in unserem Test – versammelt sich inzwischen unter dem Dach der Marathonmodelle. Aus einem im wahren Wortsinn gewichtigen Grund.
Die Zeiten, in denen Alu-Rahmen Leichtgewichtsrekorde erzielten, sind tendenziell vorbei. Zwar brechen sich immer wieder spektakuläre Modelle Bahn. Allen voran sind die leichten CAAD-Modelle von Cannondale zu nennen, die es mit Konkurrenten aus Carbon aufnehmen konnten und können. Die Investitionen fließen aber hauptsächlich in die Entwicklung leichter, aerodynamisch optimierter Kohlefaserrahmen.
Zudem ist das „schwarze Gold“ inzwischen in der Anschaffung wesentlich günstiger als zu den Anfängen des Carbonrahmenbaus. Allein aus wirtschaftlicher Sicht lohnte es sich bis vor rund zehn Jahren für Fahrradhersteller, hochentwickelte Alu-Räder auf den Markt zu bringen.
Welchen Stellenwert die Alu-Modelle heute selbst bei einem Hersteller wie Cannondale einnehmen, der sich einst mit herausragenden Kreationen den Titel als Alu-Pionier erarbeitet hat, zeigt ein Blick auf unsere Markenliste. Oder eben auch nicht. Die US-Marke konnte unserer Test-Anfrage nicht nachkommen und das CAAD 13 als aktuellsten Spross der Baureihe nicht liefern, weil die Testflotte für den deutschen Markt nur noch aus Carbonrädern besteht.
Die starke Fokussierung auf Carbonrennräder auch in der Mittelklasse (siehe Grafik) führte letztlich zum Stillstand im Alu-Rahmenbau. Weil Aluminium zunehmend nur noch für sehr preiswerte Räder infrage kam, wurden die Rohre – auch wegen des technischen Wechsels von Felgen- zu Scheibenbremsen – eher dickwandiger und schwerer, wodurch Rahmengewichte um 1200 Gramm heute eher selten sind.
Für Alu-Straßenräder ermittelten wir in den vergangenen 15 Jahren durchschnittlich 1551 Gramm für den Rahmen, Kompletträder bewegten sich bei rund 8,9 Kilo, Tendenz steigend. Die Gewichte von Stevens Vuelta und Co. (siehe unten) werden vermutlich Bestwerte bleiben.
Doch es gibt sie natürlich, die positiven Ausreißer, die technisch gut gemacht sind und in die Nähe von vergleichbaren Carbon-Konkurrenten kommen. Speziell Trek zeigt mit dem neuen Émonda, was möglich ist. Der Disc-Rahmen des ALR 5 wiegt 1278 Gramm, nur das Chassis des Cannondale CAAD 12 war in unserer Testhistorie bei gleicher Rahmengröße noch etwas leichter.
Die US-Amerikaner kommen an den Rekordwert unter anderem dank des sogenannten Hydroforming-Verfahrens heran: Dabei werden die Alu-Rohre unter hohem Druck und mithilfe einer Flüssigkeit in Form gedrückt, womit sich dünnere Wandstärken realisieren lassen und Gewicht gespart wird.
Dass es trotzdem eine Diskrepanz zu den leichtesten Alu-Kompletträdern im TOUR-Test gibt, ist der vergleichsweise einfachen Ausstattung aktueller Alu-Räder geschuldet. Während die Hersteller ihre Modelle zur Hochphase des Alu-Rahmenbaus mit hochwertigen Schaltgruppen sowie Carbonlaufrädern ausstatteten und so Gewichte auf dem Niveau moderner Profiräder erzielen konnten, sind aktuell meist einfache und schwere Komponenten verbaut. So bleibt das Trek als einziger Kandidat mit Scheibenbremsen unter 9 Kilogramm, die weiteren sechs Disc-Renner sind im Schnitt um rund 700 Gramm schwerer.
Ein „Exot“ ist das Stevens Aspin, das als einziges Rad im Test mit Felgenbremsen verzögert, dank dieser Bremsen 8,1 Kilogramm wiegt und das mit Abstand leichteste Rad ist. An die Bestmarke ihres Modells Vuelta, das die Hamburger vor gut zehn Jahren mit sensationellen 6,3 Kilogramm in den TOUR-Test schickten, oder an das Santana Stylus, dessen Scandium-Alu-Rahmen es beim Gewicht problemlos mit aktuellen Carbonrädern aufnehmen kann, kommt das Aspin allerdings nicht heran. Neben Stevens bietet einzig Canyon sein Endurace noch mit Felgenbremsen an.
Die Gewichtsunterschiede der Testräder stecken im Detail: Das neue Allez Sport von Specialized hat zwar nach dem Émonda den zweitleichtesten Disc-Rahmen, der einfache Laufradsatz ist aber um bis zu 600 Gramm schwerer als die der Konkurrenz. Gegenbeispiel ist das Reveal AL, das Rose kurz vor Redaktionsschluss als Nachfolger des beliebten Pro SL präsentierte. Mit 1900 Gramm erreicht der Rahmen das Niveau robuster Gravelbikes, dafür sind die Laufräder erstaunlich leicht. Am Fuji SL-A zeigen sich außerdem die Unterschiede bei der Gabel, die, obwohl sie wie bei alle anderen Testmodellen aus Carbon ist, um bis zu 100 Gramm mehr auf die Waage bringt.
