RekordjagdDas Storck Aerfast.5 Pro im TOUR-Test

Das Storck Aerfast.5
Foto: Matthias Borchers
Storck nimmt einen neuen Anlauf: Das neue Aerfast soll das schnellste Straßenrad nach TOUR-Standard sein, nachdem der Vorgänger noch knapp gescheitert war. Ob’s gelingt, zeigt unser exklusiver Einzeltest.

Fünf bis sechs Watt, mutmaßte Windkanalbetreiber Ernst Pfeiffer vor einiger Zeit, können hochgezüchtete Aero-Boliden noch schneller werden. Das überarbeitete Technik-Reglement der UCI war da gerade ein Jahr offiziell, und zwei Rennmaschinen befeuerten mit neuen Bestmarken in Pfeiffers GST-Windkanal am Bodensee die Spekula­tionen: Das Simplon Pride II knackte als erstes Serienrad nach TOUR-Testprotokoll die Schallmauer von 200 Watt, das Storck Aerfast.4 Pro landete haarscharf dahinter.



Beide Hersteller wandten schon die reformierten UCI-Richtlinien an, die seit 2022 aerodynamischere Rohrformen erlauben und damit schnellere Rennräder ermöglichen. Seitdem experimentiert die ganze Branche an neuen Rahmen-Sets, reizt den sogenannten “Clarification Guide” des Radsportweltverbands aus und versucht, ein paar Watt Leistungs­ersparnis aus ihren Wettkampfrädern ­herauszukitzeln. Jüngstes Beispiel ist das ­Aerfast.5. Mit dem Nachfolger des bislang zweitschnellsten Serienrads im TOUR-Test begab sich Markus Storck ­erneut auf Rekordjagd.

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Storck Aerfast.5 Pro: Reinrassiger Aero-Bolide

Das Ziel des umtriebigen Herstellers: Die 200-Watt-Schallmauer soll im zweiten Anlauf fallen, das Aerfast den inoffiziellen Titel als schnellstes Rennrad einheimsen. Dafür konzipierten Storck und seine Entwicklungsabteilung einen reinrassigen Aero-Boliden, der im Gegensatz zum Aerfast.4 die Grenzen des Erlaubten maximal auslotet und sich über extrem flächige Carbonrohre definiert. Eine aggressive Formensprache also wie bei Simplon.

“Der Rahmen ist komplett überarbeitet. Durch diese Veränderungen konnten wir die Messlatte noch mal höherlegen”, sagt Storck. Während die spektakuläre Gabel und das windschnittige Cockpit unverändert blieben, ist das Steuerrohr deutlich in die Länge gewachsen: Rund 130 Millimeter misst die senkrechte Tragfläche, die neben den optimierten Rohrformen, Knotenpunkten und schnellen Laufrädern signifikant Einfluss auf die Aerodynamik nehmen soll. Das Storck Aerfast.5 will dadurch mindestens so schnell wie das Pride II sein, das bei 45 km/h den bisherigen Bestwert von 199 Watt erzielte.

Minimale Verbesserung

Trotz größerer Rohrquerschnitte, die die UCI seit zwei Jahren erlaubt, beißt sich das Storck am aktuellen Rekord allerdings weiter die Zähne aus. In der Ausstattungsvariante mit nur einem Aero-Kettenblatt und hohen Carbonfelgen landet das Storck Aerfast.5 nach TOUR-Messverfahren bei 201 Watt. Mit Umwerfer und zweitem Kettenblatt würden ein paar Watt hinzukommen. Im Vergleich zum Vorgänger verbessert sich der Bolide zwar minimal um 0,6 Watt, das gerundete Ergebnis bleibt aber bestehen. Eine Enttäuschung? Mitnichten.

