Stevens Arcalis - neues Wettkampf-Rennrad von Stevens im TOUR-Test

Jens Klötzer

 · 25.08.2021

Stevens Arcalis - neues Wettkampf-Rennrad von Stevens im TOUR-TestFoto: Skyshot/Greber

Stevens hat lange gewartet mit der Entwicklung eines neuen Wettkampf-Rennrads. Dafür kommt mit dem Arcalis nun aus dem Nichts ein Paukenschlag: ein Wettkampf-Bolide, der (fast) alles mitbringt, was schnelle Rennfahrer brauchen.

Die Marke Stevens machte in den vergangenen Jahren nicht unbedingt mit tonangebenden Innovationen von sich reden. Im Gegenteil lassen die Hamburger Trends gerne mal Trends sein und warten geduldig ab, ob aus einer Mode auch etwas Haltbares wird. Vom Aufstieg des Gravelbikes beispielsweise gab man sich lange unbeeindruckt und verwies auf die etablierten und mit großem Erfolg im Rennsport eingesetzten Crossräder, die auf losem Terrain ja auch wunderbar funktionierten. Diese Haltung kann man entweder störrisch finden oder typisch hanseatisch zurückhaltend – und damit durchaus sympathisch.

  Das neue Stevens ArcalisFoto: Matthias Borchers
Das neue Stevens Arcalis

Lange kein Aero-Rennrad von Stevens

Beim Thema Rennrad-Aerodynamik allerdings guckten Interessenten zuletzt ziemlich in die Röhre – obwohl sich eine sportlich orientierte Marke wie Stevens eigentlich nicht darum drücken kann. Aus dem Aero-Trend ist längst ein handfestes Leistungsmerkmal und Verkaufsargument geworden. Käufer erwarten heute, dass ein Rennrad je nach Ausrichtung mehr oder weniger aerodynamisch optimiert ist. Dass zuletzt ein gewisser Druck von Kunden, Athleten und Händlern vorhanden war, gibt auch Jacob von Hacht zu, Gründersohn und heute Geschäftsführer von Stevens: „Gerade als Marke, die im Rennsport aktiv ist, muss man heute ein aerodynamisch gutes Rad an den Start stellen. Sonst nimmt man das Thema nicht ernst. Das hat uns aber bisher im Programm gefehlt“, sagt er. Mit dem neuen Arcalis macht Stevens Fahrern mit Rennambitionen nun ein in vielen Belangen attraktives Angebot.

Stevens Arcalis: Alter Name - neues Design

Zwar besaß das 2015 vorgestellte Vorgänger-Arcalis schon auffällige aerodynamische Attribute wie ein Unterrohr mit tropfenförmigem Querschnitt und eine tragflächenartig geformte Sattelstütze. Im TOUR-Windkanaltest 2016 enttäuschte es jedoch, weil das Rahmen-Set kaum windschnittiger war als deutlich leichtere Allrounder. Hinzu kam eine recht aufrechte Sitzposition an der Grenze zum Marathonrenner – unterm Strich war das Rad für Rennfahrer nicht erste Wahl. Dass das neue Arcalis ein komplett anderes Rad ist, zeigen schon die ersten Testkilometer. Das Rad fühlt sich nicht nur richtig schnell, direkt und wendig an, auch die Sitzposition ist rennmäßig gestreckt, der Sattel thront deutlich höher als der Lenker. All das lässt keinen Zweifel, wofür das Rad gedacht ist. Die Rahmenform erinnert an schon bekannte Modelle wie Merida Reacto oder Specialized Tarmac. Aber sich an den derzeit Besten zu orientieren, muss ja kein Fehler sein. Aufschluss über die wahre Performance gibt letztlich nur der unabhängige Windkanalversuch von TOUR, wofür wir das neue Arcalis exklusiv vor der offiziellen Vorstellung bekommen konnten.

