Kurz vor Tour de FranceNeue Rennräder von BMC, Factor und Ridley

Julian Schultz

 · 06.06.2023

Kurz vor Tour de France: Neue Rennräder von BMC, Factor und RidleyFoto: Getty Velo
AG2R-Profi Greg van Avermaet (vorne, rechts) nutzt bei der Dauphine ein bislang unveröffentlichtes Modell von BMC. Der aero-optimierte Prototyp könnte die Nachfolge der Timemachine antreten.
Spätestens mit dem Criterium du Dauphiné ist der Countdown für die 110. Tour de France eingeläutet. Die Top-Stars stellen ihre Form unter Beweis, die Hersteller schieben neues Material an den Start. Bei der diesjährigen Generalprobe zur Frankreich-Rundfahrt zeigten BMC und Ridley unveröffentlichte Rennmaschinen. Zudem scheint Factor in Kürze ein neues Wettkampfrad zu präsentieren. Eine Übersicht.

BMC: Nachfolger der Timemachine Road?

Der spektakulärste Prototyp bei der “Dauphiné” kommt von BMC und könnte künftig die fünf Jahre alte Timemachine Road ersetzen. Der aktuelle Aero-Bolide des französischen Teams AG2R ist mit 210 Watt im TOUR-Test zwar immer noch ziemlich schnell, wurde in den vergangenen Monaten aber von einigen Modellen überholt. Daran wollen die Schweizer allem Anschein nach etwas ändern. Oder wie soll man den werbewirksamen “Create Speed”-Schriftzug auf dem Unterrohr sonst deuten?

“Create Speed” steht auf dem Unterrohr des BMC-Prototypen. Das Steuerrohr ist in die Länge gezogen, die Gabelholme extrem weit ausgestellt.Foto: Getty Velo“Create Speed” steht auf dem Unterrohr des BMC-Prototypen. Das Steuerrohr ist in die Länge gezogen, die Gabelholme extrem weit ausgestellt.

Der potenzielle Nachfolger, mit dem Altmeister Greg van Avermaet (Belgien/38) und Kletterspezialist Ben O’Connor (Australien/27) erstmals wenige Wochen vor der Tour de France unterwegs waren, sieht bereits auf den ersten Blick schnell aus. Durch die Aufhebung der 3:1-Regel, die die Abmessung der Rohrquerschnitte vorschreibt, ist vor allem das Steuerrohr im Vergleich zur aktuellen Timemachine Road in die Länge gewachsen. Daraus resultiert ein aerodynamisch günstigeres Profil, das wie die Kammtail-Profile des Unter- und Sitzrohrs die Aero-Leistung begünstigen dürften.

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Ein echter Hingucker ist die Gabel: Durch die extrem weit ausgestellten Holme würde vermutlich sogar ein breiter Gravelreifen hindurch passen, wie auf den Bildern zu erkennen ist. Dafür ist das neue BMC natürlich nicht konzipiert. Stattdessen soll durch die spezielle Konstruktion der Luftstrom offenbar störungsfreier um die Rennmaschine gelenkt werden - und es dadurch schneller sein.

Im direkten Vergleich zur Teammachine von Oliver Naesen (rechts) ist zu erkennen, dass die Front des neuen BMC von Greg van Avermaet wesentlich schlanker ist. Im Ansatz sind zudem die weit ausgestellten Gabelholme des Prototypen zu sehen.Foto: Getty VeloIm direkten Vergleich zur Teammachine von Oliver Naesen (rechts) ist zu erkennen, dass die Front des neuen BMC von Greg van Avermaet wesentlich schlanker ist. Im Ansatz sind zudem die weit ausgestellten Gabelholme des Prototypen zu sehen.

Neben dem Prototypen, der durch die UCI als solcher gekennzeichnet ist, feierte beim Team AG2R bei der Dauphiné-Rundfahrt auch Campagnolos neue Super Record Wireless ihr Renndebüt. Die Top-Schaltgruppe hatte das italienische Traditionsunternehmen kurz vor dem Auftakt des einwöchigen Etappenrennens vorgestellt.