Ohne Umwerfer spart das Aerfast.5, getestet mit weißer Lackierung, drei Watt bei der Aero-LeistungFoto: Robert KühnenOhne Umwerfer spart das Aerfast.5, getestet mit weißer Lackierung, drei Watt bei der Aero-Leistung

Das neue Storck erzielt weiterhin einen erstklassigen Aero-Wert und ist fast konkurrenzlos schnell. Vielmehr lässt sich als zentrale Erkenntnis aus unserem ­exklusiven Einzeltest ableiten, dass sich die technischen Neuerungen innerhalb der Grenzen des UCI-Reglements nur in Nuancen auf die Aero-Leistung auswirken und bahnbrechende Fortschritte mit konventionellen Mitteln aktuell kaum mehr möglich sind. Oder eines weiteren Kniffs bedürfen, wie eine weitere Messung im Windkanal ergibt: Mit einem schmäleren Lenker (360 statt 400 Millimeter) würde das Aerfast.5 seinen eigenen Luftwiderstand bei 45 km/h mit einer Tretleistung von 199 Watt überwinden. Die Bestmarke des Pride II, gemessen mit 400-Millimeter-Lenker und konventionellem Zweifach-Kettenblatt, wäre damit erreicht. Laut Storck soll das Aerfast.5 auch mit der ultraschmalen Lenker-Vorbau-Einheit in den Shop kommen.

Storck Aerfast.5 Pro: Rennmaschine in Reinkultur

Ob nun schnellstes oder zweitschnellstes Rennrad im TOUR-Test: Die Neuheit ist eine Rennmaschine in Reinkultur und abseits des Windkanals dem nominell schnelleren Boliden des österreichischen Herstellers leicht überlegen. Denn neben der exzellenten ­Aerodynamik profitiert das Storck in der ­Bewertung von einem bemerkenswert niedrigen Gewicht: Im Vergleich zum Vorgänger mit fast identischen Komponenten spart es 360 Gramm, gegenüber dem Simplon ist es sogar um 620 Gramm leichter. Wie kann das sein? “Wir haben andere Carbonfasern verwendet, außerdem die Technologie der Werkzeuge verbessert”, so Storck. Damit konnte das Gewichtsniveau bei Rahmen (1113 Gramm) und Gabel (476 Gramm) gehalten werden. Gegenüber dem Aerfast.4 fehlt der Neuheit zudem ein Powermeter, ­­die leichten Tubolito-Schläuche helfen beim Gewichtstuning ebenfalls. Den Rest holt der Bolide über Sattelstütze, Cockpit und das kurze Lenkerband heraus.

Die Carbonstütze erhöht die aerodynamische Qualität, bietet aber kaum FederkomfortFoto: Matthias BorchersDie Carbonstütze erhöht die aerodynamische Qualität, bietet aber kaum Federkomfort

Das Aerfast.5 stellt damit in vielen Fahrsituationen Bestzeiten auf (siehe Grafik unten). Insgesamt lechzt der Bolide nach Hochgeschwindigkeit, ist mit wenigen Kurbelumdrehungen in Schwung gebracht und hält spielerisch das Tempo jenseits der 30 km/h. Die sehr gestreckte Sitz­position unterstreicht den Wettkampfcharakter, für Hobby­sportler hat Storck bequemere Alternativen im Sortiment. Auch was den Komfort betrifft: Rahmen-Set, Sattelstütze und Cockpit – unisono in krachendes Blau getüncht – sind maximal auf Aerodynamik zugespitzt und erfordern Abstriche bei der Federung. Obwohl unser Testpilot die Aero-­Stütze bis zum erlaubten Maximum herauszog und auf einem hochwertigen Carbonsattel von Selle San ­Marco saß, bestätigte sich in Fahrt der unterdurchschnittliche Messwert aus dem Labor. Auch die Front reagiert am Oberlenker – der Hauptauflagefläche der Hände und Messpunkt unseres neuen Prüf­verfahrens – störrisch auf Unebenheiten.

tour/grafik-storck_9e3a1ddee6e8a9f9e815cb16fe9757a1Foto: TOUR

Lebendiges Fahrverhalten beim Storck Aerfast.5 Pro

In Relation zu vergleichbaren Konkurrenten hat das Storck den geringen Federkomfort aber auch nicht ­exklusiv. Andere Renn­maschinen unterliegen ebenfalls dem Diktat der Aero- und Gewichtsoptimierung, um die PS möglichst effizient auf die Straße zu bringen. Das gelingt dem Aerfast.5 auch dank des steifen Rahmen-Sets; zwar lässt es Platz für breitere Reifen als die montierten schmalen 25-Millimeter-Pneus, diese wiederum würden aber ­minimale Einbußen bei der Aerodynamik zur Folge haben.