Premiere im Tour-Windkanal

Vor diesem Termin habe das Rad noch nie einen Windkanal von innen gesehen, räumt von Hacht ein. "Die Rahmenform entstand allein aus Computer-Simulationen, die aber heute sehr gut funktionieren", beschreibt er die Entstehung. Wie gut, zeigt das formidable Ergebnis: Mit nur 207 Watt Leistung bei 45 km/h Renngeschwindigkeit verdient sich das Stevens in dieser Disziplin ein "Sehr gut" und liegt nur knapp hinter den derzeit schnellsten Aero-Flitzern von Canyon (Aeroad CFR, 202 Watt) oder Cervélo (S5, 205 Watt). Angesichts der Laufräder mit hohen Felgen und der Lenkereinheit von Vision ist das Aero-Potenzial zwar weitgehend ausgereizt. Dennoch ist das Ergebnis durchaus als Ansage zu verstehen, dass Stevens bei Wettkampfrennern wieder vorne mitspielen möchte.

  Die Lenkereinheit von Vision hat Anteil am guten Aero-Ergebnis.Foto: Matthias Borchers
Die Lenkereinheit von Vision hat Anteil am guten Aero-Ergebnis.

Ausstattungsvarianten ab 3.699 Euro

Apropos Ansage: Bei solchen Leistungsdaten fürchten Kaufinteressenten meistens den Blick aufs Preisschild –aber Stevens bleibt selbst mit der für den Test gelieferten High-End-Ausstattung unter der 10.000-Euro-Marke. Das Arcalis ist damit sicher kein Schnäppchen, kann aber, je nach Zusammenstellung im Stevens-Konfigurator, durchaus ein vergleichsweise günstiges Rad werden: Das Rahmen-Set wird für 2.599 Euro verkauft, Kompletträder sind ab 3.699 Euro möglich. Das ist ein Angebot, bei dem man vielleicht über manch kleine Schwäche hinwegsehen kann.

Denn bei aller Euphorie offenbart unser Test auch ein nennenswertes Manko: Der Federkomfort der unnachgiebigen Sattelstütze ist kaum der Rede wert. Der 28 Millimeter breite Hinterradreifen und der bequeme Sattel können deren mäßigen Messwert zwar ganz gut kaschieren; und wer das Rad für nicht zu lange Rennen und überwiegend auf guten Straßen einsetzt, wird sich kaum daran stören. Dennoch können andere Wettkampfgeräte das besser.

Das Gewicht des Rades geht dagegen in Ordnung, selbst wenn die Konkurrenz Räder an der Sieben-Kilo-Marke an den Start schieben kann. Das liegt zum Teil an der Ausstattung des Arcalis, aber auch das Rahmen-Set wäre mit rund 200 Gramm weniger noch etwas näher dran an der perfekten Rennmaschine – zumal vor dem Hintergrund, dass die Tage spezieller Leichtbau-Renner auch bei Stevens gezählt sind: "Das Arcalis wird zukünftig unser einziges High-End-Modell im Wettkampfbereich sein. Das Comet (das Leichtbau-Modell des Herstellers, Anm. d. Red.) wird eingestellt", sagt von Hacht. Einen solch radikalen Schritt traute sich von den namhaften Rennrad-Marken bisher nur Specialized mit dem neuen Tarmac SL7. Von Hacht aber findet die Strategie richtig. "Wir möchten nicht, dass sich ein Fahrer abhängig von der Strecke für das eine oder das andere Rad entscheiden muss. Man müsste das ja im Grunde je nach Rennsituation tun. Wir wollen das bestmögliche Paket für alle Arten Straßenrennen bieten", sagt er. Gut möglich, dass die zurückhaltenden Hanseaten bei diesem Trend mal ganz, ganz früh dabei sind.

Das Stevens Arcalis im Detail

Preis: 8.961 Euro

Gewicht: Komplettrad 7,6 Kilo

Rahmengrößen: 48, 51, 54, 56, 58, 61 cm

AUSSTATTUNG

Antrieb/Schaltung: SRAM Red eTap AXS (50/37, 10-28 Z.)

Bremsen: SRAM Red eTap AXS HRD (160/160 mm)

Laufräder/Reifen: DT Swiss ARC 100 Dicut 62/Continental Grand Prix 5000 25/28mm

Den vollständigen Test mit detaillierten Noten und Messwerten von Gewicht, Steifigkeit und Ausstattung finden Sie unten zum Download für 0,99 Euro.

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