Die vielen rot gefärbten Teilnoten (siehe Tabelle unten) beim Gesamtgewicht sind leider auch außerhalb des TOUR-Labors spürbar. Bis auf Stevens und Trek fahren sich die Räder vergleichsweise träge. Zwar muss man berücksichtigen, dass die meisten Modelle durch ihre Rahmengeometrie als Marathonräder konzipiert sind und mit der Möglichkeit, bis zu 35 Millimeter breite Reifen aufziehen zu können, auch Abstecher auf gröberes Terrain erlauben.
Etwas mehr Fahrdynamik hätten wir von den Rennern um 2000 Euro allerdings schon erwartet. Schließlich werden in dieser Preiskategorie auch Carbonrenner angeboten, die um mehrere Hundert Gramm leichter sind und sich dadurch lebendiger präsentieren.
Für mehr Fahrspaß empfiehlt es sich bei fast allen Modellen, in bessere Laufräder zu investieren. Speziell das Specialized, im sonst eher hochpreisigen Sortiment des US-Herstellers das zweitgünstigste Rennrad, würde davon profitieren. Lohnend wäre beim Allez Sport wie auch beim Cube Attain und beim Rose Reveal ein Tausch der Reifen. Das Trio rollt auf billigen Drahtreifen, die sich schwer über die Felge ziehen lassen und wenig federn.
Wie sinnvoll hochwertige Reifen sind, zeigt sich an Canyons Endurace: Die 32- Millimeter-Pneus von Schwalbe (und besonders die Carbonsattelstütze) machen das Marathonrad aus Koblenz zum komfortabelsten Rad im Test – und geben letztlich den Ausschlag dafür, dass es sich in unserem Vergleich zusammen mit dem Stevens die Bestnote sichert. Ein weiterer Tuning-Tipp liegt damit auf der Hand: Einfache Rundstützen aus Carbon sind schon für weniger als 100 Euro erhältlich.
Insgesamt liegen die Gesamtnoten der acht Kandidaten im Zehntelbereich eng beeinander. Die robusten Rahmen sind fast ausnahmslos fahrstabil, einzig das Specialized offenbart Schwächen an der Gabel. Fans des Bowdenzugs werden sich über die Ausstattungen mit mechanischen Shimano-Gruppen freuen: Tiagra, 105 und Ultegra arbeiten tadellos, sind wartungsfreundlich und unterscheiden sich hauptsächlich in Gewicht und Gangspektrum von teureren Elektroversionen.
Einige Hersteller verwenden allerdings billige Einzelteile wie einfache Edelstahl-Discs, die etwas weniger kräftig verzögern. Unklar ist für die kommenden Jahre die Versorgung mit Ersatzteilen, da die Elffach-Versionen von 105 und Ultegra im Sortiment des japanischen Komponentenherstellers zu den Auslaufmodellen gehören.
Auch die Tiagra könnte in Zukunft vom Markt verschwinden und in Shimanos neues Ökosystem namens CUES (Create Unique Experiences) übergehen. Die neue Produktlinie versammelt verschiedene Einzelkomponenten, die miteinander kombiniert werden können und verschleißarm sind. Der Standard ist unter anderem im Mountainbike-Bereich schon angekommen.
Zusammenfassend stellen die getesteten Räder eine günstige Alternative für preisbewusste Radsportler dar. Durch Aufnahmen für Schutzbleche eignen sich einige Modelle zudem als Trainings- oder Winterrad oder dank ihrer unverwüstlichen Konstruktion als vielversprechende Basis zum Selbstaufbau. Eines gelingt den Alu-Rennern im Test jedoch nicht: sich mit allen Mitteln gegen die Carbonradübermacht zur Wehr zu setzen.
Dass rekordverdächtig leichte Alu-Rennräder auf den Markt kommen, liegt bereits ein paar Jahre zurück. Ein Blick ins TOUR-Testarchiv.
Leichter als die UCI erlaubt: Stevens kombinierte einen leichten Rahmen (1185 Gramm) mit hochwertigen Komponenten. Tribut an den Leichtbau: Das Vuelta zeigte Defizite bei der Fahrstabilität.
Ein Rennrad mit Shimanos Dura-Ace-Komponenten und Carbonlaufrädern für 4000 Euro? Cannondale machte das einst mit dem CAAD 12 möglich. Bis heute das leichteste Alu-Komplettrad mit Scheibenbremsen.
Zu viel Leichtbau ist auch nicht gut – so die Erkenntnis beim Stylus von Tandemspezialist Santana. Die dünnwandigen Alu-Rohre schwächten die Fahrstabilität des Renners.
Ehre, wem Ehre gebührt: Cannondale stellt neben dem leichtesten Disc-Komplettrad auch den leichtesten Disc-Rahmen: Mit 1.231 Gramm hing das Chassis des CAAD 12 an der TOUR-Waage.