Beinahe untypisch in der Kategorie der ­Aero-Räder ist das lebendige Fahrverhalten. Dem Testrad in Rahmengröße M, das sich zwischen 54 und 56 einordnet, kommt vor allem der kurze Radstand entgegen. Während typische Vertreter meist etwas länger ausfallen und stoisch geradeaus rollen, hechelt das Storck wie ein junges Rennpferd über den Asphalt und lauert auf die nächste Abzweigung. Das ist nicht immer ein Vorteil: Auf rasanten Talfahrten mit Wind aus wechselnden Richtungen bietet die flächige Gabel viel Angriffsfläche und setzt eine versierte Hand am Lenker voraus. Für bergiges Terrain ist die getestete Ausstattungsvariante ohnehin nicht ideal, weil Mono-Kettenblatt und 10-33-Kassette ein begrenztes Gang­spektrum bieten, das allenfalls Profis oder Rennfahrern mit dicken Oberschenkeln genügt. Flaches, leicht welliges Revier lässt sich mit der Trend-Übersetzung, die durch Alleskönner Wout van Aert (Visma-Lease a Bike) auch am Straßenrad populär wurde, dagegen gut bewältigen.

Neben der getesteten Version bietet Storck zwei weitere Ausstattungen mit klassischen 2x12-Antrieben (Shimano Dura-Ace oder SRAM Red AXS) an. Neben dem Cockpit können alle Modelle mit Hochprofil-Lauf­rädern von DT Swiss oder Scope aufgebaut werden. Mit den bei Redaktionsschluss noch unveröffentlichten Laufrädern des niederländischen Herstellers verspricht Storck nochmals 400 Gramm weniger Gewicht. ­Damit würde das Aerfast.5, erhältlich zu Preisen zwischen 10.399 und 11.899 Euro, das UCI-Gewichtslimit treffen und wäre ­unter den Aero-Rennrädern endgültig in ­einer eigenen Liga unterwegs. Vorerst auch ohne Quantensprung im Windkanal.

Storck Aerfast.5 Pro

  • TOUR-Note: 2,0
  • Preis: 10.399 Euro
  • Gewicht: 7,2 Kilo
  • Rahmengrößen: XS, S, M, L, XL, XXL (Testgröße gefettet)
Storck Aerfast.5Foto: Matthias BorchersStorck Aerfast.5

Geometrie

  • Sitz-/Ober-/Steuerrohr: 498/550/116 Millimeter
  • Stack/Reach/STR: 537/386 Millimeter/1,39
  • Stack+/Reach+/STR+: 582/545 Millimeter/1,08
  • Radstand/Nachlauf: 980/62 Millimeter

Ausstattung

  • Antrieb/Schaltung: SRAM Red AXS (1x12; 50, 10–33 Z.) | Note: 2,0
  • Bremsen: SRAM Red HRD (160/160 mm) | Note: 1,5
  • Reifen: Continental Grand Prix 5000 25 mm (eff.: 26 mm) | Note: 1,0
  • Laufräder: DT Swiss ARC 1100 Dicut 62
  • Laufradgewichte: 1182/1538 Gramm (v./h.)

Messwerte

  • Aerodynamik: 201 Watt | Note: 1,0
  • Gewicht Komplettrad: 7170 Gramm | Note: 2,0
  • Fahrstabilität: 7,8 N/mm | Note: 2,0
  • Komfort Heck: 294 N/mm | Note: 4,7
  • Komfort Front: 96 N/mm | Note: 4,3
  • Antritt/Tretlagersteifigkeit: 60 N/mm | Note: 1,0

Storck-Aerfast.5-TOUR-BewertungFoto: TOUR

+ hervorragende Aerodynamik, antrittsstark

- schwacher Federkomfort, teuer


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