Ridley: Neuer Allrounder?

Ridley stellte dem Lotto-Dstny-Team ebenfalls ein neues, bislang unveröffentlichtes Gefährt zur Verfügung. Im Gegensatz zum BMC fällt der Prototyp gewöhnlicher aus und könnte eine Ergänzung zu den bisherigen Arbeitsgeräten der belgischen Mannschaft sein. Bislang hat der World-Tour-Absteiger vornehmlich das aero-optimierte Noah Fast sowie das leichte Helium SLX im Einsatz. Das bei der Dauphiné-Rundfahrt gesichtete Modell, mit dem Jungprofi Maxim van Gils (Belgien/23) zum Auftakt auf Rang fünf sprintete, könnte in Zukunft beide Kategorien abdecken.

Wie das BMC ist auch das neue Ridley (rechts) mattschwarz lackiert und mit einem Prototypen-Sticker von der UCI versehen. Das Steuerrohr ist konisch geformt, wodurch es sich unter anderem vom Canyon Ultimate (links) unterscheidet.Foto: Getty VeloWie das BMC ist auch das neue Ridley (rechts) mattschwarz lackiert und mit einem Prototypen-Sticker von der UCI versehen. Das Steuerrohr ist konisch geformt, wodurch es sich unter anderem vom Canyon Ultimate (links) unterscheidet.

Ridley wäre nicht der erste Hersteller, der diesen Weg einschlägt. Specialized macht dies seit Jahren mit dem S-Works Tarmac SL7 vor, Giant präsentierte im vergangenen Jahr mit dem Propel Advanced ebenfalls einen vielseitigen Allrounder, der den Spagat aus Aerodynamik und Gewicht meistert. Auch Colnago stellt Superstar Tadej Pogacar (Slowenien/24) mit dem V4Rs “nur” eine Rennmaschine zur Verfügung.

Der Prototyp ist mit großer Wahrscheinlichkeit schneller als das Helium, dessen Rahmen-Set allerdings auch kaum nennenswerte Aero-Merkmale trägt. Im Vergleich zum Noah Fast, das im TOUR-Test 212 Watt bei 45 km/h benötigt, fallen die Rohrformen dagegen deutlich runder aus, wodurch die Neuheit an Schnelligkeit einbüßen dürfte. Aber dafür leicht ist? Es bleibt abzuwarten, wann Ridley den Vorhang offiziell lüftet.

Factor: Leichtes Bergrad für Ex-Tour-de-France-Sieger Froome?

Bei der Dauphiné ist Israel-Premier Tech zwar nicht am Start, dennoch schürte das Team in Person von Kletterspezialist Dylan Teuns (Belgien/31) zuletzt die Gerüchteküche über ein neues Modell von Factor. Im Netz kursiert ein Foto, das Teuns während einer Trainingsfahrt in den Bergen auf einem unveröffentlichten Renner des britischen Herstellers zeigt. Ein Nachfolger des O2 VAM?

Wie auf dem Bild zu erkennen ist, dürfte Factor das Leichtbau-Modell im Vergleich zum aktuellen O2 nochmal etwas abgespeckt haben. Keine leichte Aufgabe, schließlich liegt das Bergrad in Top-Ausstattung schon jetzt nur knapp über dem UCI-Gewichtslimit. Im TOUR-Testlabor erreichte das Rahmen-Set mit 1160 Gramm zudem einen rekordverdächtigen Wert. Speziell das Oberrohr und die Sitzstreben des unveröffentlichten Factor sind äußerst filigran konstruiert, insgesamt sind alle Carbonrohre auf das Wesentliche reduziert.

Die Tage bis zum Tour-de-France-Auftakt an der nordspanischen Atlantikküste dürften spannend bleiben. Vielleicht kommen auch noch andere Hersteller aus der Reserve und unterziehen ihre Prototypen einem Härtetest im Rennbetrieb, ehe es zur großen Materialschau bei der Tour de France geht.



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